Fünf Dinge, die wir aus der WM 2018 lernen
16. Juli 20181. Konterfußball gewinnt
"Riesig war das Match nicht", räumte selbst Weltmeister-Trainer Didier Deschamps nach dem 4:2-Finalsieg gegen Kroatien ein. Man könnte hinzufügen: Riesig war die gesamte WM nicht. Spielwitz war Mangelware, Zauberfußball gar nicht im Angebot. Das Erfolgsrezept lautete: Hinten kompakt stehen und kontern. Was früher eher die Taktik der Außenseiter war, scheint zur hohen Schule des Fußballs mutiert zu sein. Frankreich ist ohne Frage ein verdienter, weil hoch effizienter Weltmeister, doch fußballerischen Glanz verbreiteten auch "Les Bleus" nur in sehr wenigen Momenten. Das galt auch für andere Mannschaften mit großem spielerischem Potential wie Belgien, Brasilien oder auch Spanien.
2. Russland hat sich gut verkauft
Man muss nicht so weit gehen wie FIFA-Chef Gianni Infantino, der die Weltmeisterschaft in Russland als "die beste, die jemals stattgefunden hat" bezeichnete. Der Mann ist ja schon qua Position fürs Lobhudeln zuständig, alles andere könnte schließlich als FIFA-Selbstkritik empfunden werden. Doch Russland hat sich wirklich als gastfreundliches Land präsentiert. Die modernen Stadien waren voll, Randale blieb aus, dem Gastgeber unterliefen keine größeren organisatorischen Pannen.
Im Gegensatz zu den Olympischen Winterspielen 2014 in Sotschi wurde die Fußball-WM nicht zu Putin-Festspielen. Der russische Präsident hielt sich diesmal auffallend zurück, was der Außenwirkung gut tat. Putin tauchte nur zum Eröffnungsspiel und zum Finale auf.
3. Der größte Verlierer heißt Deutschland
Als Weltmeister angereist, als WM-Deppen heimgekehrt. So erging es der DFB-Elf. Die Gründe für das historische Scheitern in der Vorrunde waren augenfällig: Es fehlte an allen Zutaten, die noch bei der WM 2014 zum Triumph geführt hatten - Erfolgshunger, Einsatz, Teamgeist, Führungsqualität. Nicht nur die Spieler machten eine schlechte Figur, sondern auch Bundestrainer Joachim Löw, Teammanager Oliver Bierhoff und der Deutschen Fußball-Bund. Es wird allerhöchste Zeit, nicht nur - wie im Fall Mesut Özil geschehen - nachzutreten, sondern die Fehler ernsthaft aufzuarbeiten und die nötigen Konsequenzen zu ziehen. Nur dann kann es für das DFB-Team wieder zurück auf die Erfolgsspur gehen.
4. Der Generationswechsel hat begonnen
Kroatien war die Ausnahme. Hier waren es erfahrene Spieler jenseits der 30 wie der überragende Luka Modric oder auch Ivan Perisic und Mario Mandzukic, die dem kleinen Land mit dem Finaleinzug den größten Erfolg der kroatischen Fußballgeschichte bescherten. Ansonsten schrieben vor allem junge Mannschaften die Schlagzeilen. Die "Lions" aus England etwa scheiterten zwar im Halbfinale, ihnen aber gehört ebenso die Zukunft wie den jungen Franzosen.
So schickt sich der erst 19 Jahre alte Kylian Mbappé an, in die Fußstapfen eines Lionel Messi oder Cristiano Ronaldo zu treten. Die große Zeit dieser beiden genialen Fußballer neigt sich langsam, aber sicher dem Ende zu. Auch in der deutschen Mannschaft zeigte sich, dass die meisten WM-Helden von 2014 - so bitter das auch klingt - wohl ausgedient haben. An jungen Talenten mangelt es im deutschen Fußball nicht, sie gehören jetzt in die erste Reihe.
5. Der Videobeweis kann funktionieren
Es gehört fast schon zum Ritual, dass bei Weltmeisterschaften über die Schiedsrichter geschimpft wird. Dazu gab es bei der WM in Russland aber eigentlich kaum einen Grund. Die FIFA hatte ihre Pfeifenmänner gut auf Linie gebracht. Die Referees ließen das Spiel häufiger weiterlaufen, als man es etwa in der Bundesliga gewöhnt ist und zeigten auch eher zurückhaltend Gelbe und Rote Karten (während des gesamten Turniers gab es nur vier Platzverweise). Das kam dem Spielfluss zugute. Die Nachspielzeiten fielen üppig aus, ein deutliches Signal gegen Zeitspiel. Die Schiedsrichter setzten zudem den Videobeweis, bis auf wenige Ausnahmen, maßvoll ein. Die Bilder aus dem Kontrollraum wurden im Stadion und an den Bildschirmen eingeblendet. Das sorgte für mehr Transparenz als in der Bundesliga. Dass es Grenzfälle gibt und wohl auch immer geben wird, ist nicht zu ändern. "Ohne Videobeweis hätte es den Handelfmeter gegen Kroatien nicht gegeben", sagte der frühere Schweizer Schiedsrichter Urs Meyer nach dem Finale im ZDF. "Infantino hatte gesagt, dass er mehr Gerechtigkeit wollte, jetzt haben wir mehr Gerechtigkeit."