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Experten empfehlen Einmalzahlung und Gaspreisbremse

10. Oktober 2022

Mehr als 35 Stunden tagte die Kommission für Gas und Wärme am Wochenende. Zum Sonnenaufgang am Montagmorgen war man über einen Vorschlag einig, der Bürger und Wirtschaft entlasten soll - wenn die Politik ihn umsetzt.

Deutschland Energie l Pk, Zwischenbericht der Kommission Erdgas und Wärme
Bergbau, Chemie und Energie-Gewerkschaftschef Vassiliadis (li), die Wirtschaftsweise Grimm und BDI-Chef Russwurm Bild: Britta Pedersen/dpa/picture-alliance

Gas- und Fernwärmekunden sollen nach den Vorstellungen einer Expertenkommission im Dezember mit einer Einmalzahlung entlastet werden. Sie solle als Brücke bis zum Start der regulären Gaspreisbremse im März dienen, schlug das von der Bundesregierung eingesetzte Gremium am Montag vor. Für große Industriebetriebe soll ab Januar eine eigene Gaspreisbremse  greifen. Darüber hinaus schlagen die Fachleute einen Härtefallfonds für Mieter und Wohnungseigentümer sowie zusätzliche Hilfen für besonders betroffene Unternehmen vor.

Regierungssprecher Steffen Hebestreit kündigte an, dass Kanzleramt sowie Wirtschafts- und Finanzministerium nun "sehr zügig" an der Umsetzung arbeiten. "Unser Ziel ist klar: Die hohen Gaspreise zu senken und zugleich eine sichere Versorgung mit Gas zu gewährleisten." Dazu gehöre ein sorgsamer Umgang mit dem knappen Gas.

Auch der Chef der Gewerkschaft IG BCE, Michael Vassiliadis, einer der drei Vorsitzenden der Kommission, mahnte: "Die Versorgungslage bleibt trotz der gefüllten Speicher angespannt." Die Co-Vorsitzende und Ökonomin Veronika Grimm sagte: "Wir müssen in Deutschland ungefähr 20 Prozent sparen, um eine angespannte Versorgungslage und eine Gasmangellage im Winter zu vermeiden."

Bund übernimmt Dezemberabschlag für Gas

Die Einmalzahlung soll auf Basis des Verbrauchs ermittelt werden, der der Abschlagszahlung im September zugrunde lag, schlagen die Fachleute von Verbänden, Gewerkschaften, Wissenschaft und Bundestag vor. Die Versorger sollen auf die Abschlagszahlung für Dezember für praktisch alle Haushalts- und Gewerbekunden verzichten und diese vom Staat erstattet bekommen. Die Abschläge für Industrie und Kraftwerke zur Stromerzeugung übernimmt der Staat nicht. Zwischen März 2023 und mindestens April 2024 soll dann eine Gas- und Wärmepreisbremse greifen. Diese sieht für eine Grundmenge an Gas einen staatlich garantierten Bruttopreis inklusive aller staatlich veranlassten Preisbestandteile von 12 Cent pro Kilowattstunde vor.

"Das heißt, man bekommt quasi jeden Monat einen staatlichen Zuschuss auf die Abschlagszahlung", erklärte die Wirtschaftsweise Grimm. Oberhalb dieser Menge sollen Marktpreise gelten. Das Grundkontingent soll bei 80 Prozent des Verbrauchs liegen. Fernwärmekunden sollen einen garantierten Preis von 9,5 Cent je Kilowattstunde Fernwärme bekommen, wiederum für ein Grundkontingent von 80 Prozent des Verbrauchs.

Ihre bisherigen Ergebnisse präsentierte die Expertenkommission im heutigen ZwischenberichtBild: Kay Nietfeld/dpa/picture-alliance

Angepasste Regelung für industrielle Gaskunden

Für bis zu 25.000 große industrielle Gasverbraucher soll ein Verbrauch von 70 Prozent des Jahres 2021 mit Staatsgeld subventioniert werden. Für dieses Kontingent soll ein Beschaffungspreis von 7 Cent pro Kilowattstunde gelten. Darüber sind Marktpreise fällig. "Dadurch wird ein starker Sparanreiz gesetzt", schrieben die Experten in ihrem Papier. Diese Regelung soll vom 1. Januar 2023 bis zum 30. April 2024 gelten. Nicht profitieren sollen davon Gaskraftwerke, größere Wohneinheiten und möglicherweise noch weitere Verbraucher.

