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Politik

Für die AfD ist Russland ein "Gewinnerthema"

Kay-Alexander Scholz
20. Mai 2019

Die Führung der Rechtspopulisten in Österreich zeigte sich offenbar käuflich gegenüber russischem Einfluss. Und in Deutschland? Was weiß man über die Beziehungen zwischen der AfD und Russland? Ein Überblick.

Russland l Präsident Putin
Russlands Präsident Wladimir PutinBild: picture alliance/dpa/V. Prokofyev

Mit gerade einmal 28 Jahren hat Markus Frohnmaier in der "Alternative für Deutschland" bereits richtig Karriere gemacht. Er war Chef der AfD-Jugendorganisation, Pressesprecher der Partei, nun ist er Bundestagsabgeordneter. Als rumänisches Kind  wurde er durch ein deutsches Ehepaar adoptiert, heute ist er verheiratet mit einer Russin. Nicht nur biografisch ist Frohnmaier international vernetzt. So versuchte er in Frankreich und Serbien, Verbindungen für die AfD aufzubauen. Mit der Kreml-Partei "Einiges Russland" plante er ein Jugendkooperationsabkommen. Kritikern entgegnete er, in Deutschland gebe es eine "geistige Mobilisierung gegen Russland, dagegen versuchen wir anzugehen".

"Wenn wir kommen, dann wird ausgemistet", sagte Frohnmaier kurz vor dem Einzug der AfD in den Bundestag 2017Bild: picture-alliance/dpa/M. Murat

Doch diese Strategie wurde ihm zum Verhängnis. Es gibt Medienberichte über eine E-Mail aus russischen Regierungskreisen, wonach Frohnmaier vom Kreml gesteuert wird. Er weist die Vorwürfe von sich, fordert offizielle Beweise. Interviews lehnt er derzeit ab, Anwälte sollen eingeschaltet sein. 

Die Frage bleibt: Arbeitet die AfD mit Russland zusammen, vielleicht über einen Kredit wie bei der französischen Rechtspopulistin Marine Le Pen? Oder mit dem Ziel eines Kooperationsabkommens, wie es die Kreml-Partei "Einiges Russland" mit der italienischen Lega und auch mit der österreichischen FPÖ vereinbarte, beides Schwesterparteien der AfD, wie sie AfD-Europawahlkämpfer Jörg Meuthen selbst bezeichnet? Oder - wie "Ibizagate" nahelegt - mit möglichen Geheimabsprachen: Geld von angeblichen russischen Oligarchen für die eigene Partei gegen wirtschaftlichen Einfluss im Land oder zur Beeinflussung von Medien? Der Fall des FPÖ-Chefs Heinz-Christian Strache könnte nur die Spitze des Eisbergs sein. 

Außenpolitik nach "preußischer" Tradition

Bereits kurz nach der Parteigründung gab AfD-Mitbegründer Alexander Gauland Anlass für Spekulationen. Er lud im Spätsommer 2013 zu einer Pressekonferenz über die Auslands(!)-Beziehungen der AfD ein - überraschend für die damalige Fünf-Prozent-Partei. Deutschland müsse, forderte Gauland, wieder an die preußische Tradition des 19. Jahrhunderts anknüpfen, als Russland und Preußen enge Partner waren. Das habe Deutschland genützt.

Dann kamen die Ukraine-Krise und die russische Annexion der Krim. Die AfD zog in Landesparlamente ein, 2017 auch in den Bundestag. Russland-Nähe gehörte immer stärker zum Parteiprofil.

AfD-Chef Alexander Gauland hat Russland schon früh auf die Agenda gesetztBild: picture alliance/dpa/M. Kappeler

"Ja, wir sehen manche Dinge in der Auseinandersetzung mit Russland anders", sagt Gauland im DW-Interview. Sein Kalkül: "Gute Beziehungen zu Russland sind eher ein Gewinner- als ein Verliererthema."

Vor der Ukraine-Krise hatte Russland zur deutschen Regierung durchaus gute Beziehungen. Die folgende Verschlechterung wusste die AfD für sich zu nutzen. Mit einem Moskau-freundlichen Kurs stellte sich die AfD gegen den neuen Russland-Kurs von Kanzlerin Merkel und schärfte so ihr Profil als Anti-Establishment-Partei.

Auf russischer Seite ging es darum, die Folgen der EU-Sanktionen abzufedern. "Der Kreml hat nach den Sanktionen durch die alten Partner - wie der CDU - dringend neue Verbindungen und Kontaktpersonen gesucht", sagt Frauke Petry, bis Herbst 2017 Chefin der AfD. "Sie wollten sich mit uns schmücken." Eine offizielle Verbindung sei aber nicht zustande gekommen.

