EZB-Krisenpolitik landet wieder in Karlsruhe
15. Februar 2016Den Klägern ging es ums Prinzip. Der CSU-Politiker Peter Gauweiler, die frühere Bundesjustizministerin Herta Däuble-Gmelin (SPD), die Bundestagsfraktion der Linken und der Verein "Mehr Demokratie" legten eine Verfassungsbeschwerde gegen das sogenannte OMT-Programm ein, das nie zum Einsatz gekommen ist. OMT steht für "Outright Monetary Transactions". Dieses sehr technisch klingende Programm sehen die Kläger und die 12.000 Menschen, die sich der Beschwerde angeschlossen haben, als hochgefährlich für die Währungsunion an.
Es war die Einlösung des Versprechens, das EZB-Chef Mario Draghi Ende Juli 2012 abgab, als er zusicherte, alles zu tun, um den Euro zu retten. Damals wurde die Gemeinschaftswährung zur Zielscheibe von Hedgefonds. Mit dem spontan formulierten Satz beruhigte der oberste Notenbanker der Eurozone die Märkte schlagartig. Doch der eine Satz reichte den Investoren nicht aus. Sie wollten etwas Konkretes.
Im September 2012 traf dann der EZB-Rat mit dem OMT-Programm eine weitreichende Entscheidung: Die Notenbank werde notfalls unbegrenzt Staatsanleihen von klammen Euro-Ländern kaufen, um sie in der Währungsunion zu halten. Um die erwarteten Widersacher vor allem aus Deutschland zu besänftigen, wurden Bedingungen an das Programm geknüpft: Die EZB wird nur tätig, wenn das betroffene Land unter den Rettungsschirm ESM schlüpft und folglich strenge Reformvorgaben erfüllen muss. Und der EZB-Rat kann den Ankauf jederzeit einstellen, wenn die Ziele erreicht sind oder das Land Reformen nicht wie vereinbart umsetzt.
Offensichtliche Verstöße
Damit verstöße die EZB gegen zwei Verbote, sagen die Kritiker. Denn laut EU-Vertrag darf die Zentralbank keine Wirtschaftspolitik betreiben. Indem sie Reformen der Krisenländer überwacht, mische sie sich in ihre Wirtschaftspolitik ein, so das Argument. Der EZB wird auch die Finanzierung der Staatshaushalte der Euro-Länder verboten. Wenn sie Papiere notleidender Länder aufkauft, senkt sie die Zinsen und entlastet die Haushalte. Gibt es einen anderen Namen dafür als Staatsfinanzierung?
Ähnliches steht im Gutachten der Bundesbank, das die Verfassungsrichter bestellt haben. Jens Weidmann, Präsident der deutschen Notenbank, hatte sich übrigens als einziger im EZB-Rat geweigert, das OMT-Programm abzusegnen.
Das Bundesverfassungsgericht gab der Bundesbank und den Klägern recht, scheute sich aber vor einem klaren Urteil. Denn ein Urteil der deutschen Verfassungsrichter gegen die zentrale Rettungspolitik der EZB hätte Turbulenzen an den Finanzmärkten ausgelöst, die die Eurozone zum Absturz bringen könnten.
Persilschein für Draghi
Also wählten die Karlsruher Richter den weniger riskanten Weg und leiteten den Fall im Februar 2014 an den Europäischen Gerichtshof (EuGH) weiter. Dieser erklärte im Sommer 2015 erwartungsgemäß das OMT-Programm für rechtens. Auch in der Vergangenheit ließen die Luxemburger Richter keine Gelegenheit ungenutzt, um die Kompetenz der EU-Institutionen auszudehnen.
Der EuGH knüpfte seinerseits Auflagen an das Anleihekaufprogramm: Die Käufe müssten gut begründet und verhältnismäßig sein. Das ist so vage und windelweich formuliert, dass das Urteil wie ein Persilschein für Draghi wirkt.
Nun landet der Ball wieder beim Bundesverfassungsgericht. Ab Dienstag (16.02.2016) wird darüber verhandelt. Die Richter aus Karlsruhe haben damals extra betont, sich die letzte Entscheidung vorzubehalten. Würden sie eine Kehrtwende vollziehen und dem Urteil auf europäischer Ebene folgen, würden sie sich unglaubwürdig machen. Als ebenso unwahrscheinlich gilt, dass die Richter ohne Rücksicht auf Verluste ein Urteil gegen das OMT-Programm fällen. Es müsste etwas dazwischen sein.
Ein Jein wird erwartet
So raten namhafte Ökonomen wie der zukünftige Ifo-Chef Clemens Fuest und der Wirtschaftsweise Lars Feld den obersten Richtern, dem EuGH-Urteil nur im Ergebnis zu folgen - nicht aber in der Begründung. So würden sie die gerichtliche Prüfung künftiger EZB-Schritte nicht ganz aus der Hand geben. Mit einem Urteil wird erst in einigen Monaten gerechnet.
Wahrscheinlich wird das umstrittene Programm ohnehin nie das Tageslicht erblicken. Um die deutschen Bedenken zu zerstreuen, hat Mario Draghi im März 2015 ein abgeschwächtes Anleihekaufprogramm gestartet, mit dem auch Bundesbank-Präsident Weidmann leben kann. So gesehen haben die Kläger bereits gewonnen.