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Zentralbank setzt auf Risiko

10. August 2011

Mit dem Ankauf von spanischen und italienischen Staatsanleihen sorgt die Europäische Zentralbank für niedrigere Renditen bei diesen Papieren. Warum greift die EZB in der Schuldenkrise zu diesem umstrittenen Mittel?

Symbolbild europäische Zentralbank. Sparschweine vor dem EZB-Hochhaus in Frankfurt am Main
Neuer "Sündenfall" bei der EZBBild: dpa

Wäre Axel Weber heute noch Bundesbankpräsident und damit auch im Führungsgremium der Europäischen Zentralbank in Frankfurt am Main vertreten, würde er wohl laut aufschreien. Denn Weber stemmte sich schon im Mai 2010 gegen den Ankauf von Staatsanleihen durch die Zentralbank. Seine vehemente Kritik an diesem - in seinen Augen - "Sündenfall" führte dazu, dass er sich mit der Führung der Bank überwarf und am Ende auf die Nachfolge von Jean-Claude Trichet, dem scheidenden Präsidenten der EZB, verzichtete. Was brachte Axel Weber so auf die Palme?

Bundesbank-Chef Weidmann hat BedenkenBild: picture alliance/dpa

Keine dauerhafte Lösung

Der Ankauf von Staatsanleihen gefährdet grundsätzlich die Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank, weil sie sich Druck aus der Politik beugt, die selbst keine adäquaten Mittel zur Verfügung hat. Außerdem kann die Bank in einen Interessenkonflikt geraten: Hält sie Staatsanleihen, kann sie versucht sein, den Schuldnern die Rückzahlung der Anleihen durch niedrige Zinsen und eine höhere Inflation zu erleichtern. Auf der anderen Seite soll die EZB aber die Inflation möglichst niedrig halten, um die Gemeinschaftswährung Euro insgesamt zu stabilisieren. "Es kann auf Dauer nicht die Aufgabe der EZB sein, Lückenbüßer für die Politik zu sein", mahnt zum Beispiel der CDU-Bundestagsabgeordnete Michael Meister.

Jens Weidmann, der Chef der Bundesbank, und Jürgen Stark, der Chefvolkswirt der Europäischen Zentralbank sollen nach Angaben von internen Kreisen der EZB gegen den Ankauf von Staatsanleihen votiert haben. Allerdings hält sich Weidmann, anders als sein Vorgänger Weber, mit öffentlicher Kritik zurück.

Trichet will beruhigen

Die EZB hat bereits Anleihen aus Griechenland, Portugal und Irland für rund 80 Milliarden Euro erworben. Was diese Titel am Ende tatsächlich Wert sein werden und welche Verluste die EZB mit Ihnen machen könnte, ist unklar. Das gleiche gilt auch für die italienischen und spanischen Staatsschulden, die die EZB jetzt indirekt aufkauft. Jean Claude Trichet, der scheidende Präsident der EZB, sagte am Dienstag in einem Hörfunkinterview in seiner Heimat Frankreich, die Zentralbank kaufe Staatsanleihen, allerdings nur am Sekundärmarkt. Das bedeutet, die EZB kauft von anderen Gläubigern, zum Beispiel Banken oder Versicherungen die Staatsanleihen aus Italien oder Spanien. Sie nimmt diesen Gläubigern die Risiken ab. Auf dem Primärmarkt darf die EZB nicht tätig werden, sie darf nicht direkt vom italienischen Staat oder vom spanischen Staat Anleihen kaufen. Damit würde sie ihre Unabhängigkeit unterhöhlen und direkt Schulden der Staaten übernehmen, was nach den Statuten der EZB und dem Lissabonner EU-Vertrag ausgeschlossen ist.

EZB-Präsident Trichet will die Märkte beruhigenBild: AP

Jean-Claude Trichet weiß sehr wohl, dass der Ankauf von Staatsanleihen auf dem Sekundärmarkt innerhalb seiner EZB sehr umstritten ist. Deshalb sagte er auch, die Euro-Staaten sollten "so schnell wie möglich" ihre Gipfelbeschlüsse vom 21. Juli in geltendes Recht umsetzen. Dann nämlich, voraussichtlich im Oktober 2011, kann der Europäische Stabilisierungsfonds (EFSF) in Luxemburg, also der "Rettungsschirm", selbst Staatsanleihen von Pleitekandidaten kaufen. Die EZB wäre von dieser unliebsamen und riskanten Aufgabe entlastet. Die Ramschpapiere würden dann bei der Firma in Luxemburg landen, die allen Eurostaaten gehört und die wiederum selbst mit ihren Garantien für die Geschäfte des EFSF haften.

Kurzfristig sinken die Zinsen für Staatsanleihen

Dass die Finanzmärkte das Ankaufprogramm der EZB begrüßen und mit niedrigeren Renditen für diese Staatsanleihen reagieren, ist nicht weiter verwunderlich, meinen Analysten. Zum einen zeigt die Bank, dass sie bereit ist, fast alles zu tun, um die Märkte zu beruhigen, zum anderen kauft sie ja privaten Gläubigern deren Staatsanleihen ab und befreit sie von möglicherweise riskanten Papieren. Auch deutsche Banken und Versicherungen versuchen so Staatsanleihen loszuwerden. Die größten privaten Gläubiger Italiens sind übrigens italienische Banken und Versicherungen. Die deutsche Allianz-Versicherung lag mit 28,2 Milliarden Euro (Stand Ende 2010) an fünfter Stelle.

Woher kommt das Geld?

Nach einer Umfrage muss die Europäische Zentralbank zwischen 100 und 250 Milliarden Euro aufbringen, um Staatsschulden aus Italien und Spanien zu kaufen. Diese enorme Summe kann die EZB dadurch bekommen, indem sie die Geldmenge ausweitet, also vereinfacht gesagt Euro-Noten druckt. Das würde die Inflationsgefahr erhöhen. Deshalb, so der Chef der österreichen Notenbank Ewald Nowotny gegenüber der Zeitung "Die Presse", werde die Geldmenge nicht ausgeweitet, sondern das Geld an anderer Stelle dem Markt wieder entzogen. Die EZB könnte zum Beispiel anderen Banken weniger Kredite gewähren, was wiederum neue Probleme schaffen könnte.

Frisches Geld aus der Notenpresse?Bild: dpa

Die Interventionen der EZB führen für einen gewissen Zeitraum zu niedrigeren Kosten für die Staaten, die neue Schulden machen und Staatsanleihen ausgeben. Auf Dauer gesehen steigen die Renditen für diese Staatsanleihen aber an, wie man am Beispiel von Griechenland und Portugal sehen kann. Am Ende waren die Kosten für die Beschaffung von Kapital auf den freien Märkten so hoch, dass die Schuldenstaaten nur die Wahl hatten zwischen einer Pleite oder einer Flucht unter den Rettungsschirm der Eurozone. Wie lange also die jüngste Intervention der EZB die Renditen für Staatsanleihen für Italien und Spanien auf einem erträglichen Niveau halten kann, ist unklar und hängt vor allem vom Vertrauen der Finanzmärkte in die Finanzpolitik der Eurozone ab.

Autor: Bernd Riegert (mit dpa, rtr, afp)
Redaktion: Mechthild Brockamp

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