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"TTIP ist noch nicht tot"

Michael Knigge / dch31. August 2016

Im DW-Interview erklärt Wirtschaftsexpertin Caroline Freund, warum die TTIP-Verhandlungen zwischen den USA und der EU in einer schwierigen Phase stecken, Sigmar Gabriel mit seinen Aussagen aber trotzdem nicht Recht hat.

Symbolbild Protest gegen TTIP
Bild: Reuters/E. Vidal

DW: Der deutsche Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel hat das Freihandelsabkommen TTIP zwischen den USA und der EU praktisch für gescheitert erklärt. Die Schuld schiebt er den Amerikanern zu. Damit sorgt der Vizekanzler für einiges Aufsehen. Wie reagiert man in Washington auf die Anschuldigungen?

Freund: Es gibt aus meiner Sicht zwei Gründe für das Stocken der TTIP-Verhandlungen. Auf der europäischen Seite sorgt der Brexit dafür, dass nichts mehr vorangeht. Die Rolle, die Großbritannien in Europa spielt, ist einfach zu groß. Auf der amerikanischen Seite spielt die Debatte um TTP (Transpazifische Partnerschaft) eine große Rolle. Dazu muss man wissen: TTIP wird es ohne TTP nicht geben. Nach den jüngsten Aussagen aus den USA ist ziemlich eindeutig, dass die TTP-Verhandlungen derzeit auf Eis liegen. Um auf Sigmar Gabriel zu sprechen zu kommen: Ich glaube ehrlich gesagt nicht, dass man diese Kommentare allzu ernst nehmen sollte. Es gibt gewichtigere Gründe, warum die Verhandlungen gerade stocken.

Sigmar Gabriel behauptet, dass nach 14 Verhandlungsrunden immer noch kein einziges der 27 Kapitel abgeschlossen sei.

Ich glaube, das ist ein bisschen übertrieben. Weder vom US-Handelsminister Mike Froman noch von Bundeskanzlerin Angela Merkel hören wir solche Töne. Was wir hören ist, dass es Fortschritte gibt. Also nochmal: Aus meiner Sicht übertreibt Gabriel hier.

Sigmar Gabriel geht in seiner Kritik noch weiter. Es sagt, es sei eine Illusion zu glauben, dass der Deal bis zum Ende des Jahres ausgehandelt sein könnte - wie ursprünglich vorgesehen.

Ich denke nicht, dass irgendjemand ernsthaft geglaubt hat, dass es so schnell gehen würde. Ich habe vor einem Jahr nicht damit gerechnet und ich rechne mit Sicherheit auch jetzt nicht mit dem Abschluss der Verhandlungen. Dieser Deal wird nicht am Ende dieses Jahres unterzeichnet sein. Das bedeutet aber nicht, dass er niemals unterzeichnet werden wird. Sie müssen sich vorstellen: Das Ganze ist ein Riesenprojekt. Dieser Deal ist größer als alles, was wir in der Vergangenheit jemals ausgehandelt haben. Es wird sehr lange dauern, alles bis ins kleinste Detail auszuhandeln. Das bedeutet aber alles noch lange nicht, dass der Deal tot ist. Das, was gerade passiert, ist für mich eher wie ein Drücken des Pausenknopfes.

Caroline Freund ist Wirtschaftsexpertin in den USABild: Peterson Institute for International Economics

Trotzdem ist Sigmar Gabriel mit seiner Kritik nicht alleine. Der französische Präsident Francois Hollande hat gesagt, dass die Verhandlungen ins Stocken geraten seien. Der französische Verhandlungsführer ließ verlautbaren, die Franzosen würden die Europäische Kommission im September darum bitten, die Verhandlungen zu stoppen. Solche Signale kann man doch nicht einfach wegwischen.

Ich glaube einfach nicht, dass man den Verhandlungen dadurch die Grundlage entzieht. Es gibt immer Phasen, in denen es schwierig wird. Wenn man den besten Deal haben will, dann muss man eben auch mal einen Schritt zurück gehen. In jeder Spieltheorie gibt es diese Drohkulisse. Genau an dem Punkt sind wir jetzt. Ich würde nicht Haus und Hof darauf verwetten, dass TTIP kommt. Aber ich glaube auch, dass diese Kommentare nicht bedeuten, dass dieser Deal nicht zustande kommt. Momentan ist viel Psychologie dabei, um das bestmögliche Ergebnis für sich rauszuholen. Es geht auch darum, dem anderen zu signalisieren: So und nicht weiter. Da spielen einfach Verhandlungstaktiken eine große Rolle. Hinzu kommt, dass das politische Klima in den USA und Europa derzeit so angespannt ist. Viele Politiker springen auf diesen Zug auf und heizen die Stimmung weiter an. Sobald es in den USA eine neue Administration gibt, wird sich das Klima hoffentlich wieder abkühlen und wir können für beide Seiten ein richtig gutes Ergebnis herausholen.

Caroline Freund arbeitet für das "Peterson Institute for International Economics" in Washington.

Das Interview führte Michael Knigge.

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