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Explosive Fracht: Was macht Ammoniumnitrat so gefährlich?

25. September 2024

Der beschädigte Frachter "Ruby" findet keinen Hafen zum Anlegen. Grund dafür ist das geladene Ammoniumnitrat. Das kristalline Salz wird als Dünger in der Landwirtschaft eingesetzt. Und es kann hochexplosiv sein.

Ein afghanischer Verkäufer zeigt das Düngemittel in seinem Geschäft in der afghanischen Hauptstadt Kabul
Das kristalline Salz wird als Stickstoffdünger in der Landwirtschaft eingesetztBild: Imago Images/Z. Tamanna

Norwegen, Schweden und Litauen haben der "Ruby" die Einfahrt verweigert. Auch Malta hat den am Rumpf beschädigten Frachter abgewiesen. Grund dafür sind die 20.000 Tonnen Ammoniumnitrat, die das Schiff geladen hat. Ammoniumnitrat ist nicht nur ein Hauptbestandteil von Düngemitteln, sondern besitzt auch enorme Sprengkraft.

Im August 2020 explodierten große Mengen der Chemikalie im Hafen der libanesischen Hauptstadt Beirut. Mehr als 200 Menschen kamen dabei ums Leben. 

Was ist Ammoniumnitrat?

Ammoniumnitrat ist ein weißes, kristallines Salz, das sich ziemlich preisgünstig aus Ammoniak und Salpetersäure herstellen lässt. Es ist sehr leicht in Wasser löslich und wird meistens als Stickstoffdünger in der Landwirtschaft eingesetzt, denn für das Wachstum benötigen Pflanzen ausreichend Stickstoff.

Völlige Zerstörung im Hafen von Beirut nach den beiden verheerenden ExplosionenBild: Getty Images/AFP/STR

Unvermischt ist Ammoniumnitrat ungefährlich, allerdings ist der kristalline Stoff wärmeempfindlich, bei 32,2 Grad Celsius wechselt Ammoniumnitrat seine polymorphen Phasen. Das bedeutet: Die Anordnung der Atome ändert sich und damit verändern sich auch die Materialeigenschaften. 

Bei 170 Grad Celsius beginnt die Zersetzung, bei der Lachgas  entsteht. Durch eine starke Initialzündung zerfällt Ammoniumnitrat direkt zu Wasser, Stickstoff und Sauerstoff, was die gewaltige Sprengkraft des Salzes erklärt. 

Möglicherweise ging der Explosion des Ammoniumnitrat-Lagers ein Feuer in einem angrenzenden Bereich des Hafens voraus, in dem entweder Feuerwerkskörper oder Munition gelagert wurden. 

Verwendung nur unter Sicherheitsauflagen

Ammoniumnitrat darf in vielen Ländern nur unter strengen Sicherheitsauflagen verwendet werden. Denn die Gefährlichkeit des Materials ist lange bekannt.

Vor fast 100 Jahren, 1921, explodierten im Oppauer Ammoniakwerk der BASF in Ludwigshafen 400 Tonnen Ammoniumsulfatnitrat-Dünger. Bei zwei kurz aufeinander folgenden Explosionen wurden 559 Menschen getötet, 1977 verletzt und die Fabrik größtenteils zerstört. Die Explosion war noch im 300 Kilometer entfernten München zu hören. Auch die Druckwelle aus Beirut sei laut Medienberichten noch im 200 km entfernten Zypern zu spüren gewesen.

Was genau 2015 im chinesischen Tianjin die verheerende Explosion auslöste, bleibt ein GeheimnisBild: Reuters/Stringer

In der chinesischen Hafenstadt Tianjin kam es 2015 ebenfalls zu einer verheerenden Explosion: Dort sollen sich 800 Tonnen Ammoniumnitrat neben zahlreichen anderen Substanzen in einem Gefahrgutlager befunden haben. Bei der gewaltigen Explosionen wurden 173 Menschen getötet und ein ganzer Stadtteil zerstört.

2013 waren bei einer Ammoniumnitrat-Explosion bei West Fertilizer in Texas 14 Menschen gestorben. 2001 starben im französischen Toulouse 31 Menschen infolge einer Ammoniumnitrat-Explosion.

Begehrter Sprengstoff für Terroristen

In Deutschland etwa fällt die Verwendung des Stoffes unter das Sprengstoffgesetz. Denn verschiedene Terroristen verwendeten das hochexplosive, günstige und vergleichsweise leicht zu beschaffende Material in der Vergangenheit für Anschläge. 

Zum Beispiel nutze der Verschwörungstheoretiker und Waffennarr Timothy McVeigh ein Gemisch, das Ammoniumnitrat enthielt, für einen Terroranschlag auf ein Verwaltungsgebäude der US-Bundesregierung in Oklahoma City im Jahr 1995.  Auch der Rechtsterrorist Anders Behring Breivik verwendete die chemische Verbindung für einen Anschlag mit einer Autobombe in Oslo im Jahr 2011. 

Dieser Artikel wurde ursprünglich am 05.08.2020 veröffentlicht und am 24.09.2024 aktualisiert.

Alexander Freund Wissenschaftsredakteur mit Fokus auf Archäologie, Geschichte und Gesundheit@AlexxxFreund
Julia Vergin Teamleiterin in der Wissenschaftsredaktion mit besonderem Interesse für Psychologie und Gesundheit.
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