Fahren E-Autos von VW mit "Konfliktmineralien" aus Afrika?
8. Oktober 2025
Die sogenannten 3TG-Rohstoffe - Tantalum, Tin, Tungsten, Gold (auf deutsch neben Gold: Tantal, Zinn, Wolfram) - sind für die Automobilindustrie von entscheidender Bedeutung bei ihrem Umstieg auf E-Antriebe. Die Materialien werden für den Bau von Verkabelungen, Beleuchtungskörpern, elektronischen Displays und vielem mehr gebraucht.
3TG-Mineralien sind langlebig, korrosionsbeständig und leiten hervorragend Strom. Daher sind sie bei Automobilherstellern in Europa und anderswo sehr begehrt. In Afrika verfügt die Demokratische Republik Kongo (DRK) über einige der weltweit größten Vorkommen dieser Mineralien. Ihre Vermarktung könnte dem zentralafrikanischen Land Wohlstand bringen.
Die aktuellen Gewinne aus dem Abbau von 3TG verschärfen jedoch die soziale Ungleichheit im Lande und tragen dazu bei, einen gewaltsamen Konflikt anzuheizen. Daher werden diese Mineralien oft als "Konfliktmineralien" bezeichnet.
Unter Verdacht
Laut einer investigativen Recherche der DW und des niederländischen Magazins De Groene Amsterdammer landen 3TG-Konfliktmineralien sehr wahrscheinlich auch in den Elektrofahrzeugen von Europas größtem Automobilhersteller: Volkswagen.
Auf Grundlage des VW-eigenen Responsible Raw Materials Report hat die DW festgestellt, dass mindestens sechs Unternehmen, die von der Demokratischen Republik Kongo und der Europäischen Union mit Konfliktmineralien in Verbindung gebracht werden, Teil der Lieferkette des deutschen Unternehmens sind.
Ein weiterer Lieferant, eine Goldraffinerie im Sudan, wurde bis vor Kurzem von einer bewaffneten Gruppe kontrolliert, die von den USA des Völkermords beschuldigt wird.
Komplexe Lieferketten
In einer per E-Mail versendeten Erklärung wollte ein VW-Sprecher weder "mit absoluter Sicherheit bestätigen noch ausschließen", dass der Autohersteller aus diesen Quellen beliefert wird. Ihr Erscheinen im Rohstoffmeldesystem von VW bedeute nicht, "dass sie notwendigerweise Teil unserer Lieferkette sind", heißt es in der Erklärung.
Zu den von der DW identifizierten Quellen gehören die Malaysia Smelting Corporation, Thaisarco aus Thailand und die chinesische Yunnan Tin Company sowie für Tantal die Ningxia Orient Tantalum Industry, ebenfalls aus China. Für Gold identifizierte die DW die Gasabo Gold Refinery in Ruanda und die African Gold Refinery in Uganda als Herkunftsfirmen.
"Der Volkswagen Konzern unterhält keine direkten Geschäftsbeziehungen zu den aufgeführten Unternehmen oder Minen", heißt es in der Erklärung. Verantwortlich für die möglichen Verbindungen sei die "Komplexität globaler Lieferketten". Volkswagen ist der einzige große europäische Automobilhersteller, der Einblick in die Herkunft seiner 3TG-Metalle gewährt.
Diese Transparenz hat eine Analyse ermöglicht, während andere Automobilhersteller wie Mercedes-Benz, BMW, Renault und Stellantis (dazu gehören u.a. die Hersteller Fiat, Alfa Romeo, Ferrari, Citroën, Opel und Vauxhall) nicht öffentlich darüber sprechen, woher die 3TG-Metalle in ihren Autos stammen.
Sasha Lezhnev, leitender Politikberater der investigativen Nachrichtenplattform The Sentry in Washington, D.C., ist der Ansicht, die Automobilindustrie schenke den Geschehnissen im Kongo "nicht genügend Aufmerksamkeit", wie er der gegenüber der DW sagte.
Auch Apple beschuldigt
Volkswagen, Europas größter Automobilhersteller, strebt an, dass bis 2030 mindestens 70 Prozent der in Europa verkauften Autos elektrisch sind. Das bedeutet mehr Elektronik, mehr Verkabelung und damit auch mehr 3TG-Metalle.
