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KlimaGlobal

Extremwetter - ist Klimawandel immer die Ursache?

Stuart Braun
10. Oktober 2023

Menschengemachter Klimawandel oder natürliche Wetterschwankungen – was ist die Ursache für Dürren, Waldbrände oder Stürme? Das untersucht die Attributionsforschung, doch die Zusammenhänge sind kompliziert.

Straße von Darna mit Schlamm und aufgestapelten Autowracks
Verwüstung in Darna (Libyen) nach Hochwasserkatastrophe und Dammbruch im September 2023 Bild: Hamza Al Ahmar/AA/picture alliance

Extremwetter und Naturkatastrophen wie die Hitzewellen in vielen Ländern Südamerikas, verheerende Waldbrände in Kanada, und die schweren Überschwemmungen in Libyen sind seit vielen Monaten in den Schlagzeilen weltweit. Für solche Katastrophen wird meist der Klimawandel verantwortlich gemacht.

"Der Klimazusammenbruch hat begonnen", sagte UN-Generalsekretär Antonio Guterres, nachdem bekannt wurde, dass Juni bis August 2023 die heißesten Monate waren, die jemals auf der Nordhalbkugel gemessen wurden. Inzwischen gilt das auch für den September.

Aber ist der Klimawandel wirklich die Ursache für alles, oder sind auch natürliche Wetterschwankungen beteiligt?

Diese Frage erforscht der recht neuen Wissenschaftszweig der Attributionsforschung, also der Wetterzuordnung. Ziel ist es, zu beurteilen, inwieweit der von Menschen verursachte Klimawandel die Wahrscheinlichkeit und Intensität eines extremen Wetterereignisses erhöht.

Die Wälder brannten in Nordamerika zwischen dem US-Bundesstaat Washington und Osoyoos, British Columbia, KanadaBild: Jesse Winter/Reuters

"Kein Hurrikan wird zu 100 Prozent durch den Klimawandel verursacht, aber er wird auf viele verschiedene Arten vom Klimawandel beeinflusst", erklärt Delta Merner vom Wissenschaftszentrum für Klimarechtsstreitigkeiten bei der gemeinnützigen US-amerikanischen Union of Concerned Scientists gegenüber der DW. "Die Attributionsforschung kann uns helfen, die Rolle des Klimawandels bei diesen verschiedenen Ereignissen zu ermitteln."

Hitzewelle in Südamerika hundertmal wahrscheinlicher durch Klimawandel

Im August und September litten weite Teile von Südamerika unter einer 50 tägigen Hitzewelle. In Brasilien, Bolivien, Argentinien und Paraguay überschritten die Temperaturen 40 Grad Celsius. In vielen Ländern wüteten Feuer.

Eine Studie der World Weather Attribution (WWA), einer britischen Forschungseinrichtung, kam zu dem Ergebnis, dass diese Hitzewelle durch den Klimawandel 100 mal wahrscheinlicher geworden ist, und für einen Temperaturanstieg zwischen 1,4 und 4,3 Grad Celsius verantwortlich war.

Dabei ist der Klimawandel in diesem Fall ein noch größerer Faktor als El Nino, ein wiederkehrendes natürliches Phänomen, das mit höheren Temperaturen in Südamerika und anderen Teilen der Welt in Zusammenhang steht.

"Extreme Rekordhitze ist eines der klarsten Zeichen des durch Menschen verursachten Klimawandels“, erklärte Sjoukje Philip vom Königlich Niederländischen Meteorologischen Institut in einer Pressemittelung.   

Waldbrandgefahr in Kanada durch Klimawandel verdoppelt

Als sich im Sommer 2023 Waldbrände landesweit von der Ost- bis zur Westküste Kanadas ausbreiteten, verbrannte fast doppelt so viel Waldfläche wie im bisherigen Rekordjahr.

Eine weitere WWA Studie konzentrierte sich auf die Provinz Quebec und kam zu dem Schluss, dass der Klimawandel zu dem außergewöhnlich trockenen, feuergefährlichen Wetter beigetragen hatte, das 20 bis 50 Prozent intensiver war als im Durchschnitt. Dadurch hatte sich die Feuerwahrscheinlichkeit im Osten Kanadas mehr als verdoppelt.

Die Stadt Faenza in Norditalien steht im Mai nach andauernden Regenfällen unter Wasser Bild: Michele Nucci/AP/picture alliance

Das heißere und trockenere Wetter führte beispielsweise dazu, dass der Schnee im Frühjahr schneller schmolz, darum begann die Feuersaison früher und dauerte länger.  Laut WWA haben Fortschritte in der Klimamodellierung und ein besserer Zugang zu Wetterdaten die Zuverlässigkeit und Präzision solcher Studien verbessert.

Überschwemmungen in Italien: Das Klima ist nicht verantwortlich

Extreme Wetterereignisse können jedoch nicht immer direkt auf die Klimakrise zurückgeführt werden. Im Mai 2023 lösten in der norditalienischen Region Emilia-Romagna drei Regenstürme großflächige Erdrutsche und Überschwemmungen aus, die als die schlimmsten seit einem Jahrhundert galten.

