Explosive Vergangenheit
21. März 2003Die Daten für die beiden kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen russischen Sicherheitskräften und tschetschenischen Kämpfern sind schnell zu benennen: Als erster russisch-tschetschenischer Krieg wird der militärische Konflikt von 1994 bis 1996 verstanden. Der so genannte zweite russisch-tschetschenische Krieg begann im Sommer 1999. Die Ursachen dafür reichen jedoch weit zurück.
Wechselvolle Geschichte
Russen und Tschetschenen vereint eine Geschichte seit dem 18. Jahrhundert, als die von tschetschenischen Stämmen bewohnte Region im Nordkaukasus dem russischen Imperium einverleibt wurde. Seit dieser Zeit wechseln Perioden heftiger kriegerischer Auseinandersetzungen mit Phasen, die durch einen gewissen Ausgleich zwischen Russen und Tschetschenen gekennzeichnet sind. Heutzutage dominiert aber sowohl in großen Teilen der russischen Gesellschaft als auch in der tschetschenischen die Vorstellung einer historischen Erbfeindschaft. Beigetragen hat dazu vor allem die Deportation der gesamten tschetschenischen Bevölkerung durch Stalin 1944 nach Zentralasien. Tausende Tschetschenen starben infolge der Deportation. Und erst 1957 durften die Überlebenden in ihre Heimat zurückkehren.
In der chaotischen Endphase der Sowjetunion wurde der ehemalige Sowjetgeneral Dschochar Dudajew zum Präsidenten der tschetschenischen Republik gewählt. Im November 1991 erklärte er Tschetschenien zu einem unabhängigen Staat. Damit verlor die Moskauer Zentralgewalt ihre Kontrolle über die Kaukasusrepublik. Denn in Moskau stritten zu dieser Zeit der russische Präsident Boris Jelzin und der sowjetische Präsident Michail Gorbatschow um die Macht.
Paradies für Kriminelle
In der Folgezeit entwickelte sich unter Dudajew Tschetschenien zu einem gesetzlosen Raum. Wie im gesamten Russland kam es zu einem wirtschaftlichen und sozialen Niedergang. Viele Menschen wurden arbeitslos und verarmten. Ein idealer Nährboden für kriminelle Banden die durch Korruption, illegale Ölgeschäfte und Waffenschmuggel reich wurden.
Der erste Tschetschenien-Krieg
Tschetschenien geriet erst 1994 wieder in das Blickfeld der Moskauer Zentralgewalt. Die russische Führung um Präsident Jelzin beabsichtigte die Kontrolle über die Republik wieder herzustellen - erst durch die Unterstützung anderer tschetschenischer Politiker mit Waffen und Soldaten, dann Ende November 1994 mit einer Invasion durch die russische Armee. Es folgte der erste russisch-tschetschenische Krieg. Er war geprägt durch hohe Verluste auf beiden Seiten, dem brutalen Vorgehen der russischen Truppen gegen die Zivilbevölkerung und spektakuläre Geiselnahmen durch tschetschenische Kämpfer.
Nach einem wechselvollen Verlauf endete der Krieg mit einer russischen Niederlage: Moskau erklärte 1996 den weitgehenden Rückzug seiner Truppen. Zwar blieb Tschetschenien völkerrechtlich Teil der Russischen Föderation, faktisch wurde es aber unter dem neuen Präsidenten Aslan Maschadow unabhängig. Ihm gelang es jedoch nicht, zivile Strukturen aufzubauen. Stattdessen wurde Tschetschenien erneut zu einem Zentrum für Kriminalität, Schwarzmarkt und erpresserische Geiselnahmen. Auch sich islamistisch nennende Gruppen trieben dort ihr Unwesen.
Der zweite russisch-tschetschenische Krieg
Die Situation im Nordkaukasus eskalierte im Sommer 1999 erneut: Tschetschenische Rebellen drangen in die Nachbarrepublik Dagestan ein. Und in zwei südrussischen Städten sowie in Moskau wurden Wohnhäuser in die Luft gesprengt - angeblich durch tschetschenische Terroristen. Die russische Regierung unter dem damals neuen Ministerpräsidenten Putin entschied sich für eine so genannte anti-terroristische Operation: Mit einem erneuten Einmarsch russischer Sicherheitskräfte in Tschetschenien begann im Herbst 1999 der zweite russisch-tschetschenische Krieg. Die russischen Truppen konnten zwar weite Teile der Republik erobern - bis auf die südliche Bergregion. Die Medienberichten zufolge kommt es aber immer wieder zu sporadischen Gefechten zwischen tschetschenischen Kämpfern und russischen Soldaten sowie zu Übergriffen auf die Zivilbevölkerung. Auch sind russische Sicherheitskräfte nach wie vor in Tschetschenien deutlich präsent.