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Führen oder nicht führen?

Nina Werkhäuser7. Februar 2015

"Führung aus der Mitte“ – so beschrieb Verteidigungsministerin von der Leyen die internationale Rolle Deutschlands. Viele Zuhörer werteten das Schlagwort als "heiße Luft". Aus München Nina Werkhäuser.

Münchener Sicherheitskonferenz 2015 Rede von der Leyen
Bild: Reuters/ M. Rehle

Die Münchner Sicherheitskonferenz ist der ideale Ort, um in einem geschützten Raum neue Ideen zu diskutieren. Denn nirgends sonst sitzen so viele Experten zusammen und sprechen sachkundig, aber rein informell über Sicherheitspolitik. Vor diesem sehr speziellen Publikum präsentierte Verteidigungsministerin von der Leyen zum Auftakt der Konferenz ihr neues Schlagwort von der "Führung aus der Mitte" - und erntete Stirnrunzeln. "Was soll das heißen?" Dies war nach der Rede vielfach auf den Gängen des Tagungshotels Bayerischer Hof zu hören. "Bei mir ist da ein großes Fragezeichen", kommentierte die Grüne Claudia Roth, Vizepräsidentin des Bundestags. "Ich habe das nicht verstanden."

Bundestags-Vizepräsidentin Claudia RothBild: Kleinschmidt / MSC

Alter Wein in neuen Schläuchen?

Die Erläuterungen, die die Ministerin angefügt hatte, stellten viele Zuhörer nicht zufrieden. Von der Leyen hatte von der Bereitschaft Deutschlands gesprochen, internationale Konflikte stets gemeinsam mit anderen Ländern zu lösen - genau das sei "Führen aus der Mitte". Das aber ist schon lange das Credo der deutschen Außenpolitik, die sich stets zuverlässig einordnet in den europäischen Kontext oder in andere Partnerschaften. Seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs ist es Konsens, dass deutsche Alleingänge Tabu sind. Keine Nation habe alleine die Mittel, Konflikte auf Dauer erfolgreich zu lösen, sagte von der Leyen. In den Ohren des Fachpublikums klang das wie eine Binsenweisheit. "In Europa ist Deutschland immer in der Mitte und handelt aus der Mitte heraus, das muss man nicht extra betonen", kommentierte etwa Sylke Tempel, Chefredakteurin der Zeitschrift "Internationale Politik".

Ängsten vorbeugen

Nachdem von der Leyen, flankiert vom Außenminister und dem Bundepräsidenten, im letzten Jahr gefordert hatte, Deutschland müsse und werde international mehr Verantwortung übernehmen, hatte das Plenum eine erste Bilanz erwartet - und eine Weiterentwicklung des Gedankens. Die Bilanz kam, und sie fiel durchaus positiv aus, etwa bezüglich der deutschen Anstrengungen zur Lösung der Ukraine-Krise. Dafür zollten viele Teilnehmer der Bundesregierung Anerkennung.

Doch als Weiterentwicklung fasste kaum jemand das Schlagwort von der "Führung aus der Mitte" auf. Eher als Widerspruch in sich - oder als den Versuch eines Spagats. Darin spiegelten sich, meint der US-amerikanische Politikwissenschaftler James Davis, die Ängste wider, die der Kurswechsel von vor einem Jahr im In- und Ausland ausgelöst habe. Viele Deutsche nahmen Umfragen zufolge die Vorstellung, die Bundeswehr könnte in noch mehr Auslandseinätze geschickt werden, mit großer Skepsis auf.

"Es ist ein Versuch, die Verantwortung, die Deutschland fühlt, und die Ängste, die damit verbunden sind, auf einen Nenner zu bringen", sagt James Davis über von der Leyens Rede. Diese richte sich daher sowohl ans In- als auch ans Ausland. Als Amerikaner müsse er aber hinzufügen: "Es ist schwer zu führen, wenn man nicht selbst am Lenkrad sitzt." Ein Blick auf die Außenpolitik Obamas zeige das.

Politikwissenschaftler James DavisBild: picture-alliance/dpa

Mal mitmachen, mal nicht

Von der Leyens Rede offenbart also das Dilemma, in dem die wirtschaftlich starke "Mittelmacht" Deutschland steckt: Führen ja, aber bloß nicht zu viel! Eine Teilnahme an den Luftschlägen gegen die Terrormiliz "Islamischer Staat" gehört für die Bundesregierung eindeutig nicht zur "Führung", wohl aber Waffenlieferungen an die kurdischen Peschmerga im Nordirak. Für von der Leyen ist das "die Auflösung eines Tabus". Die Grüne Claudia Roth bringt das auf die Palme: "Es ist eine Errungenschaft, dass Deutschland sich militärisch zurückhält. Und wenn jetzt solche Tabus gebrochen werden, dann geht das in die falsche Richtung."

Und was ist sonst aus der "größeren Verantwortung" geworden? Die Bundeswehr bildet lieber aus, als dass sie kämpft, zumal ihr Fluggerät teils schrottreif ist und der Wehretat begrenzt. In die zivile Konfliktbearbeitung investiert die Bundesregierung vergleichsweise bescheidene Summen, und auf den Ebola-Ausbruch hat sie im Schneckentempo reagiert.

Eine Phrase?

"Insgesamt zeigt dies nur unsere Planlosigkeit", sagt ein Parteifreund von der Leyens - namentlich zitiert werden möchte er aber nicht. Das Wort "Führung" jedenfalls, so ist vielfach im Bayerischen Hof zu hören, hätte von der Leyen ebenso gut aus ihrer Rede streichen können. "Verantwortung übernehmen" treffe es besser. Denn die Phrase vom "Führen aus der Mitte" belege doch nur, dass Deutschland gerade mit diesem Thema ein Problem habe.

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