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Facebook muss Account einer Toten öffnen

9. September 2020

Das Internet vergisst nichts. Auch Social-Media-Accounts existieren einfach weiter, selbst wenn die Nutzer gestorben sind. Und da haben Erben Rechte, wie jetzt der Bundesgerichtshof in einem Fall bei Facebook klarstellt.

Facebook-Logo auf schwarzem Grund
Bild: picture-alliance/imageBROKER

Schon vor zwei Jahren hatte der Bundesgerichtshof in Karlsruhe geurteilt: Auch ein digitaler Nachlass gehört den Erben. Doch damit war der Streit zwischen den Eltern einer toten Jugendlichen aus Berlin und dem Social-Media-Konzern Facebook nicht beendet. Der BGH wurde erneut angerufen und entschied nun, dass es nicht reicht, den Erben nur PDF-Dokumente zu überreichen.

Facebook muss den Erben vielmehr einen direkten Zugriff auf das gesperrte Konto der Verstorbenen ermöglichen. Das Unternehmen habe zuvor den Eltern der 15-jährigen Berlinerin, die 2012 in einem U-Bahnhof ums Leben kam, nur einen USB-Stick mit einem riesigen PDF-Dokument mit unstrukturierten Daten überreicht, sagte Rechtsanwalt Christlieb Klages, der die Familie seit Jahren vertritt.

"Wir fühlen mit der Familie"

Facebook war der Auffassung, dem BGH-Urteil vom Juli 2018 mit der Übergabe von rund 14.000 PDF-Seiten nachgekommen zu sein: "Wir fühlen mit der Familie. Nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofs haben wir der Familie die Informationen des Kontos ihrer verstorbenen Tochter übermittelt, einschließlich aller Nachrichten, Fotos und Posts", teilte das Netzwerk damals mit.

Bundesgerichtshof in Karlsruhe: Der digitale Nachlass gehört den ErbenBild: picture-alliance/dpa/C. Schmidt

"Das wollten wir nicht hinnehmen", sagte Anwalt Klages dem Südwestrundfunk. "Warum sollten die Eltern sich das nicht selbst angucken dürfen?" Sie zogen deshalb erneut vor Gericht, weil sie stattdessen auf das Facebook-Profil ihrer Tochter zugreifen wollten, um dort Hinweise zu finden, ob die 15-Jährige möglicherweise Suizid begangen hat.

Facebook hatte das aktive Konto des Teenagers nach dem Hinweis eines unbekannten Nutzers über den Tod des Mädchens in einen sogenannten Gedenkzustand versetzt. Auch den Eltern war damit kein Zugang zu dem originalen Profil mehr möglich.

PDFs reichen nicht

Der Bundesgerichtshof gab den Eltern nun recht. Das PDF-Dokument reiche nicht. Facebook müsse den Eltern vielmehr einen direkten Zugriff auf das gesperrte Konto der Tochter einräumen. Dabei komme es auch nicht darauf an, dass die Eltern dadurch theoretisch das Konto der verstorbenen Tochter aktiv nutzen könnten, berichtet der SWR in Bezug auf die Urteilsbegründung.

Der BGH schreibt in dem Beschluss, Facebook könne den Gedenkzustand des Kontos aufheben. Es seien keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Eltern in diesem Fall das Benutzerkonto aktiv weiternutzen würden.

Eine Vorinstanz hatte den Eltern noch den Zugriff auf die Chats ihrer verstorbenen Tochter verwehrt. Begründung: Es gelte der Datenschutz für deren Chat-Partner. Der Bundesgerichtshof sah das anders und entschied als höchste Instanz in Zivilverfahren, dass in diesem Fall die Interessen der Erben schwerer wiegen.

Die Deutsche Welle berichtet zurückhaltend über das Thema Suizid, da es Hinweise darauf gibt, dass manche Formen der Berichterstattung zu Nachahmungsreaktionen führen können. Sollten Sie selbst Selbstmordgedanken hegen oder in einer emotionalen Notlage stecken, zögern Sie nicht, Hilfe zu suchen. Wo es Hilfe in Ihrem Land gibt, finden Sie bei der Internetseite befrienders.org. In Deutschland hilft Ihnen die Telefonseelsorge unter den kostenfreien Nummern 0800/111 0 111 und 0800/111 0 222. 

AR/ww (dpa, SWR)

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