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Politik

Nasheed träumt von Comeback

Esther Felden
28. Februar 2017

Mohamed Nasheed war Präsident der Malediven. Er wurde zum Rücktritt gezwungen, saß im Gefängnis. Heute lebt er in London im Exil. Aufgeben war für ihn nie eine Option. Er will zurück auf die politische Bühne.

Mohamed Nasheed beim Genfer Menschenrechtsgipfel 2017
Bild: Geneva Summit/D. Smith

"War es Wahnsinn?", fragt Mohamed Nasheed rhetorisch und lacht kurz auf. "War es nichts anderes als purer Wahnsinn, der mir beim Durchhalten geholfen hat? Mut war es jedenfalls nicht, das ist sicher." Nasheed spricht offen über seine Zeit in Haft. Mehr als ein Dutzend Mal wurde der ehemalige Staatschef der Malediven und Mitbegründer der dortigen Demokratischen Partei verhaftet. Über fünf Jahre seines Lebens verbrachte er hinter Gittern, wurde gedemütigt und misshandelt. "Es war brutal. Ich bin immer wieder verprügelt worden. Und man hat auf mich uriniert und mich bespuckt."

Am schlimmsten sei die Einsamkeit gewesen, die Trennung von Frau und Kindern. "Ich habe 18 Monate in Einzelhaft verbracht. Da denkt man in ganz kleinen Schritten. Ich habe mir gesagt: Ich schaffe jetzt einen Tag. Und dann noch einen. So verging eine Woche. Und dann sagte ich mir: Die nächste schaffe ich auch noch. Und so geht es immer weiter."

Sein Martyrium endete Mitte Januar 2016. Mohamed Nasheed durfte seine Haft unterbrechen und für eine Operation nach Großbritannien ausreisen. Auf anhaltenden Druck aus dem In-und Ausland ließ die Regierung ihn gehen, sagt er. Eigentlich war er wenige Monate zuvor zu 13 Jahren Gefängnis verurteilt worden, wegen terroristischer Straftaten. Nasheed hat die Vorwürfe immer zurückgewiesen. Zahlreiche Beobachter, unter anderem die Europäische Union, bezweifeln, dass er ein faires Verfahren bekommen hat. Nasheed kehrte nicht zurück. In London wurde ihm politisches Asyl gewährt. Seitdem lebt er dort.

Von einem Diktator zum nächsten

Die jüngere Geschichte der Malediven ist bewegt, er selbst eine der Hauptpersonen. Aus den ersten demokratischen Wahlen des südasiatischen Inselstaates im Jahr 2008 ging er überraschend als Sieger hervor und beendete damit die jahrzehntelange autokratische Herrschaft von Maumoon Abdul Gayoom. Der studierte Meeresbiologe und Umweltaktivist Nasheed galt vielen im In- und Ausland als Hoffnungsträger für einen demokratischen Wandel. Internationale Bekanntheit erlangte er vor allem durch eine Kabinettssitzung, die er auf dem Grund des Meeres abhielt, um so auf das Problem des steigenden Wasserspiegels aufmerksam zu machen. 

Drei Jahrzzehnte stand der autokratische Präsident Maumoon Abdul Gayoom (hier in einer Aufnahme von 1997) an der Staatsspitze Bild: AP

2012 trat Nasheed als Präsident zurück – oder wurde zum Rücktritt gezwungen. Nach Ansicht internationaler Beobachter wurde er unter putschähnlichen Zuständen aus dem Amt gedrängt. Nasheed hatte damals die Polizei aufgefordert gegen Anti-Regierungsproteste vorzugehen. Die Polizei weigerte sich und schloss sich den Protesten an. "Ja, ich war gezwungen, zurückzutreten. Ein paar Tage vorher hätte ich Gewalt einsetzen können, das war meine einzige Option. Und fast alle meine Berater haben mir dazu geraten." Er habe sich dennoch dagegen entschieden. Und bereue es nicht.  "Wir sind nicht an die Regierung gekommen, um Menschen festzunehmen, zu unterdrücken und zu bekämpfen. Selbst wenn es sich um meuternde Polizei handelt oder Kräfte, die die Regierung destabilisieren wollen. Das ist alles kein Grund, eine Hexenjagd zu beginnen und den starken Mann zu spielen."

Seit 2013 ist Abdulla Yameen als Staatschef im AmtBild: Imago/Xinhua

Bei den nächsten Präsidentschaftswahlen im folgenden Jahr trat er erneut an, gewann den ersten Wahlgang, verpasste aber die absolute Mehrheit. Das Oberste Gericht annullierte die Wahlen unter fragwürdigen Umständen. Erst nach mehreren Anläufen ging der konservative Abdulla Yameen als Sieger aus dem Urnengang hervor: ein Halbbruder des früheren Dikators Gayoom.

Warum er damals nicht versucht hat, das Wahlergebnis anzufechten? "Damals befand sich das Land quasi seit zwei Jahren im Ausnahmezustand, wir standen an der Schwelle zu einem Bürgerkrieg." Er war überzeugt, dass die Malediven vollends ins Chaos stürzen würden, wenn er sich nicht zurückgezogen hätte. Und er habe nicht Teil eines gewaltsamen Konflikts sein wollen.

Beobachter aus der Ferne

Aus dem Exil verfolgt er die Geschehnisse in seiner Heimat weiter. "Die Malediven sind wieder eine Diktatur", sagt Nasheed klipp und klar. Die Menschenrechte und die Demokratie seien in den vergangenen Jahren schwer beschädigt worden. "Sämtliche Oppositionsführer sind entweder im Exil oder im Gefängnis. Und gegen mehr als 17.000 Menschen wird zurzeit entweder ermittelt oder sie stehen bereits vor Gericht beziehungsweise sind inhaftiert." So seien beispielsweise vor wenigen Wochen fünf Journalisten des einzigen unabhängigen Fernsehsenders des Landes festgenommen und verurteilt worden.

