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Politik

"Für Europa, gegen die Extremisten"

Nina Niebergall
16. März 2017

Mit bangem Blick schauten die Politiker der EU am Wahltag auf die Niederlande. Nun steht fest: Der große Knall blieb aus, Rechtspopulist Geert Wilders hat die Wahl nicht gewonnen. Erleichterung macht sich breit.

Deutschland Demonstration Pulse Of Europe in Frankfurt am Main, Flagge Niederlande
Bild: Getty Images/T. Lohnes

Aufatmen heißt es am Tag nach der niederländischen Wahl in Brüssel und anderen europäischen Hauptstädten. Die Niederländer hätten "für Europa, gegen die Extremisten" gestimmt, erklärt Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker. Sein Sprecher zitiert ihn mit diesen Worten auf Twitter.

Auch der Präsident des Europäischen Parlaments, Antonio Tajani, nutzte Twitter noch in der Nacht für eine Gratulation an den niederländischen Ministerpräsidenten Mark Rutte. Der bürgerlich-liberale Premier des EU-Landes konnte die Parlamentswahl für sich entscheiden - und damit einen Sieg seines rechtspopulistischen Kontrahenten Geert Wilders verhindern. 

"Sieg gegen den Extremismus"

"Ein klarer Sieg gegen den Extremismus": So kommentierte der französische Präsident François Hollande das Wahlergebnis in Den Haag. Die Werte der Offenheit, des Respekts gegenüber anderen und des Glaubens an Europa seien die einzige Antwort auf Nationalismus und Abschottung, teilte der Pariser Élysée-Palast in der Nacht mit. Frankreich ist das nächste EU-Land, in dem eine richtungsweisende Wahl ansteht. Die Rechtspopulistin Marine Le Pen kann bei der Präsidentenwahl laut Umfragen mit dem Einzug in die Stichwahl rechnen.

Bleibt ein Dominoeffekt aus? In ganz Europa sind Rechtspopulisten auf dem VormarschBild: Reuters/W.Rattay

Antreten wird Le Pen unter anderem gegen den linksliberalen Politiker Emmanuel Macron. Dieser mag vor allem seine Rivalin im Sinn gehabt haben, als er die niederländische Wahl kommentierte: "Die Niederlande zeigt uns, dass ein Durchbruch der extremen Rechten nicht ausgemachte Sache ist und dass fortschrittliche Parteien an Boden gewinnen." Sollte er die Präsidentschaftswahl für sich entscheiden, will Macron die französische Politik modernisieren und die traditionelle Teilung zwischen Links und Rechts aufheben. 

Francois Fillon, Frankreichs konservativer Präsidentschaftskandidat, erklärte auf Twitter, wenn die politische Rechte und die Mitte ein klares Programm hätten und ihre Werte verteidigten, seien sie "das beste Bollwerk gegen den Populismus und den Extremismus".

Nicht zurück ins 20. Jahrhundert 

Es ist der vorläufige Sieg gegen den Rechtspopulismus, der am Tag nach der niederländischen Wahl die Reaktionen der meisten europäischen Politiker bestimmt. Auch Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn sieht den Ausgang der Niederlande-Wahl als Schlappe für Rechtspopulisten - nicht nur in den Niederlanden, sondern auch in Deutschland und Frankreich. "Das zeigt, dass es keinen Freifahrtschein für die gibt, die Europa kaputtmachen wollen", meint Asselborn. "Die Menschen wollen nicht in den Schlamassel des 20. Jahrhunderts zurückgeführt werden." Da Le Pen und Wilders ideologisch nahe beieinander seien, entspreche der Wahlausgang in den Niederlanden einer Absage an alle, die ihre eigene Nation nach dem Motto "America first" oder "Frankreich first" über andere stellten.

Der strahlende Sieger der niederländischen Wahl: Ministerpräsident Mark RutteBild: picture-alliance/dpa/D. Reinhard

Dänemarks liberaler Regierungschef Lars Løkke Rasmussen sieht in dem Sieg des niederländischen Ministerpräsidenten Mark Rutte bei der Parlamentswahl einen Sieg der Ernsthaftigkeit. "Ich habe gerade meinen guten liberalen Freund Mark Rutte zum Wahlergebnis in den Niederlanden beglückwünscht", twitterte Løkke Rasmussen. "Schön, dass Ernsthaftigkeit belohnt wird!" 

"Die seriöse Politik der bürgerlichen Kräfte hat sich in den Niederlanden ausgezahlt", ist sich auch CSU-Europapolitiker Manfred Weber sicher. "Das ist eine gute Nachricht für alle politischen Kräfte der Mitte und für Europa." Der CDU-Europapolitiker David McAllister meint, Wilders habe "die Quittung bekommen für einen aggressiven und zum Teil unanständigen Wahlkampf". Wilders hatte vor allem mit Islam- und Europa-feindlichen Äußerungen für sich geworben. Pro-europäische Parteien seien "im Aufschwung", twittert der liberale Europaparlamentarier Guy Verhofstadt.  

Auch der europäische Grünen-Chef Reinhard Bütikofer wertet das Ergebnis der Parlamentswahl als positives Zeichen. "Nach der österreichischen ist das schon die zweite Wahl der letzten Zeit, in der sich die Hoffnungen autoritärer Populisten auf einen Sieg zerschlagen haben", sagt Bütikofer. "Die angebliche Erfolgsserie populistischer Kräfte in Europa existiert schlicht nicht." Bütikofer kommentierte auch den Erfolg der grünen Partei GroenLinks, die bei der Wahl in den Niederlanden deutlich zulegte. Er spricht von einer "großartigen Überraschung". GroenLinks stehe "für positive Emotionen, für Hoffnung, für den Willen zu innovativer und konstruktiver Politik", findet der deutsche Europaabgeordnete.

Ein abstruser Vorwurf geistert durch die Türkei: Niederländische Politiker seien Rassisten und FaschistenBild: picture-alliance/abaca/AA/S.Z. Fazlioglu

Spielverderber Türkei

Nur ein Land verdirbt an diesem Tag Europa die Stimmung: die Türkei. Es gebe keinen Unterschied zwischen den Sozialdemokraten - damit ist offenbar auch der konservative Regierungschef Rutte gemeint -  und dem Faschisten Wilders, zitiert die Nachrichtenagentur Anadolu den türkischen Außenminister Mevlüt Cavusoglu: "Es ist die gleiche Mentalität." Cavusoglu, dessen Land sich in einer diplomatischen Krise mit den Niederlanden befindet, warnt vor dem Zerfall Europas. "Wohin geht ihr, wohin führt ihr Europa? Ihr habt begonnen, Europa aufzulösen und es an den Rand des Abgrunds zu führen", mahnt Cavusoglu an die Adresse europäischer Politiker. "Bald werden Religionskriege in Europa ausbrechen."  

Europäische Medien greifen das Kräftemessen zwischen den beiden NATO-Ländern am Morgen nach der niederländischen Wahl in ihren Kommentarspalten auf. Dass Rutte einen Erfolg gegen den Rechtspopulisten Wilders verbuchen konnte, sei auch "seinem unnachgiebigen Verhalten in den vergangenen Tagen der Türkei und Erdogan gegenüber" geschuldet, schreibt die italienische Zeitung "La Repubblica". Die norwegische "Aftenposten" zieht ein Fazit: "Die EU ist mit einem Schrecken davongekommen." 

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