Fünf Jahre danach: Erinnerung an ermordeten serbischen Reformer Djindjic
13. März 2008Für Zarko Korac ist der Fall klar: „Der Mord am früheren serbischen Ministerpräsidenten Zoran Djindjic war das Ergebnis eines politischen Komplotts. Es war ein politischer Mord mit politischen Zielen. Das Ziel war, vereinfacht dargestellt, die Demokratisierung und den Wandel in Serbien zu stoppen.” Korac war, als Chef einer kleineren Partei, einer der Stellvertreter Djindjics in der ersten demokratischen Regierung Serbiens nach dem autoritären Regime von Slobodan Milosevic. Kurz nach dem Mord an seinem Premier ist Korac in die Opposition gegangen. Heute ist er einer der schärfsten Kritiker des europaskeptischen Ministerpräsidenten Vojislav Kostunica. Schon damals, als Staatspräsident, habe Kostunica den West-Ruck Belgrads verhindern wollen, meint Korac: „Er wollte Djindjic stürzen, im Versuch Serbien davon abzuhalten, schnell und aktiv Reformen durchzuführen. Nun hat er Serbien, was politisch nur konsequent war, direkt in einen Streit mit der Europäischen Union geführt.”
Stimmung gegen Reformen?
Belgrad und Brüssel sind wegen des Kosovo in Konflikt geraten. Die südserbische Provinz ist seit einem Monat unabhängig, doch bisher fast nur von westlichen EU-Mitgliedern und den USA als selbstständiger Staat anerkannt. Deswegen wollen die nationalistischen und konservativen Parteien, allen voran Regierungschef Kostunica, eine weitere EU-Annäherung verhindern. Zarko Korac behauptet: „Kostunica dominiert die politische Landschaft in Serbien. Er hat einen Großteil der Medien unter seiner Kontrolle. In der Gesellschaft ist eine Atmosphäre spürbar, die gegen die Demokratie, gegen Reformen und, offen gesagt, gegen den Westen ist.”
Dem widerspricht Dragoljub Micunovic. Vor 20 Jahren war er der politische Ziehvater Djindjics. Die Wege der beiden hatten sich danach getrennt. Kurz vor dem Attentat zogen sie politisch wieder an einem Strang. Für Micunovic sind trotz allem weder der Kosovo-Status noch die EU-Politik in Serbien ein Tabu: „Die Pressefreiheit ist absolut. Andererseits wird informell auf Journalisten und deren Meinung Einfluss genommen. Trotzdem wird in den Medien eine gesunde Debatte geführt. Niemandem wird das Maul gestopft. Wer aber Angst hat, seine eigene Meinung zu äußern, ist selber Schuld.”
Falsche Fragen gestellt
Djindjic wollte nicht nur Serbien auf dem schnellsten Weg in die EU führen. Er trieb auch die Versöhnung mit den Nachbarn voran. Kurz vor seiner Ermordung versuchte er, ohne Erfolg, in den westlichen Hauptstädten eine Debatte über die Zukunft des seit dem Krieg 1999 unter UN-Verwaltung stehenden Kosovo anzuregen. Fünf Jahre später werden in Serbien die gleichen Grundsatz-Fragen über Europa und Kosovo gestellt, nur noch lauter. „Die Umfragen zeigen, dass nicht weniger, sondern immer mehr Bürger die europäische Integration unterstützen. Doch die Bürger sind verwirrt, weil man sie vor falsche Fragen stellt, nämlich die, ob man für die EU-Mitgliedschaft das Kosovo abgeben müsste", erklärt Dragoljub Micunovic.
Reform-Kraft ausgebremst
Micunovic ist weiterhin Mitglied der Demokratischen Partei. Diese gilt auch nach dem Tod ihres charismatischen Führers Djindjic als die tragende Reform-Kraft in Belgrad. Doch seit dem Mord vom 12. März 2003, das gibt auch Micunovic zu, schaffen es weder die Partei noch ihr neuer Chef und Staatspräsident Boris Tadic, die Transformation und Reformen in Serbien entschlossen durchzuziehen: „Serbien ist nicht stehen geblieben, aber es ist langsamer geworden. Wir haben es leider nicht geschafft, in der Gesellschaft eine ernsthafte pro-europäische Politik zu verankern. Djindjics Tod hat gezeigt, wie stark und gefährlich die anti-europäischen Kräfte sind. Diese Kräfte des alten Regimes haben sich eine Zeit lang versteckt, um danach wieder zu erstarken.”
Verpasste Chancen
Der Kampf um die Zukunft Serbiens wird gerade in den nächsten Wahlkampf-Monaten in Belgrad mit Nachdruck geführt. Die pro-westlichen Kräfte erwarten im Vorfeld der Parlamentswahl klare Unterstützung aus Brüssel und Verständnis der Europäer für ihre Ablehnung der Kosovo-Unabhängigkeit. Sollten doch die nationalistischen Parteien die Oberhand gewinnen, so werden die warnenden Worte Zoran Djindjics ein Jahr vor dem Attentat wieder an Aktualität gewinnen: „Wenn Serbien jetzt stehen bleibt, wird es zehn Jahre brauchen, um sich wieder zu bewegen. Wir haben eine riesige historische Chance, etwas Großes für das Land und die Region zu tun. Wir müssen uns aber sehr anstrengen, um die Risiken zu vermeiden. Es steht bei Weitem noch nicht fest, dass wir eine Demokratie sind, die wirtschaftliche Reformen durchführt und auf dem Weg nach Europa ist. Das ist nur eine Chance, die schon morgen verspielt werden kann.”
Filip Slavkovic