Bei den Wahlen 2013 trat Nasheed an - war am Ende aber unterlegen, wenn auch unter fragwürdigen UmständenBild: Reuters

"Und im Dezember 2016 sollten eigentlich die nächsten Gemeinderatswahlen anstehen, aber bis heute hat die Regierung sie immer weiter verschoben." Ein Termin steht noch nicht fest. Nasheed glaubt nicht, dass die Wahlen bald stattfinden werden.

Brutstätte für IS-Terrroristen?

Noch eine weitere Entwicklung sei sehr beunruhigend, so der Ex-Präsident. "Mehr als 350 unserer Staatsbürger haben sich dem IS angeschlossen. Das Land steht vor einem ernsten Problem: Kein anderer Staat der Welt hat prozentual so viele IS-Kämpfer in seinen Reihen." Etwas andere Zahlen nennt  Dunya Maumoon. In einem Interview mit dem ARD-Hörfunkstudio Südasien Anfang 2016 gab die damalige Außenministerin und Tochter von Ex-Präsident Maumoon Abdul Gayoom an, dass man das Problem durchaus ernst nehme – warnte aber gleichzeitig davor, es größer zu machen als es sei. "Wir haben 350.000 Einwohner. Wir glauben, dass die Zahl der ausgereisten Kämpfer bei 40 bis 50 Personen liegt. Selbst wenn man die mit ausgereisten Familienangehörigen dazu zählt, bleibt die Zahl deutlich unter 100. Der Terrorismus ist ein globales Problem. Die Malediven sind davon nicht ausgenommen. Aber wir unternehmen alles, damit die Malediven ein sicheres Land bleiben."

Dunya Maumoon war von 2013 bis 2016 Außenministerin der MaledivenBild: picture-alliance/dpa/E. Jayawardena

Exakt nachprüfen lässt sich keine dieser Zahlen. Forscher des Kellog Institute an der US-amerikanischen Northwestern University haben sich 2016 in einer Studie explizit mit dem der internationalen Rekrutierung von IS-Kämpfern befasst. Sie kommen zu dem Ergebnis, dass auf den Malediven hochgerechnet auf eine Million Menschen 500 IS-Kämpfer entfallen würden, damit liegt das Land ihren Forschungen zufolge auf Platz zwei: Mehr IS-Kämpfer zufolge nur noch in Tunesien (545 auf eine Million).

Für Touristen sind die Malediven vor allem wegen ihrer Traumstrände ein beliebtes UrlaubszielBild: picture-alliance/dpa/DB Can Merey

Die Schuldigen für die steigenden IS-Kämpfer-Zahlen auf den Malediven sieht Mohamed Nasheed vor allem im Ausland. "Saudi-Arabien hat  viele unserer Studenten an seine Universitäten geholt. Dort wurden sie ausgebildet und auch radikalisiert. Die saudische Auslegung des Islam ist nur einen halben Schritt von dem entfernt, was der IS propagiert. So ist bei uns ein Nährboden für Terrorismus entstanden." Allein könne das Land das Problem nicht in den Griff bekommen, meint Nasheed, die Malediven seien dabei auf Unterstützung von außen angewiesen.

Ein politisches "Stehaufmännchen"?

Mohamed Nasheed möchte zurück auf die Malediven, lieber heute als morgen. "Aber wenn ich jetzt einreisen würde, würde ich sofort wieder ins Gefängnis gesteckt." Es ist nicht das erste Mal, dass er im Exil lebt. "Nach 15 Jahren Verfolgung und mehreren Haftstrafen bin ich 2003 geflohen und habe dann von Sri Lanka aus eine Partei gegründet."

Die Maldivian Democratic Party (MDP) ist heute größte Oppositionspartei des muslimischen Inselstaates im Indischen Ozean. Nasheed möchte wieder für sie antreten – bei den nächsten Wahlen im Jahr 2018. Offiziell darf er das nicht, er ist aufgrund seiner umstrittenen Verurteilung ausgeschlossen. Aber damit möchte er sich nicht abfinden. Er sei Staatsbürger und als solcher müsse ihm die Teilnahme erlaubt sein, so Nasheed. "Ich werde mich bei den Vorwahlen meiner Partei als Kandidat aufstellen lassen. Und hoffe, dass sie für mich stimmt." Der Präsident, so glaubt er, habe Angst vor der MDP. "Er weiß, dass wir ihn deutlich schlagen werden."

Im Februar 2015 begann der Prozess gegen Ex-Präsident Nasheed - von der Polizei wird er in der Hauptstadt Malé vom Boot aus ins Gericht gebracht.Bild: REUTERS/W. Mohamed

Ambitionierte Zukunftsvisionen

Wo er die Malediven am Ende der nächsten Legislaturperiode sieht? Keine Frage, sagt er und lacht wieder. "Als beste Demokratie der Welt." Ein wohl nicht ganz realistisches Szenario, das weiß er natürlich auch." Das Land braucht Rechtsstaatlichkeit, das Recht auf freie Meinungsäußerung, einen Mindestlohn, funktionierende Sozialprogramme und mehr Gleichberechtigung von Männern und Frauen."

Das Ganze mit ihm an der Spitze? Da lächelt Ex-Präsident Nasheed. Nein, sagt er und winkt ab. Das müsse gar nicht unbedingt sein. "Wichtig ist einfach, dass wir zurück auf den Pfad der Demokratie finden."

 

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