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Ex-VW-Chef gibt sich ahnungslos

Kay-Alexander Scholz
19. Januar 2017

Es war der erste öffentliche Auftritt nach seinem Rücktritt vor 15 Monaten. Im Bundestag musste der ehemalige Vorstandsvorsitzende von Volkswagen Rede und Antwort stehen. Viel zur Aufklärung wollte er nicht beitragen.

Martin Winterkorn vor dem Bundestagsuntersuchungsausschuss
Bild: picture alliance/dpa/B. von Jutrczenka

Zwei Stunden dauerte die Befragung von Martin Winterkorn. Über die Ergebnisse waren die Mitglieder des parlamentarischen Untersuchungsausschusses zur Dieselgate-Affäre enttäuscht. Der ehemalige VW-Vorstandsvorsitzende hatte in seinem Eröffnungsstatement lediglich gesagt, er frage sich selbst, "warum er nicht frühzeitig und eindeutig über die Messprobleme aufgeklärt" worden sei. 15 Monate nach seinem Ausscheiden sei er noch immer tief bestürzt über die Ereignisse und wolle sich dafür entschuldigen. "Glauben Sie mir", sagte Winterkorn, "ich suche noch heute nach befriedigenden Antworten". Zur Aufklärung wolle er "vollumfänglich" beitragen. Er selbst habe durch seinen Rücktritt Ende September 2015 Verantwortung übernommen.

Schuld sind die anderen

35 Jahre sei er im Konzern gewesen, habe sich hochgearbeitet bis an die Spitze und dort kein "Schreckensregime" - wie ihm oft nachgesagt wird - geführt, sondern Kritik nicht gescheut und immer eine offene Tür für Probleme geboten. An seiner Führungskultur kann es also nicht gelegen haben, dass die Probleme ihn nicht erreicht hätten, wollte Winterkorn damit wohl sagen.

Es sei schrecklich, dass der Skandal den Konzern in eine schwere Krise gestürzt und Millionen Kunden enttäuscht habe. Selbstkritisch fragte Winterkorn, ob er "Signale" überhört habe. Welche "Signale" das gewesen seien, dazu schwieg er aber mit dem Verweis auf die laufenden Ermittlungen der Staatsanwaltschaft in Braunschweig. Die Antworten darauf seien Teil des persönlichen Prozesses gegen ihn. Auch auf viele der folgenden Fragen verweigerte Winterkorn mit dem Hinweis auf "Braunschweig" die Aussage.

Bild: DW/K.A.Scholz

Chance vertan, kritisierte der Obmann der CDU/CSU-Fraktion, Ulrich Lange, nach der Zeugenvernehmung. Jenseits von Braunschweig  hätte hier im Bundestag die Chance bestanden, einiges klar zu stellen.

"Ich bin ja kein Software-Ingenieur"

Sei er über die Dinge wirklich nicht informiert gewesen? Oder mache er seine Rolle absichtlich klein, fragte OIiver Krischer von den Grünen, stellvertretender Vorsitzender des im Juni 2016 konstituierten Ausschusses, im Anschluss? Er halte es für eine "Legende", das nur zwei, drei Ingenieure von der Sache wussten.

Kern der Abgas-Affäre ist die Frage, inwieweit, von wem und warum die Software zur Steuerung von Dieselmotoren manipuliert wurde, um strengere Abgasregeln einzuhalten. Der 69-jährige Winterkorn verbreitet das Bild von sich, detailversessen und ein Ingenieur durch und durch zu sein - also nicht der glatte Managertyp. Als die Abgeordneten immer wieder aufs Neue versuchten, mehr Licht ins Dunkel zu bringen, sagte er schließlich: "Ich bin ja kein Software-Ingenieur". Das seien sehr komplexe Vorgänge mit Datenblättern, die übereinander gestapelt so hoch wie ein Schreibtisch seien. Vom Alter her könnte es passen, dass Winterkorn dem Bereich Software viel weniger Aufmerksamkeit geschenkt hat als der Hardware von Autos.

Eine nicht allzu große Bereitschaft sich anzupassen, könnte man auch daher ableiten, dass Winterkorn - immerhin zählte er zu den mächtigsten Personen Deutschlands - noch immer kein klares Hochdeutsch spricht, sondern in typisch schwäbischer Mundart häufig nuschelte. Während der Befragung mussten die Anwesenden deshalb einige Male darum bitten, dass er seinen Satz wiederhole. Zudem sprach Winterkorn auch nicht sonderlich laut - er wirkte eher klein-laut, um ein etwas altmodisches Wort zu verwenden.

Anruf bei der Kanzlerin

Neue Erkenntnisse über mögliche strukturelle Mängel in der Branche, die Anlass für neue Gesetze sein könnten, habe Winterkorns Befragung nicht ergeben, sagte der Ausschussvorsitzende Herbert Behrens von der Linkspartei. Auch über die Kontakte zwischen der Bundesregierung und dem VW-Konzern hätte die Befragung keine neuen Erkenntnisse gebracht.

Am 18. September 2015 sei der Konzern über die Meldung der US-Umweltbehörden über verletzte Grenzwerte informiert worden, berichtete Winterkorn. Schnell habe sich herausgestellt, dass das Problem nicht nur auf den US-Markt beschränkt gewesen sei. Weshalb am direkt folgenden Wochenende ein Krisen-Meeting mit 100 Personen stattgefunden habe.

Bestätigt hat Winterkorn ein Telefonat - genauer einen Rückruf nach einem Tag - der Kanzlerin am 21. September 2015. In diesem habe er Angela Merkel über das "Problem" informiert. Im März will der Ausschuss auch die Kanzlerin befragen, um zu klären, inwieweit die Bundesregierung frühzeitig über Unstimmigkeiten bei den Abgaswerten von Autos verschiedener Hersteller Kenntnis hatte.

Die beiden Anwälte an Winterkorns Seite, Kersten von Schenck und Felix Dörr, schwiegen bis auf eine kurze korrigierende Einlassung während der Befragung. Die Abgeordneten hakten mehrmals zu einem Rückruf von 500.000 VW-Autos in den USA Anfang 2015 nach. Dabei ging es - Monate vor Bekanntwerden des Skandals - laut Winterkorn darum, die Abgaswerte zu verbessern. Weitere Nachforschungen habe er aber nicht angestellt. Schließlich sei es nur um Software gegangen und nicht um weitaus teurere Maßnahmen. 

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