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Politik

"Die Angst ist immer noch da"

5. Dezember 2019

Die Ex-Frau des in Berlin getöteten Georgiers sprach mit der DW über die Flucht ihrer Familie nach Deutschland und darüber, was es bedeutet, in ständiger Angst leben zu müssen - auch nach dem Mord an ihrem Mann.

Manana T.
Bild: DW/Oxana Evdokimova

Deutsche Welle: Die Bundesanwaltschaft hat nun offiziell die Ermittlungen im Fall eines mutmaßlichen Auftragsmordes an Ihrem Ex-Mann Zelimkhan Khangoshvili übernommen. Wie finden Sie das?

Manana T.: Ehrlich gesagt, war ich schon verzweifelt. Ich dachte, dass dieser Fall vergessen wird. Ähnlich, wie es uns schon in Georgien passierte, als auf Zelimkhan dort ein schweres Attentat verübt wurde. Ich dachte, wegen so eines einfachen Mannes will Deutschland nicht seine Beziehungen zu Russland riskieren. Jetzt bin ich sehr erleichtert und froh, dass als Reaktion darauf zwei russische Diplomaten ausgewiesen wurde. Es heißt für mich, die Dinge nehmen nun ihren richtigen Lauf. Das ist gerecht.

Ihr Ex-Mann lebte seit 2016 in Deutschland und hatte versucht, hier Asyl zu bekommen. Was war der Grund seiner Flucht aus Georgien und später aus der Ukraine? 

Zelimkhan wurde seit etwa 2006 verfolgt. Es wurden mehrere Versuche unternommen, ihn zu liquidieren. Auch ich habe Morddrohungen erhalten und wurde mehrmals gewarnt. Ich bin mir ganz sicher, dass alle meine Telefonate in Georgien abgehört wurden. Ich hatte große Angst, dass unsere Kinder zur Zielscheibe werden und deswegen bin auch ich nach Deutschland geflohen. Obwohl wir mehrmals gewarnt wurden, hätte ich nie gedacht, dass so eine grausame Tat so leicht hier in Deutschland begangen werden kann, wo die Sicherheit, die Polizei und die Gesetze zu den stärksten der Welt zählen.

Zelimkhan Khangoshvili wurde am 23. August im Kleinen Tiergarten in Berlin Moabit erschossenBild: privat

Warum, glauben Sie, wurde er umgebracht?

Zelimkhan wurde von russischen Geheimdiensten verfolgt und es war klar, dass sie nicht damit aufhören bevor er nicht vernichtet wurde. Ich glaube, es hat mit seiner Teilnahme am zweiten Tschetschenien-Krieg zu tun. Er war einer der Kommandeure dort. Alle Probleme begannen, als er aus dem Krieg zurückkehrte. Um sich zu schützen, hat er einen neuen Namen angenommen [Tornike K., Anm. d. Red.] und es ist ihm gelungen, sich längere Zeit zu verstecken. 

Für Russland galt er als Terrorist und deswegen als Staatsfeind. Auch in Deutschland gibt es Berichte, die auf seine Verbindungen zur islamistischen Szene hinweisen. Wissen Sie etwas davon?

Er war kein radikaler Islamist. Er war ein gläubiger Muslim und ein Patriot. Noch während des Krieges hat er verstanden, dass junge Menschen, die für die Unabhängigkeit Tschetscheniens damals kämpften, in den Krieg hineingelockt wurden und zum Opfer größerer Machtspiele wurden. Er war noch während des Krieges sehr enttäuscht und hat sich davon distanziert.

Warum wurde ihm in Deutschland kein Asyl gewährt?

Als er nach Deutschland gekommen ist, haben wir damit gerechnet, dass er mit all seinen Unterlagen, die seine Gefährdung beweisen, sofort Asyl bekommt. Doch das ist nicht passiert. Zu diesem Zeitpunkt war ich in einem Flüchtlingsheim in Polen. Als ich dort zwei Absagen bekam, kam ich mit den Kindern nach Deutschland. Doch auch hier erhielten wir zuerst kein Asyl. Uns hat keiner geglaubt.

Ich glaube, wenn er Asyl erhalten hätte, wäre er möglicherweise noch am Leben. Ich weiß, welche Informationen er den deutschen Behörden über seine mögliche Gefahrenlage zur Verfügung gestellt hat. Aber ich möchte niemandem etwas vorwerfen. Natürlich tut es sehr weh, dass man ihm nicht geholfen hat.

Er wäre sehr glücklich gewesen, wenn er in Deutschland Asyl bekommen hätte. Er hat es auf verschiedensten Wegen versucht. Es war nicht einfach. Auch ich habe die Informationen und Artikel über seine Gefährdung gesammelt. Wir hatten leider keine einzige adäquate Rückmeldung darauf von deutschen Richtern bekommen. Der Stress und die Enttäuschung waren groß. Wie eine Qual.

Ende Oktober wurden Sie und Ihre Kinder endlich als Flüchtlinge anerkannt. Wie geht es Ihnen und Ihren Kindern jetzt?

Nach dem Mord standen die Kinder unter Schock. Sie haben jeden Tag geweint. Jeden Tag spüren sie diesen Schmerz des Verlustes. Ihr Vater fehlt ihnen sehr. Täglich reden sie von ihm. Sie träumen von ihm. Jeden Morgen beginnen wir damit, dass die Kinder mir von diesen Träumen erzählen. Ich spüre, dass sie in eine Depression hineinrutschen. Aber niemand kann uns dabei helfen. Wir müssen damit selbst klar kommen.

Was ich mir wünsche, ist, dass ich in Deutschland wieder als Ärztin arbeiten kann. Dafür möchte ich nach Berlin ziehen. Denn im Dorf, wo ich zur Zeit lebe, in einem Heim, gibt es keine Arbeit. Doch dafür fehlen uns die Unterlagen und das Geld.

Fühlen Sie sich jetzt sicherer?

Leider nein. Die Angst ist immer noch da.

Das Interview führte Oxana Evdokimova. Frau Manana T. hat darum gebeten, aus Sicherheitsgründen nicht ihren vollen Nachnamen zu nennen.

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