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Fahndung nach Atommüll im Atlantik

27. Juni 2025

Jahrzehntelang kippten Staaten ihren Atommüll sorglos in den Atlantik. Doch die Fässer korrodieren schneller als gedacht. Wo genau der strahlende Abfall liegt, ist unklar. Ein Forscherteam ist auf der Suche.

Crew der bei der Arbeit an der Heckklappe (Juni 2025)
Die Crew der "L'Atalante" auf der Suche nach AtommüllBild: Flotte Océanographique Française/dpa/picture alliance

Mitte Juni ist die "L'Atalante" von Brest im Westen Frankreichs in See gestochen. An Bord: ein internationale Forschungsteam. Ihr Ziel: die Suche nach Atommüll-Fässern am Meeresgrund.

Dazu sind sie in einem Suchareal im Westeuropäischen Becken des Atlantiks unterwegs. Und schon jetzt ist den Wissenschaftlern ein bedeutender "Fang" gelungen. Wie eine Sprecherin der französischen Forschungsorganisation CNRS mitteilte, hat das Team bereits mehr als 1000 Fässer im Nordostatlantik entdeckt und verortet.

Forschungsschiff "L'Atalante" vor dem Ablegen in Brest (Mitte Juni)Bild: Sebastien Salom-Gomis/AFP/Getty Images

Insgesamt vier Wochen wollen die Experten nach strahlenden Abfällen am Meeresgrund fahnden und ermitteln, welchen Einfluss diese auf das örtliche Ökosystem haben. Mit dabei ist auch der Biochemiker Pedro Nogueira vom Thünen-Institut für Fischereiökologie in Bremerhaven im Norden Deutschlands: "Meine Aufgabe an Bord ist die Entnahme von Fischproben für radioaktive Messungen", schreibt er in seinem Blog direkt von Bord der "L'Atalante".

Der Bremerhavener Biochemiker Nogueira an Bord der "L'Atalante"Bild: Flotte Océanographique Française/NODSSUM cruise/Pedro Nogueira

Aufgabe des Teams sei die Kartierung der Atommüll-Lagerstätten. Die Forscher holen außerdem Meereslebewesen, Sedimente und Wasserproben vom Boden des Atlantiks. Ein Strahlenschutzteam an Bord führe die ersten Messungen durch. Damit sei sichergestellt, dass "keine Personen mit radioaktiven Substanzen kontaminiert werden, die seit 40 Jahren auf dem Meeresboden liegen", so Nogueira.

Hunderttausende Atommüll-Fässer landeten in den Meeren

Zwischen den 1950er- und 1980er-Jahren haben etliche Staaten nuklearen Abfall in den Weltmeeren versenkt - aus damaliger Sicht fernab der Küsten und von menschlicher Aktivität. Die Tiefen der Ozeane erschienen als günstige und einfache Lösung, um das zu entsorgen, was in der Industrieentwicklung und in Laboren anfiel - zumindest dort, wo der Ozean als geologisch stabil galt.

Von Greenpeace im Ärmelkanal entdecktes Atommüll-Fass (2000)Bild: Greenpeace/G.Newman

Über das Leben in den Weltmeeren wusste man damals wenig. Erst 1993 wurde die Entsorgung von Atommüll im Ozean schließlich untersagt. Mindestens 200.000 Fässer werden allein im Nordostatlantik vermutet - in 3000 bis 5000 Metern Tiefe.

Wo genau sich der Nuklearmüll befindet, ist nicht bekannt. Auch über den Zustand der Tonnen und darüber, ob sie einzeln oder in Gruppen liegen, weiß man nicht viel. Die 21 Forschenden an Bord der "L'Atalante" sind deshalb derzeit in dem Gebiet unterwegs, in dem wohl die Hälfte der Abfälle landete.

Tauchroboter UlyxBild: Flotte Océanographique Française/dpa/picture alliance

Unterstützung bekommen sie dabei vom autonomen Tauchroboter Ulyx. Das unbemannte U-Boot verfügt unter anderem über eine Kamera für 3D-Bilder und ein Sonarsystem zur Ortung von Gegenständen mit Schall.

Patrick Chardon, Leiter des Projekts NODSSUM (Nuclear Ocean Dump Site Survey Monitoring) geht davon aus, dass bei den allermeisten nuklearen Abfällen im Nordatlantik die Radioaktivität nach etwa 300 bis 400 Jahren quasi verschwunden sein dürfte.

Jedoch seien die Fässer damals so konzipiert worden, dass sie dem Druck der Tiefe standhalten, nicht aber so, dass sie die Radioaktivität wirklich einschließen. Schon seit längerem könnte Radioaktivität aus den Behältern entweichen, vermutet der Atomphysiker. Wie ernst die Lage ist, haben schon vor 25 Jahren Untersuchungen von Greenpeace gezeigt. Die Umweltschutzorganisation entdeckte im Ärmelkanal stark beschädigte Atommüllfässer.

AR/jj (dpa, CNRS, Thünen-Institut)

Redaktionsschluss: 17.00 Uhr (MESZ) - dieser Artikel wird nicht weiter aktualisiert.