Am Beginn der Lieferkette steht meist die Demokratische Republik Kongo. Doch sie ist von Gewalt erschüttert, insbesondere im rohstoffreichen Osten des Landes an der Grenze zu Ruanda. Mineralien werden aus dem Osten der DRK nach Ruanda geschmuggelt, wo sie mit der lokalen Produktion vermischt und in alle Welt exportiert werden, wie Experten der Vereinten Nationen sagen.
Ihnen zufolge verdient die von Ruanda unterstützte Rebellengruppe M23 damit monatlich rund 800.000 US-Dollar. Um dieses System aufzudecken, reichte die Demokratische Republik Kongo in einem richtungsweisenden Verfahren im Jahr 2024 Strafanzeige gegen den amerikanischen Tech-Riesen Apple ein, einen der größten Verbraucher von 3TG-Mineralien. Die DRK warf dabei dem Smartphone-Hersteller Mittäterschaft im Handel mit Konfliktmineralien vor. Apple bestritt die Vorwürfe.
Die DW fand heraus, dass vier Zinn- und Tantalminen, die in der Strafanzeige der Demokratischen Republik Kongo in Belgien wegen ihrer Verbindungen zu geschmuggelten Mineralien genannt werden, auch auf der 3TG-Lieferantenliste von VW stehen.
Dazu gehören die Malaysia Smelting Corporation, Thaisarco, die Yunnan Tin Company und die Ningxia Orient Tantalum Industry. Die Lieferkette von VW umfasst laut EU auch Gold von der Gasabo Gold Refinery in Ruanda und der African Gold Refinery in Uganda, die aus der DRK geschmuggeltes Gold verarbeitet haben. Die ehemalige Raffinerie wurde Anfang 2025 von der EU sanktioniert.
In den Jahren 2023 und 2024 umfasste die Lieferkette von Volkswagen auch Gold von der Sudan Gold Refinery in Khartum, die damals von der sudanesischen paramilitärischen Gruppe Rapid Support Forces (RSF) kontrolliert wurde. Die Gruppe wurde von den USA des Völkermords beschuldigt.
"Das bedeutet, dass die Lieferkette von Volkswagen mit Konfliktgold verunreinigt ist und ein großes Risiko besteht, dass das Unternehmen diese Konflikte indirekt finanziert", sagt Marc Ummel, Rohstoffforscher bei der Schweizer Non-Profit-Organisation Swissaid. "Es ist sehr überraschend und enttäuschend, dass [VW] einige der schlimmsten und berüchtigtsten Schmelzhütten der Welt in seiner Lieferkette hat", sagte er gegenüber der DW.
Lückenhaftes Zertifizierungssystem
Unternehmen, die 3TG benötigen, nutzen Initiativen der Responsible Minerals Initiative (RMI), um ihre Beschaffungspolitik zu überprüfen. Minen- und Hüttenbetriebe lassen ihre Verfahren von unabhängigen Prüfstellen begutachten. Ist alles in Ordnung, erhalten sie eine positive Bewertung der RMI.
Auch Volkswagen ist Mitglied der RMI. In seinem Verhaltenskodex schreibt VW vor, dass seine Lieferanten nur Rohstoffe von Hütten und Raffinerien verwenden dürfen, die ein entsprechendes Audit vorweisen können.
Doch nicht alle Lieferanten halten sich daran. Von den 344 Unternehmen, die Volkswagen im Jahr 2024 mit 3TG-Mineralien belieferten, wurden nur 61 Prozent von der RMI bewertet. Und ihre Zahl ist rückläufig. Einige Unternehmen legen überhaupt kein Qualitätszertifikat vor.
VW gibt an, die Zusammenarbeit mit RMI-geprüften Unternehmen sei ein "Ziel". Lieferanten würden "ermutigt und unterstützt", die Bewertung anzustreben. Die EU hat 2021 Regeln zur Überwachung der Einfuhr von 3TG-Metallen erlassen, doch laut einer Studie der EU-Kommission hatte das bisher keine Auswirkungen auf die Situation im Kongo.
Nur Direktimporteure der Materialien in die EU müssen die neuen Regeln einhalten. Da Unternehmen wie Volkswagen die Materialien oft nicht selbst importieren, gelten die Regeln für sie nicht unmittelbar. In Deutschland hat sich die aktuelle Regierung in ihrem Koalitionsvertrag für 2025 verpflichtet, "übermäßige Regulierungen" von Konfliktmineralien durch die EU zu verhindern.
Dieser mit Unterstützung des 'Journalismfund Europe' realisierte Beitrag wurde aus dem Englischen adaptiert.