"Ist es ist perfekt?", fragte der Co-Vorsitzende der Kommission, Industriepräsident Siegfried Russwurm. "Sicher nicht. Aber gibt es Orientierungen, die weiterhelfen? Davon sind wir überzeugt."

Vassiliadis sagte, das Gesamtpaket zur Gaspreisbremse werde rund 90 Milliarden Euro kosten. Ungefähr 5 Milliarden Euro sind demnach für den Abschlag im Dezember veranschlagt. Die Bremse ab 2023 soll etwa 60 Milliarden für die Industrie und 25 Milliarden Euro für die Entlastung privater Haushalte kosten.

Kritik von Verbraucherschützern und Kommunen

Der Bundesverband der Verbraucherzentralen reagierte enttäuscht. Die Regierung habe die Kommission viel zu spät eingesetzt, beklagte Verbandschefin Ramona Pop. Herausgekommen sei eine "Minimallösung".

"Der geplante, grundsätzlich richtige Einmalbetrag hilft schnell und unbürokratisch, ist jedoch abermals das Prinzip Gießkanne. Das Geld sollte besser gestaffelt nach dem Einkommen ausgezahlt werden."

Der Deutsche Städte- und Gemeindebund beklagte, dass die Kommunen nicht berücksichtigt worden seien. "Die Kommunen fordern die Bundesregierung auf, die Gaspreis- und Fernwärmepreisbremse auch auf kommunale Gebäude und kommunale Einrichtungen auszudehnen", sagte Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg der "Rheinischen Post".

Bild: Thomas Imo/photothek/IMAGO

Ampel-Parteien versprechen schnelle Umsetzung

"Wir werden uns die Vorschläge angucken und dann "sehr rasch und sehr weitgehend umsetzen", sagte Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP). Auf rasche "konkrete Schritte" drängte ebenfalls Grünen-Chefin Ricarda Lang im Bayerischen Rundfunk. Von "klugen Vorschlägen" sprach in RTL und ntv SPD-Chef Lars Klingbeil.

CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt nannte in der "Bild" die Entlastungsvorschläge "nicht ausreichend". Für die Linksfraktion kritisierte Christian Leye, dass eine Gaspreisbremse erst jetzt angegangen wird und zudem "wohlhabende Haushalte mit einem deutlich höheren Verbrauch" subventioniert würden.

Wirtschaftsverbände äußerten sich unterschiedlich. Von einer Chance auf "schnelle, wirksame und umsetzbare Entlastungen" sprach der Energie-Branchenverband BDEW. Der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) monierte eine "Entlastungslücke" für kleinere, aber energieintensive Betriebe. Eine Ausweitung auch auf kommunale Einrichtungen forderte der Deutsche Städte- und Gemeindebund in der "Rheinischen Post".

Nächster Punkt auf der To-Do-Liste von Politik und Experten: Wie können die Strompreise sinken? Bild: Andreas Franke/dpa/picture alliance

Die DGB-Vorsitzende Yasmin Fahimi begrüßte die Kommissionsvorschläge als "das richtige Signal". Auf Nachbesserungen zugunsten einer "sozial gerechten Ausgestaltung der Entlastung" drängte der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbands, Ulrich Schneider. Verdi-Chef und Kommissionsmitglied Frank Werneke kritisierte in einem Sondervotum, der Vorschlag sei "nicht ausreichend sozial ausbalanciert".

WWF, BUND und Germanwatch drängten auf größere Anstrengungen zur Verringerung der Abhängigkeit von fossilen Energieträgern. Gefordert wurden von Umweltverbänden auch Möglichkeiten für staatliche Direktzahlungen an Bürgerinnen und Bürger. Mehr Sparanreize verlangte der Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK), Ottmar Edenhofer.

Die Kommission tagt noch bis Ende Oktober weiter und will bis dahin unter anderem Vorschläge für Anreize zum Gassparen und zum Ersatz von Gas in der Stromerzeugung ausarbeiten.

tko/ ul (dpa, afp)

 

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