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Extremwetter in Indien "deutliches Beispiel für Klimawandel"

Murali Krishnan
16. Juli 2023

Sintflutartiger Regen mit Überschwemmungen und Erdrutschen: Das bevölkerungsreichste Land der Erde steht vor der Herausforderung, die Klimakrise in Griff zu bekommen. "Das Zeitfenster schließt sich", warnt eine Expertin.

Unwetter über der Stadt Gurugram, Bundesstaat Haryana
Unter schwarzem Himmel: Unwetter über der Stadt Gurugram, Bundesstaat HaryanaBild: Parveen Kumar/Hindustan Times/IMAGO

Über Tage schüttete es aus dem Himmel, am Ende hinterließen die intensiven Monsunregenfälle im Norden Indiens eine Spur von Tod und Zerstörung. Zahlreiche Gebiete waren nicht mehr zugänglich. 

Am stärksten betroffen war der Bundesstaat Himachal Pradesh. Fernsehbilder zeigen Erdrutsche und Sturzfluten. Diese spülten Fahrzeuge weg, zerstörten Gebäude und rissen Brücken ein. Angaben des indischen Wetterdienstes zufolge brachten die sintflutartigen Regenfälle in der ersten Juliwoche landesweit rund zwei Prozent mehr Niederschlag als üblich.

"Normalerweise gehört die Region zu den trockensten des Landes, aber dieses Jahr hat sie unverhältnismäßig viel Regen abbekommen", so ein Mitarbeiter des Wetterdienstes gegenüber der DW. Wissenschaftlern zufolge sind die Niederschläge schwer vorherzusagen. Durch den Klimawandel werde der Monsun stärker und unregelmäßiger. Dadurch nähmen Häufigkeit und Heftigkeit der Überschwemmungen zu.

Dürren und Überschwemmungen - beide Extreme machen es schwierig, an sauberes Trinkwasser zu gelangenBild: Biju Boro/AFP

"Die jüngsten Überschwemmungen sind ein weiteres Beispiel dafür, dass Extremwetter in hügeligen Regionen verheerender sein können als im Flachland", sagt Akshay Deoras vom Institut für Meteorologie der Universität Reading (Großbritannien) im Gespräch mit der DW.

Extreme Wetterereignisse würden aufgrund der zunehmenden Treibhausgasemissionen und der damit verbundenen Erwärmung weiter zunehmen, so Deoras. "Das heißt nicht, dass es jedes Jahr zu extremen Ereignissen kommen muss. Aber wenn sie auftreten, dürften sie mit einiger Wahrscheinlichkeit stärker ausfallen als in früheren Zeiten."

2022: Jahr der extremen Wetterereignisse

Im Jahr 2022 hat das Center for Science and Environment in Delhi extreme Wetterereignisse in Indien verfolgt. Das Center registrierte dabei extreme Wetterereignisse an insgesamt 314 Tagen des Jahres.

Diese Ereignisse, so die Forscher, forderten über 3000 Menschenleben. Zudem wurden rund zwei Millionen Hektar Anbaufläche in Mitleidenschaft gezogen. Des weiteren starben über 69.000 Nutztiere, rund 420.000 Häuser wurden zerstört.

Im Boden absinkende Häuser: Auch das ist Teil der Klimakrise - wie hier im nordindischen Bundesstaat UttarakhandBild: Subrata Goswami/DW

Auch der Zwischenstaatliche Ausschuss für Klimaänderungen, ein wissenschaftliches Gremium, das von der Weltorganisation für Meteorologie und dem Umweltprogramm der Vereinten Nationen ins Leben gerufen wurde, zeichnet in seinem Bericht für das Jahr 2022 ein düsteres Szenario für Indien.

Das Land dürfte sich in den kommenden zwei Jahrzehnten zahlreichen durch den Klimawandel bedingten Katastrophen gegenübersehen, warnen die Forscher. Würden die Treibhausgasemissionen bis 2030 nicht drastisch reduziert, werde es unmöglich sein, eine Klimakatastrophe abzuwenden.

Hitzerekorde in Südasien

"Der Klimawandel beschleunigt sich in rasantem Tempo und löst ein Extremwetterereignis nach dem anderen aus. Das geht schneller, als wir bislang dachten", sagt Roxy Mathew Koll, Klimawissenschaftlerin am Indian Institute of Tropical Meteorology in Pune, im DW-Interview.

"Südasien ist ein deutliches Beispiel für die Folgen des Klimawandels", so Koll. "In der gesamten Region - und keineswegs nur in Indien - ist ein klarer Trend zu zunehmenden Hitzewellen, Überschwemmungen, Erdrutschen, Dürren und Wirbelstürmen zu beobachten. Das hat jetzt bereits Auswirkungen auf die Nahrungsmittel-, Wasser- und Energiesicherheit der Region".

Flucht ins kühle Nass: Ein Junge sucht Abkühlung in einem Kanal bei Delhi, Juni 2023Bild: Hindustan Times/IMAGO

Die heftigen Regenfälle folgten auf eine Hitzewelle, die die Temperaturen in weiten Teilen Indiens auf bis zu 45 Grad Celsius ansteigen ließ.

Zwar sind die Hauptsommermonate - von April bis Juni - in Indien normalerweise immer heiß. Doch sind die Temperaturen in den vergangenen zehn Jahren noch einmal gestiegen.

Rund 80 Prozent der Bevölkerung leben in Regionen, die besonders anfällig für Katastrophen wie Hitzewellen oder schwere Überschwemmungen sind. Es drohen klimabedingte Fluchtbewegungen.

Der Klimawandel bedroht auch die Ernährungssicherheit des Landes.Bild: DW

Bisherige Maßnahmen unzureichend

Im Rahmen der indischen Klimaschutzbemühungen hat die Regierung von Premierminister Narendra Modi zwar zugesagt, die Treibhausgasemissionen des Landes bis 2070 auf Null zu reduzieren.

Vor dem Hintergrund der zunehmenden extremen Wetterereignisse muss sich die Regierung nach Ansicht von Experten jedoch auch auf Anpassungsmaßnahmen konzentrieren. "Es muss mehr für die Klimaanpassung getan werden, um wirtschaftliche Verluste und Ernährungsunsicherheit zu verhindern", sagt Sunita Narain, Direktorin des Zentrums für Wissenschaft und Umwelt, der DW.

"Wir müssen uns mit neuen Strategien für das Land- und Wassermanagement vertraut machen", so Narain. "Indien hat viel zu lernen - vom Verzicht auf den Bau von Siedlungen in überschwemmungsgefährdeten Gebieten bis hin zur Kanalisierung von Flusswasser. Das bringt mehr als Flüsse in Dämmen zu bändigen, die immer wieder brechen oder schlicht nicht funktionieren."

"Die strittige Frage ist, wie schnell wir in einer vom Klima abhängigen Welt lernen können", so Narain. "Die Antwort darauf wird unsere Zukunft bestimmen. Das Zeitfenster für die Bewältigung der Krise schließt sich."

Aus dem Englischen adaptiert von Kersten Knipp.

Wie Frauen Indiens Wälder schützen.

26:06

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