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Deutschland gehen die Ingenieure aus

Kristie Pladson
6. Februar 2023

Immer weniger deutsche Schulabgänger wählen einen technischen Studiengang. Um seine Rolle als Industrienation zu erhalten, benötigt Deutschland Ingenieure aus dem Ausland.

Ein Auszubildender im MAN Ausbildungszentrum Oberhausen arbeitet an einer Werkzeugmaschine
Qualifizierte Arbeitskräfte, gerade in technischen Berufen, werden in Deutschland dringend gesuchtBild: Rupert Oberhäuser/picture alliance

Als Robert Weiß ein Kind war, verbrachte er seine freie Zeit damit, mit seinem Vater Autos zu reparieren. Dieses Hobby trug auch zu seinem Entschluss bei, selbst einen Ingenieurberuf zu ergreifen und in Deutschlands Bahn- und Automobilindustrie zu arbeiten, bevor es ihn an die Universität zog.

Heute ist Weiß Dekan der Fakultät für Maschinenbau und Mechatronik an der Hochschule Karlsruhe und bestätigt nur ungern, dass Studierende nicht mehr so viel Interesse an technischen Gebieten zeigen wie früher. Vor fünf Jahren bewarben sich auf jede Stelle in seinem Programm im Schnitt sieben Personen, erzählt er der DW. Heute sind es nur noch drei.

"Das ist wirklich besorgniserregend", sagt Weiß. "Und es ist ein Problem für die Universität. Wir wollen unsere Programme so weit wie möglich füllen und möglichst viele Ingenieure ausbilden. Auch auf die Industrie, auf die Wirtschaft und auf Deutschland insgesamt hat es Auswirkungen, wenn es nicht ausreichend Ingenieure gibt."

Grüner Wandel in Gefahr

Deutsche Ingenieurskunst wird weltweit für ihre Qualität und Innovation geschätzt. Doch dieser Ruf ist in Gefahr. Die Zahl der jungen Menschen, die sich für ein Studium der MINT-Fächer – kurz für Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik - entscheiden, fiel laut einer kürzlich veröffentlichten Studie desStatistischen Bundesamtes in nur einem Jahr um 6 Prozent.

Die Zahl der Studierenden in MINT-Fächern ist gesunkenBild: picture-alliance/K.Kraemer

Viele Länder haben mittlerweile mit einem Mangel an qualifizierten Arbeitskräften zu kämpfen. In Deutschland kommt hinzu, dass derzeit viele Ingenieure und andere technische Spezialisten in Rente gehen. Gleichzeitig steht das Land vor einem massiven digitalen und ökologischen Wandel, einer Aufgabe, für deren Bewältigung ein ganzes Heer qualifizierter Fachleute aus den Bereichen IT, Ingenieurswesen und anderen technischen Berufen benötigt wird.

Laut einem Bericht  des Instituts der deutschen Wirtschaft in Köln fehlten in Deutschland im April 2022 etwa 320.000 MINT-Fachleute. Und die neuesten Immatrikulationszahlen an den Universitäten lassen keine Verbesserung erkennen.

Fachkräftemangel wirkt sich auf die Produktivität aus

"MINT-Themen erfahren noch nicht die Wertschätzung, die ihrer wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Bedeutung entspricht", stellt das Bundesministerium für Bildung und Forschung in einem Aktionsplan fest, der zum Ziel hat, das Interesse an MINT-Fächern zu steigern.

Der Innovationsdruck ist hoch, technische Fachkräfte werden darum dringend gebraucht, sagt Axel Plünnecke, Leiter des Clusters Bildung, Innovation, Migration am Institut der Deutschen Wirtschaft. Die Frage ist, ob Deutschland über ausreichend Fachkräfte verfügt. "Wenn das nicht der Fall ist, dann geht die Wettbewerbsfähigkeit ein Stück verloren. Oder Unternehmen müssen stärker auch in andere Regionen verlagern", befürchtet Plünnecke.

