Schriftsteller klären Verhältnis von Krieg und Poesie
3. Februar 2017
Was verbindet Krieg und Poesie? Dieser Frage ging die Schriftsteller-Vereinigung PEN in Köln nach. Fünf Exilautoren lasen aus ihren Gedichten. Das Fazit: Die Macht des Wortes kann groß sein.
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Gedichte statt Waffen - wie Exil-Autoren gegen den Krieg in ihrer Heimat kämpfen
In ihrer Heimat haben sie die Hölle erlebt: Fünf Lyriker aus Syrien, Kamerun, Tunesien, Tschetschenien und Russland beweisen, dass das Wort mächtiger ist als jede Waffe. Krieg und Poesie - hier einige Leseproben.
Bild: DW/S. Dege
Fünf Schriftsteller aus fünf Ländern
Die Writers-in-Exile-Autoren auf der Bühne des Volkstheaters Rudolfplatz in Köln (von links nach rechts): Enoh Meyomesse aus Kamerun, Yamen Hussein aus Syrien, Najet Adouani aus Tunesien, der Russe Sergej Lebedew und die Tschetschenin Maynat Kurbanova. Daneben PEN-Präsident Joseph Haslinger, rechts im Bild Kulturstaatsministerin Monika Grütters und Literaturkritiker Denis Scheck.
Bild: Ralf Juergens
Yamen Hussein: "Siebzehn Minuten"
"Die verbleibende Zeit, bis die U-Bahn kommt, (...) reicht für einen Liebesrausch, reicht, um ein Massaker zu begehen, dass eine Scud-Rakete Rakka erreicht und ein ganzes Wohnviertel zerstört.(...) Zeit genug für ein weiteres Glas Bier, das dich über die Schwelle trägt, in den angenehmen Taumel, in den Rausch, dass du tanzt wie ein Irrer." Folter und Flucht vertrieben Yamen Hussein aus Syrien.
Bild: Ralf Juergens
Maynat Kurbanova: "Flugzeuge nicht nur für Bomben"
"...Ich denke an unseren letzten Flug. Meine Tochter hatte sich damals lautstark geweigert, ins Flugzeug zu steigen. 'Sie schmeißen Bomben!' hatte sie immer wieder geschrien. Sie wusste einfach nicht, dass es Flugzeuge auch zum Transport gab, nicht nur zum Bombenwerfen..." Die tschetschenische Journalistin Maynat Kurbanova verließ Russland 2004 nach Drohungen.
Bild: Ralf Juergens
Enoh Meyomesse: "Als sie mich verhörten"
"wo hast du deine Waffen gebunkert / deine Freunde haben schon alles zugegeben / wo hast du sie versteckt / ... / meine Freunde haben gelogen / meine Freunde haben gezittert / meine Freunde hatten Panik". Enoh Meyomesse (bürgerlich: Dieudonné Enoh) stammt aus Kamerun und saß dort wegen regimekritischer Schriften 40 Monate im Gefängnis.
Bild: DW
Najet Adouani: "Der Held der Revolution"
"Der revolutionäre Held erhöht den Preis für Brot und ernährt sich selbst von warmen Croissants. (...) Er steckt dem Polizisten des Viertels eine Liste zu mit den Namen aller, die ihre Zunge noch haben. (...) Er verrät euch für ein Saufgelage und für eine Paradiesjungfrau aus dem Bordell der Obrigkeit..." Die tunesische Dichterin und Journalistin Najet Adouani floh vor Bedrohung in ihrer Heimat.
Bild: Ralf Juergens
Sergej Lebedew: "Zwei rote Sterne"
"Großvater war Pilot eines Bombenflugzeugs, er sah nicht, wen er tötete / Mein anderer Großvater diente beim NKWD. Er sah, wen er tötete, wen er am Erschießungsgraben auf die Knie zwang / In meiner Hand liegen zwei rote Sterne, einer gehört dem Krieger, der andere dem Henker. Wie kann ich sie auseinanderhalten?" Der Russe Sergej Sergejewitsch Lebedew schreibt gegen Geschichtsvergessenheit an.
Bild: DW/S. Dege
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Alle Exilautoren, die an diesem Abend in Köln aus ihren Werken lasen, mussten ihr Land verlassen. Sie berichteten von Flucht und Verfolgung wie der Syrer Yamen Hussein, von langen Jahren im Gefängnis wie der Kameruner Enoh Meyomesse oder von bangen Fragen an die Zukunft wie die Tschetschenin Maynat Kurbanova.
Die deutsche Kulturstaatsministerin Monika Grütters sprach von Krieg und Poesie als einem Paar, das nicht zusammenpasse: "Verrohung und Behutsamkeit, zerstörerische und schöpferische Kraft, eine Verbindung des Schlechtesten und des Besten, dessen Menschen fähig sind." Während die Alltagssprache im Krieg an Kraft verliere, weil gewöhnliche Worte das Grauen nicht fassen könnten, so Grütters, "kann die Kraft eines Gedichtes, also Poesie, den Krieg überdauern."
Eine Bühne für verfolgte Schriftsteller
Über Jahrhunderte habe Poesie auch zur Kriegsverherrlichung gedient, erinnerte PEN-Präsident Joseph Haslinger. Doch sei diese Zeit vorbei. "Die Poesie ist niemandem zur Dienerschaft verpflichtet. Sie lebt vom freien Wort", betonte Haslinger. Dem habe der PEN jetzt eine Bühne verschaffen wollen, vor allem solchen Menschen, die Krieg erleiden mussten und deshalb nach Deutschland gekommen seien.
Die fünf Exil-Autoren des Abends sind oder waren allesamt Stipendiaten des Writers-in-Exile-Programms der deutschen Schriftstellervereinigung. Bundesregierung und PEN haben es vor 17 Jahren gemeinsam für verfolgte Schriftsteller aufgelegt. Aktuell betreut es insgesamt zehn Autorinnen und Autoren aus Bangladesh, Russland, Jemen, Vietnam, Syrien und Kolumbien.
Die Macht des Wortes
Was die Freiheit des Wortes in der Welt betrifft, so blicke sie "nicht sehr freudvoll" in die Zukunft, sagte die Writers-in-Exile-Beauftragte des PEN, Franziska Sperr. Die Machthaber hätten Bomben und brauchten nur auf einen Knopf zu drücken - doch fürchteten sie sich vor den Schriftstellern. "Das ist beruhigend. Das zeigt die Macht des Wortes."
Auch Grütters kritisierte, Demokratie und Kunstfreiheit seien nicht gerade auf dem Siegeszug. "Um die Freiheit des Wortes muss man sich sogar hier auf europäischem Boden wieder Sorgen machen", sagte die CDU-Politikerin. In Polen und Ungarn sei die Pressefreiheit in Gefahr. Und wenn in der Türkei womöglich bald die Totenglocke für die Demokratie läute, werde das Auswirkungen weit über die türkischen Grenzen hinaus haben. "Wo die Freiheit des Wortes beschnitten wird, wo unbequeme Künstler verfolgt werden, wo Kunst zur Erfüllungsgehilfin der Herrschenden degradiert wird, da büßt jede Gesellschaft ihre Humanität ein", so die Kulturstaatsministerin.