Nur wenige Hindernisse

Nicht nur Frohnmaier, viele andere AfD-Abgeordnete forderten bei Reisen, Treffen, Konferenzen oder mit Resolutionen die Abschaffung der Sanktionen und rechtfertigten damit indirekt Putins Politik. Medien und Politiker anderer Parteien kritisierten das, fragten nach politischen und moralischen Grenzen. Die AfD-Abgeordneten bewegten sich - offiziell - im Rahmen des Erlaubten ihrer Mandatstätigkeit. Über mögliche inoffizielle Kontakte mit russischen Politikern und Wirtschaftsvertretern ist derzeit wenig bekannt.

Wohl auch deshalb blieb der Verfassungsschutz des Bundes, zuständig für unerlaubte Einflussnahme aus dem Ausland, zurückhaltend. Er nahm die AfD systematisch erst nach einem Chefwechsel in der Behörde vor einem Jahr ins Visier. Der Verfassungsschutz reagiert beim Thema Russland und AfD bis heute schmallippig.

So taucht in dem im Frühjahr geleakten ersten AfD-Gutachten, bei dem auch die Bundesländer zuarbeiteten, der Name Frohnmaier zwar auf - wegen seiner rechtsextremen Kontakte. Russland-Treffer gibt es aber nur fünf Mal auf 436 Textseiten - und sie sind wenig brisant. Im neuen Gutachten über die Einflussnahme Moskaus auf die Europawahl spielt die AfD nach Medienberichten keine Rolle.

Thema mit hoher politischer Dividende

Eine offizielle Bestätigung des AfD-Engagements lieferte im Juli 2018 eine Kreml-Politikerin. "Sie pilgern gern nach Moskau, sogar auf die nicht anerkannte Krim, verlangen die Aufhebung der Sanktionen, treten als loyale Beobachter bei Wahlen auf und kommentieren regelmäßig die Ereignisse im russischen Fernsehen zugunsten Russlands", äußerte sich die Leiterin der außenpolitischen Abteilung der Kreml-Partei "Einiges Russland", Veronika Krascheninnikowa. "Es kostet sie nichts, ein paar unterstützende Worte in Richtung Russland zu senden, dafür bekommen sie kostenlose Werbung in russischen Medien und öffentliche Anerkennung", so ihre Zusammenfassung.

Die AfD werde dadurch "nicht nur national, sondern auch international legitimiert". Die politische Dividende sei hoch.

Die AfD ist vorsichtig geworden

Inhaltlich engagiert sich die AfD beim Thema Russland aber wenig. Im Bundestag, bei parlamentarischen Initiativen mittels Anfragen und Anträgen, spielte Russland bisher keine große Rolle. Meist geht es dann um die Förderung der Russlanddeutschen oder einen Jugendaustausch.

Von einer "formalisierten Zusammenarbeit" halte er nicht viel, antwortete der Parteivorsitzende Gauland auf die Frage nach Zukunftsplänen.

Jugendchef der AfD, Damian Lohr: "Ich war noch nie in Russland"Bild: picture-alliance/dpa/A. Prautzsch

Von russischer Seite gebe es auch gar keine Avancen, die er kenne. Und Damian Lohr, der Chef der AfD-Jugendorganisation, Junge Alternative, versichert, Russland habe gerade "keine Priorität". "Ich war noch nie in Russland, es gibt keine Vereinbarung und aktuell keinen Kontakt." Und: die AfD sei die einzige Partei in Deutschland, die "für ein ausgeglichenes Verhältnis zu Russland steht".

Geld von "fremden Mächten" lehne er ab, betonte Gauland noch. Dass dem so ist, muss die AfD aktuell der Bundestagsverwaltung beweisen. Es besteht derVerdacht illegaler Wahlkampfspenden aus dem Ausland.

Bei allem, was auf Einflussnahme aus dem Ausland schließen könnte, ist die AfD derzeit vorsichtig - das war schon vor "Ibizagate" so. Wohl auch, weil der Verfassungsschutz inzwischen Material sammelt, um zu entscheiden, ob die Partei nicht doch noch Beobachtungsfall wird.

Internationales Netzwerk geplant

Anton Schechowzow hat ein Standardwerk über Verbindungen der europäischen Rechten mit Russland geschrieben. Er hält diese vor allem strategisch ausgerichtete Partnersuche für gefährlich, weil es Moskau darum gehe, die Länder politisch zu destabilisieren, sagte der in Wien lebende ukrainische Politologe der DW kürzlich.

Die AfD helfe Putin, in ihrem Wunsch nach einer autoritären Politik seien sich beide einig, meint der AfD-Insider und Russlanddeutsche Artur Wagner. Es gehe um den Kampf zwischen westlich-liberaler und einer neoautoritären Welt. Also um die Gefahr einer sogenannten populistischen Internationalen, die ein anderes politisches System anstrebt.

Russland ist wichtiger Teil dieses Netzwerkes. Die AfD wird deshalb ihren politischen Balanceakt sicherlich fortführen. Mit neuen gleichgesinnten Partnern im Europaparlament nach der Wahl könnte das für sie einfacher werden.

Inwieweit der Kreml bereit ist, das alles mit Geld zu unterstützen, wird wohl nicht nur in Österreich, sondern auch in Deutschland ein heftig diskutiertesThema bleiben.

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