Automobilindustrie büßt an Attraktivität ein

Das Interesse an MINT wird durch verschiedene Faktoren beeinflusst. Der Rückgang der Studierendenzahlen ist einer davon, doch die weltberühmte Automobilindustrie des Landes durchlebt auch eine Zeit des Umbruchs. Beliebte Arbeitgeber wie BMW, Volkswagen und Mercedes Benz tun sich schwer, den Übergang zu Elektroautos zu vollziehen. "Die Menschen sind sich nicht sicher, ob sie in diesem Bereich arbeiten wollen", meint der Dekan Weiß. "Autos üben nicht mehr dieselbe Faszination aus wie früher."

Hamdi Zerguine ist Ingenieur aus Algerien und sucht Arbeit in DeutschlandBild: Peter Hille/DW

Immerhin, darauf weist Plünnecke hin, ist in den vergangenen Jahren die Zahl der Schüler gestiegen, die mit ihren Familien aus dem Ausland kamen. Die Sprachbarriere und die unzureichende Förderung dieser Schüler wirken sich ebenfalls negativ auf das Interesse an MINT-Fächern aus.

"Das ist sicherlich ein Versäumnis der Bildungspolitik", meint Plünnecke. Schließlich hätten Kinder aus anderen Ländern oft gute Chancen, gute Leistungen in MINT-Fächern zu erbringen: "Naturwissenschaftliche Gesetze sind weltweit identisch, Programmiersprachen sind weltweit identisch. Wenn man da Kenntnisse mitbringt, ist es einfacher, die auch anzuwenden."

Die unsichtbaren Einwanderer

Wie also die Lücke füllen? "Die Industrie muss im Ausland nach Ingenieuren suchen", sagt Weiß. Bis zu einem gewissen Grad tut sie das bereits. In den letzten Jahren sind viele Menschen aus technischen Berufen nach Deutschland zugewandert. Die Zahl der Ingenieure oder Computerfachkräfte mit indischem Pass wuchs in den vergangenen zehn Jahren zum Beispiel von 3800 auf 25.000, ein Anstieg um 558 Prozent.

Als indische Fachkraft in die deutsche Provinz

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"Da kann man schon sagen, da passiert was", meint Plünnecke. Die Zahlen sind höher, als vielen klar ist, fügt er hinzu, denn in Deutschland geht es in der öffentlichen Diskussion um Immigration häufig um Menschen, die aufgrund von Konflikten flüchten mussten.

Globaler Wettstreit um Arbeitskräfte

Auch Fachkräfte aus Ägypten, Tunesien und Marokko begegnet man in Deutschland immer häufiger. Trotzdem: "Die Vorstellung, dass per se alle Fachkräfte der Welt nach Deutschland kommen wollen, ist leider eine Illusion", betonte Deutschlands Arbeitsminister Hubertus Heil vergangenen November.

Gegenwärtig versucht die Regierung, das Einwanderungsverfahren für qualifizierte Kräfte zu vereinfachen. Bürokratische Hürden und die mangelnde Digitalisierung führen immer wieder dazu, dass ausländische Arbeitskräfte monatelang in ihren Heimatländern auf eine Arbeitserlaubnis warten müssen.

Für die Hersteller ist das ein Alptraum. Der Mangel an Arbeitskräften erhöht den Druck auf die vorhandenen Mitarbeiter, senkt die Produktivität und birgt das Risiko, Aufträge an die Konkurrenz zum Beispiel in China zu verlieren, wo man stark in den Ausbau der Maschinenindustrie investiert hat.

Daneben besteht natürlich immer die Gefahr, dass im eigenen Land ausgebildete Fachkräfte sich anderswo umsehen. Darum müsse Deutschland attraktiv bleiben, unterstreicht Plünnecke. "Denn es gehen auch Leute weg. Auch im Rest der Welt kann es schön sein."

Adaptiert aus dem Englischen von Phoenix Hanzo.

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