Exil-Russinnen vergiftet? Polizei ermittelt
22. Mai 2023Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) forderte "diplomatische Antworten" von Seiten der Bundesregierung gegenüber Russland, sollte sich der Verdacht von Giftanschlägen auf zwei Journalistinnen bestätigen. Der DJV reagierte damit auf Berichte, nach denen die beiden exilrussischen Journalistinnen im Zusammenhang mit dem Besuch einer Konferenz von Kreml-Kritiker Michail Chodorkowski in Berlin über Vergiftungssymptome klagten. Der Berliner Staatsschutz ermittelt in den Fällen.
Mehr Schutz für Medienvertreter
"Dass der Kreml kritische Journalistinnen und Journalisten auch im Ausland unter Druck zu setzen versucht, ist schlimm genug", erklärte der DJV-Bundesvorsitzende Frank Überall. Sollte sich herausstellen, dass Russlands Präsident Wladimir Putin "sogar vor Mordversuchen nicht zurückschreckt, ist eine klare Antwort des Auswärtigen Amtes unverzichtbar". Darüber hinaus seien die Sicherheitsbehörden aufgefordert, den Schutz von in Deutschland lebenden exilrussischen Berichterstattern zu verbessern, forderte Überall.
Die Journalistinnen hatten im April an einer Konferenz des russischen Regierungskritikers Chodorkowski teilgenommen. Wegen möglicher Vergiftungserscheinungen der Frauen hatte das Landeskriminalamt Ermittlungen aufgenommen. Der Sachverhalt werde vom polizeilichen Staatsschutz bearbeitet, sagte ein Polizeisprecher am Sonntag, gab aber mit Verweis auf die laufenden Ermittlungen keine weiteren Einzelheiten bekannt.
"Seltsame Symptome"
Zuerst hatte die "Welt am Sonntag" darüber berichtet. Die Zeitung bezog sich auf einen Bericht des russischen Portals Agentstvo, demzufolge zwei Konferenzteilnehmerinnen über gesundheitliche Probleme klagten. Eine von ihnen, die Leiterin einer gemeinnützigen Organisation mit Sitz in den USA, habe im sozialen Netzwerk Facebook berichtet, sie habe "seltsame Symptome" und einen "akuten Schmerz" gespürt, geblieben sei ein Taubheitsgefühl.
Sie habe die Vermutung geäußert, möglicherweise mit einem Nervenkampfstoff vergiftet worden zu sein. Bei der zweiten Betroffenen könnten die Symptome dem russischen Medienbericht zufolge schon vor der Konferenz im April aufgetreten sein, schrieb die "Welt am Sonntag". Sie habe sich in Berlin in die Charité begeben.
Giftanschläge sind keine Einzelfälle
In den vergangenen Jahren kam es zu mehreren Giftanschlägen auf russische Regimegegner im In- und Ausland. Schlagzeilen machte vor allem der Fall des russischen Oppositionspolitikers Alexej Nawalny: Er war im August 2020 auf einem innerrussischen Flug zusammengebrochen. Zunächst wurde er in Russland behandelt, dann in die Berliner Charite verlegt. Dort wurde eine Vergiftung mit einem Nervengift festgestellt.
Die Regierung in Moskau hat Vorwürfe zurückgewiesen, russische Behörden hätten versucht, Nawalny zu töten. Nawalny wurde im Januar 2021 bei der Rückkehr aus Deutschland in seine Heimat festgenommen und wegen Verstoßes gegen Bewährungsauflagen und Betrug verurteilt. Er ist seitdem im Gefängnis.
haz/uh (afp, rtr, dpa)