Doch obwohl das Hochwasser in Italien mit der weltweiten Zunahme klimabedingter Extremwetterereignisse einherging, kamen die Forscher zu dem Schluss, dass es sich hierbei um ein Einzelereignis handelte.

Nach der Analyse von Niederschlagsaufzeichnungen aus der Emilia Romagna aus dem Jahr 1960 stellten Wissenschaftler fest, dass die Frühlingsniederschläge mit dem Klimawandel in der Region weder stärker noch schwächer wurden.

Mehr Verbrennung von Kohle, Öl und Gas = mehr CO2 = höhere Temperaturen

Die Forscher fanden heraus, dass diese besondere 21 tägige Niederschlagsperiode mit oder ohne Klimawandel hätte auftreten können. Die Wahrscheinlichkeit liege bei so einem Extremwetter bei einem in 200 Jahren.

Die Überschwemmungen wurden durch sehr ungewöhnliche Wetterbedingungen verursacht, "die durch eine beispiellose Abfolge von drei Tiefdruckgebieten im zentralen Mittelmeer verursacht wurden", sagt Davide Faranda vom Institut Pierre-Simon Laplace und Autor der Studie.

Mehr Regen durch Klimawandel in Libyen und Griechenland

Der Sturm "Daniel" verursachte Anfang September in Libyen Überschwemmungen mit zwei Dammbrüchen. Tausende Menschen starben durch die Wassermassen.

Die WWA-Studie ergab, dass sich die Wahrscheinlichkeit solcher sintflutartigen Regenfälle durch die Erderwärmung um das Fünfzigfache erhöht hatte. In Zentralgriechenland stieg die Wahrscheinlichkeit der Überschwemmungen aufgrund desselben Sturms um das Zehnfache.

Nach einem Sommer mit Rekordhitzewellen und Waldbränden mit "sehr klaren Fingerabdrücken des Klimawandels" erwies es sich jedoch als schwieriger zu ermitteln, wie hoch genau der Beitrag der globalen Erwärmung zu diesen Überschwemmungen war, so Friederike Otto, Klimatologin am Imperial College London und WWA-Mitbegründerin.

Um herauszufinden, ob der Temperaturanstieg zu stärkerem Regen in der Region geführt hat, verglichen Wissenschaftler Wetterdaten von vor dem Jahr 1880er mit dem derzeitigen Klima, das sich seitdem um 1,2 Grad Celsius erwärmt hat.

Der Bericht räumte ein, dass "große mathematische Unsicherheiten" in die Analyse eingebaut seien, da die Wettermuster relativ kleine Gebiete abdeckten und "die meisten Klimamodelle Niederschläge in diesen kleinen Maßstäben nicht gut darstellen".

Allerdings wies die WWU darauf hin, dass "Studien bei steigenden Temperaturen stärkere Regenfälle in der Region prognostizieren" und dass Daten lokaler Wetterstationen in Griechenland beispielsweise einen Trend zu stärkeren Regenfällen zeigten.

Eine wärmere Atmosphäre kann mehr Feuchtigkeit speichern, sodass wir allein bei einer Erwärmung um 1,2 Grad Celsius "eine Zunahme der Niederschlagsintensität um zehn Prozent erwarten würden", sagt Otto.

Hitzerekorde im Jahr 2023 "praktisch unmöglich ohne Klimaerwärmung"

Klarer als bei Regenfällen ist der Einfluss globaler Erwärmung auf extreme Hitze.

Eine WWA-Studie zeigt beispielsweise, dass die extreme Hitze im Juli in den USA, Mexiko und Südeuropa "praktisch unmöglich gewesen wäre, wenn der Mensch den Planeten nicht durch die Verbrennung fossiler Brennstoffe erwärmt hätte".

Mehr als 6,5 Milliarden Menschen waren im Juli 2023 einem oder mehreren Hitzetagen ausgesetzt, was durch den Klimawandel mindestens dreimal wahrscheinlicher wurde, lautet die Analyse von Climate Central, einer in den USA ansässigen Denkfabrik. Das sind rund 80 Prozent der Weltbevölkerung.

Die Forscher untersuchten 4700 Städte und 200 Länder. Die Studie ergab, dass die Bewohner von 15 Großstädten mit mehr als sechs Millionen Einwohnern hohen monatlichen Durchschnittstemperaturen ausgesetzt waren, die durch die globale Erwärmung wahrscheinlicher geworden sind. Dazu gehören Mexiko-Stadt, Kairo, Kalkutta, Lagos, Hongkong, Miami und Khartum.

"Der vom Menschen verursachte Klimawandel beeinflusste die Temperaturen im Juli für die überwiegende Mehrheit der Menschheit", sagt Andrew Pershing von Climate Central. "Im Durchschnitt aller Menschen waren das elf Tage pro Person. Die Veränderung der lokalen Temperatur wurde durch die CO2-Belastung drei Mal wahrscheinlicher. Praktisch ist kein Ort auf der Erde dem Einfluss des Klimawandels entkommen."

Dieser Artikel wurde am 10.10.23 aktualisiert und aus dem Englischen adaptiert. Redaktion Jennifer Collins.

Die Welt in der Klimakrise – und was jetzt?

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Stuart Braun Australischer DW-Journalist und Buchautor.
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