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Politik

Fachkräftezuwanderung? In Deutschland selten

4. November 2021

Deutschland gehen die Arbeitskräfte aus, doch nur 16 Prozent der Unternehmen werben ausländische Fachkräfte an. Eine Bertelsmann-Studie fragt nach den Gründen.

Migranten Symbolbild
Bild: Imago Images/E. Krenkel

Fast 34 Millionen Menschen sind in Deutschland in einem regulären Arbeitsverhältnis beschäftigt. Das ist ein neuer Rekord. Doch gleichzeitig nimmt die Zahl der unbesetzten Stellen weiter zu. Geburtenstarke Jahrgänge verabschieden sich in den Ruhestand und durch die demografische Entwicklung nimmt die Zahl der potenziellen Arbeitskräfte im typischen Berufsalter weiter ab. Immer mehr Unternehmen klagen über  einen Fachkräftemangel. Für die deutsche Wirtschaft ist er zu einem der größten Geschäftsrisiken geworden.

Wie sehr sich die Lage zuspitzt, zeigt eine aktuelle Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Civey, durchgeführt im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung. Von insgesamt 7500 befragten Unternehmen geben 66 Prozent an, dass sie nicht ausreichend Fachkräfte finden. Im Vorjahr hatten nur 55 Prozent damit gerechnet, dieses Jahr Engpässe zu haben.

Von Jahr zu Jahr wird es schwieriger

Die Lage unterscheidet sich je nach Branche, Region, Berufsbild und Qualifikation. Befragt man die Unternehmen, die unter einem Fachkräftemangel leiden, danach, wen sie am dringendsten suchen, verweist fast jede zweite Firma auf Personen mit abgeschlossener Berufsausbildung. Bei den Akademikern ist es jedes vierte Unternehmen. Mit Blick auf die Branchen zeigt sich, dass der Pflegebereich sowie der Gesundheitssektor insgesamt besonders stark vom Fachkräftemangel betroffen sind.

"Fakt ist: Deutschland gehen die Arbeitskräfte aus", warnte im August der Vorstandsvorsitzenden der Bundesagentur für Arbeit, Detlef Scheele. "Von der Pflege über Klimatechniker bis zu Logistikern und Akademikerinnen: Es werden überall Fachkräfte fehlen." Rund 400.000 Zuwanderer aus dem Ausland würden pro Jahr gebraucht, um die Lücken am Arbeitsmarkt zu schließen, so Scheele.

Höhere Löhne, viel Weiterbildung und Rücksicht auf die Familie

In der Praxis spielt Fachkräftezuwanderung in Deutschland aber bislang nur eine untergeordnete Rolle. Nur 16 Prozent der für die Bertelsmann-Studie befragten Unternehmen gaben an, im Ausland Arbeitskräfte anzuwerben. Die meisten versuchen, inländische Arbeitskräfte durch besonders attraktive Angebote anzulocken.


Lockmittel für Fachkräfte

03:05

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Die Sprache ist der größte Hemmschuh

Seit dem 1. März 2020 ist in Deutschland ein Gesetz in Kraft, das qualifizierten Fachkräften aus Nicht-EU-Staaten den Zuzug nach Deutschland erleichtern soll. Trotzdem scheuen viele Unternehmen davor zurück, ausländische Fachkräfte anzuwerben. Die Gründe sind vielfältig. Als Hauptgrund wird die Sorge vor der sprachlichen Verständigung angegeben und die Schwierigkeit, die Qualifikation der Bewerber richtig einschätzen zu können.

Ähnlich, in bestimmten Bereichen aber durchaus unterschiedlich fallen die Antworten von Unternehmen aus, die bereits ausländische Fachkräfte rekrutiert haben. Hier zeigt sich, dass manche Vorbehalte nicht unbegründet sind. Beispielsweise bei der sprachlichen Verständigung. Die bürokratischen Hürden stellten sich in der Praxis hingegen als weniger hoch dar, als sie zunächst erschienen.

Die Hürden werden kleiner

Die Bertelsmann-Stiftung vermutet, dass die politischen Bemühungen, die Zuwanderung von Fachkräften weiter zu verbessern, Früchte tragen. Beispielsweise durch das beschleunigte Fachkräfteverfahren, durch Sprachförderung und durch ein besseres Informationsangebot zur Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen. Aber: "Hürden zur Gewinnung ausländischer Fachkräfte bestehen trotz erheblicher Fortschritte weiterhin", warnt Matthias Mayer, Migrationsexperte der Bertelsmann-Stiftung.

Eine Aufenthaltserlaubnis ist mit vielen Behördengängen verbundenBild: picture-alliance/W. Rothermel

In der Studie gehen 67 Prozent der befragten Unternehmen davon aus, dass sie im kommenden Jahr über weniger Fachkräfte verfügen werden, als sie benötigen. "Fachkräfteengpässe verschärfen sich weiter und ein Ende ist nicht in Sicht. Wir als Gesellschaft brauchen nachhaltige Lösungen, um den demografischen Wandel und die sozial-ökologische Transformation zu meistern", so Mayer.

Transnationale Ausbildungspartnerschaften gewünscht

Es komme entscheidend darauf an, das Fachkräfteeinwanderungsgesetz konsequent umzusetzen. Dazu gehört für den Migrationsexperten auch, im Ausland erworbene Kompetenzen nachvollziehbarer zu machen und einfacher anzuerkennen.

Helfen könnten Ausbildungspartnerschaften zwischen Deutschland und anderen Ländern, die auch dazu beitragen könnten, das gegenseitige Verständnis von Betrieben und zuwanderungswilligen Arbeitskräften zu verbessern. Immerhin 57 Prozent der befragten Unternehmen fänden es hilfreich, wenn es mehr transnationale Vereinbarungen zur Vermittlung oder Ausbildung von Fachkräften gäbe.

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