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Politik

Facebook-Experiment: "Pay to Play"

Ivica Petrovic Belgrad
3. November 2017

In sechs Ländern testet Facebook eine neue Funktion. Angebote von Medien- und anderen Unternehmen werden damit dem Leser weniger prominent angezeigt. Wird dadurch die Pressefreiheit eingeschränkt?

Facebook User Logo Symbolbild
Bild: Reuters/D. Ruvic

Seit dem 19. Oktober testet Facebook eine neue Zusammensetzung des sogenannten "News Feeds", den die Benutzer auf der Facebook-Seite zu sehen bekommen - vorerst außer in Serbien noch in Kambodscha, Sri Lanka, Guatemala, Bolivien und in der Slowakei. Die wichtigste Veränderung: Bisher bekamen alle Facebook-Nutzer die nach Ansicht des Algorithmus "wichtigsten" Posts in einem Feed angezeigt. In dem Experiment, wie Facebook die Aktion nennt, soll getestet werden, wie es bei den Nutzern ankommt, wenn sie zwischen zwei verschiedenen "News Feeds" wählen können. Dabei werden die Posts von Freunden und Bekannten getrennt von den Posts anderer Anbieter angezeigt. Im Hauptfeed der Facebook-Seite erscheint nur das, was die Freunde des Lesers posten, Beiträge von Massenmedien, Firmen und anderen öffentlichen Seiten erscheinen in einer zweiten, nicht sehr prominent platzierten Schiene, dem so genannten "Explore Feed". Falls die öffentlichen Anbieter wollen, dass ihre Posts wieder im Hauptfeed erscheinen, müssen sie dafür zusätzlich bezahlen.

In allen betroffenen Länden führte das schon nach wenigen Wochen zu dramatischen Einbrüchen der Nutzerzahlen für die Facebook-Angebote der Medien. So ist in der Slowakei die Sichtbarkeit der Postings um etwa zwei Drittel abgesunken, einen ähnlichen Einbruch verzeichnen auch die Medien in Guatemala. In Kambodscha ist die Rede von rund zwanzig Prozent weniger Lesern, bei einigen Bloggern sind sogar von einst 12.000 Abrufen nur noch 2.000 übrig verblieben. Für Serbien sind bisher keine genauen Daten vorhanden, bei einigen DW-Formaten wurden aber seit der Einführung der neuen Funktion bis zu 70 Prozent weniger Abrufe verzeichnet.

Zugemüllte Kanäle

"Ich glaube, Facebook will prüfen, ob die Nutzer nur die Postings ihrer Freunde sehen wollen, oder sie auch an den Inhalten öffentlicher Anbieter interessiert sind", sagt Vladimir Cuk, Social-Media-Experte aus Belgrad, im DW-Gespräch. "Die Inhalte verschiedener öffentlicher Anbieter haben inzwischen den Facebook-Feed so überschwemmt, dass die Nachrichten der Freunde fast unsichtbar geworden sind." Außerdem, so Cuk, will man die kommerziellen Anbieter zwingen, ihre Strategie zu ändern, sowohl Facebook als auch den Usern gegenüber.

Vor allem jüngere Menschen in Serbien informieren sich über Facebook und TwitterBild: DW/I. Petrovic

Logischerweise seien durch die neuen Strukturen vor allem diejenigen betroffen, die sehr oft und viel über Facebook gepostet hätten - und das seien oft eben Medienunternehmen. "Einige Medien haben täglich 40 bis 60 Postings und dadurch müllen sie den Feed zu. Hier geht es nicht so sehr um die Qualität der Inhalte, sondern vor allen darum, bei Facebook präsent zu sein." Durch den Explore Feed wird die Sichtbarkeit solcher Inhalte geringer. "Das wird vor allem diejenige treffen, die ihre Strategie auf möglichst vielen täglichen Postings gegründet haben", sagt Cuk.

Invasion der Trolle

In Serbien sind die traditionellen Medien dauerhaft einem direkten oder indirekten Druck ausgesetzt. Die Beeinflussung reicht von direkten Drohungen gegenüber den Journalisten in den öffentlich-rechtlichen Medien bis zu wirtschaftlichem Druck auf private Medien, insbesondere durch die Steuerung der bezahlten Werbung. In dieser Situation sind die sozialen Medien in kurzer Zeit sehr populär geworden. Für einen Teil der Bevölkerung sind Facebook und Twitter zur Hauptinformationsquelle geworden. "Damit reagiert man auf die Besetzung der traditionellen Medien seitens der Machthaber", sagt Zeljko Bodrozic vom Unabhängigen Journalistenverband Serbiens (NUNS). "Soziale Netzwerke sind neben einigen Onlineportalen zur einzigen Quelle der unabhängigen Informationen geworden."

Dennoch können sie die klassischen Medien nicht ersetzen, nur ergänzen, betont Bodrozic. Vor allem das Fernsehen, aber auch Radio und auflagenstarke Tageszeitungen gelten immer noch als tonangebend und meinungsbildend. "Gleichzeitig werden aber auch die sozialen Medien von der regierenden Serbischen Fortschrittspartei (SNS) 'gekapert'", sagt Bodrozic. "Die Regierung kann die Nutzung des Internets nicht verbieten oder begrenzen; sie kann aber durch einen offensiven Einsatz der Netz-Trolle einige Quellen für freie Information in den sozialen Netzwerken vergiften oder sie als sinnlos erscheinen lassen."

In diesem Zusammenhang sei sehr unglücklich, dass ausgerechnet Serbien zu den sechs Testmärkten für den neuen Facebook-Feed gehöre, sagt Bodrozic. "Im Land gibt es ohnehin fast keine unabhängige Öffentlichkeit, und die Regierung ist vor allem mit dem eigenen Machterhalt und mit der Ausschaltung aller Oppositionsstimmen beschäftigt." Schon bisher hätte man ein großes Problem mit der Verbreitung der gesteuerten und verfälschten Informationen durch die Leitmedien gehabt; wenigstens in den sozialen Netzwerken hätte man ein wenig Raum für eine offene Diskussion gehabt. "Nun wird das dort auch erschwert", sagt Bodrozic.

Medien brauchen eine neue Strategie

Viele Beobachter befürchten, dass die Veränderungen vor allem in den Ländern negative Auswirkungen haben werden, in denen Medien unfrei sind und die sozialen Netzwerke auch als Informationskanäle eine wichtige Rolle spielen. 

Serbischer Präsident Aleksandar Vucic hält die Medien in Serbien unter KontrolleBild: Klix.ba/K. Softic

Netzexperte Vladimir Cuk glaubt nicht daran, dass Facebook durch die neuen Strukturen irgendwelche politische Ziele verfolgt - hier ginge es um klassische wirtschaftliche Überlegungen. Es handele sich um das Prinzip 'pay to play': wer eigene Inhalte bei Facebook gut platzieren möchte, muss dafür tiefer in die Tasche greifen. "Facebook will, dass die Anbieter mehr Geld bezahlen und ihr Verhalten ändern. Das könnte beispielsweise bedeuten, dass man sich vor allem auf die Inhalte konzentrieren soll, die beim Publikum gut ankommen und viele Interaktionen hervorrufen."

Obwohl Facebook angekündigt hat, vorerst das Experiment nicht auf andere Länder auszuweiten, ist Vladimir Cuk überzeugt, dass dieser Test Schule machen wird. "Das werden wahrscheinlich so oder ähnlich bald auch die anderen sozialen Medien übernehmen. Die kommerziellen Anbieter wird das zwingen, den Menschen das zu geben, was sie sehen wollen", ist Cuk überzeugt.

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