Faktencheck: Abschiebungen aus den USA immer krasser?
10. Juli 2025
Unter der zweiten Amtszeit des US-amerikanischen Präsidenten Donald Trump wurde die Rolle der US-Einwanderungsbehörde ICE ausgeweitet. Trump rief den "nationalen Notstand" an der Südgrenze der USA aus und beendete die sogenannte "Catch-and-Release"-Praxis, bei der illegale Einwanderer aufgehalten und registriert wurden, dann aber weiterreisen durften, bis über ihr Asylgesuch entschieden wurde.
Seitdem Trump am 20. Januar das Präsidentenamt antrat, hat ICE die Anzahl der Festnahmen und Abschiebungen erhöht.Laut Angaben des US-Heimatschutzministeriums DHSwurden innerhalb der ersten 100 Tage seiner Amtszeit 142.000 Menschen abgeschoben. Andere Quellen widersprechendiesen Zahlen.
Diese verschärften Maßnahmen - inklusive Razzien am Arbeitsplatz und Trennungen von Familien - haben vielerorts Proteste ausgelöst. Anfang Juni kam es nach ICE-Razzien zu gewaltsamen Auseinandersetzungen in Los Angeles.
Diese Abschiebungen sind auch in den sozialen Medien ein heiß diskutiertes Thema. Doch einige virale Videos und Posts verbreiten unbelegte, irreführende und falsche Behauptungen.
Das DW-Faktencheck-Team hat sich drei besonders virale Behauptungen angeschaut.
Abschiebeflüge: Werden Menschen aus Flugzeugen ins Meer geworfen?
Behauptung: Eine Frau behauptet in einem TikTok-Video,das bereits über 800.000-mal angeschaut wurde: "Sie schmeißen die Abgeschobenen aus den Flugzeugen und ins Meer." Leute hätten Flugrouten verfolgt und gesehen, dass die Flugzeuge Kurs aufs offene Meer genommen und dann zurückgeflogen seien. "Eine Familie in Italien hat die Körper von fünf gefesselten Menschen gesehen, die ans Ufer gespült wurden." Diese Behauptungen wurden in den letzten Tagen vielfach in den Sozialen Medien geteilt.
DW Faktencheck: Unbelegt
Zwar stimmt es, dass ICEMenschen in Abschiebeflugzeugen fesselt - allerdings gibt es bislang keinerlei Beweise dafür, dass Menschen aus Flugzeugen geworfen wurden. Zwar ist es möglich, Flugverkehr über Dienste wie Flightradarzu verfolgen, jedoch gibt es keine öffentlich verfügbare App, die Abschiebeflüge in Echtzeit anzeigt.
Die Nichtregierungsorganisation Witness at the Borderbeobachtet die US-Politik an den Grenzen genau und hat US-Abschiebeflüge seit der COVID-Pandemie mithilfe von öffentlich zugänglichen Online-Datenbanken verfolgt. Aktivist Tom Cartwright dokumentiert regelmäßig, wo und wie oft Abschiebeflüge stattfinden. Diese Informationen gelten als wertvolle Quellen für große Nachrichtenportale,da die US-Einwanderungsbehörde selbst solche Daten nicht regelmäßig herausgibt. Für manche gilt Cartwright als die Anlaufstelle für ICE-Flüge,andere haben ihn als "führenden Experten"bezeichnet.
Auf die Frage der DW, ob Flugverfolgungsdaten genutzt werden könnten, um die Behauptung zu untermauern, Abgeschobene würden aus ICE-Flügen ins Meer geworfen, erwidert Cartwright: "Diese Videos haben keinerlei Substanz. Ich habe über 40.000 ICE-Flüge über einen Zeitraum von fünfeinhalb Jahren verfolgt und dabei niemals etwas gesehen, dass auch nur ansatzweise solch unechte Behauptungen bestärkt."
Auch konnten wir keine aktuellen Nachrichtenberichte über gefesselte Leichen finden, die in Italien ans Ufer gespült wurden.
In Spanien wurden letzten Monat fünf Totemit gefesselten Händen und Füßen gefunden - doch handelte es sich dabei wahrscheinlich umMigranten aus Nordafrika, die versuchten, nach Europa zu gelangen.
Verschiedene Bilder von Migranten und Flüchtlingen
Behauptung: Ein virales TikTok-Videostellt ähnliche Behauptungen auf und zeigt sechs Fotos, die angeblich aktuelle US-Abschiebungen zeigen sollen.
DW Faktencheck: Irreführend
Verschiedene Bilder-Rückwärtssuchen (hier, hier, hier und hier) zeigen,dass lediglich drei der sechs gezeigten Fotos eine Verbindung zu ICE-Abschiebungen in den USA haben. Die unteren drei wurden aus dem Kontext gerissen und stammen nicht aus den USA.
Das unterste Foto wurde am 11. Februar 2020 in Bangladesch aufgenommenund zeigt Rettungskräfte in blauen Anzügen, die die Leiche eines Rohingya-Flüchtlings tragen, der bei einem Bootsunglück ums Leben kam.
Das Foto darüber zeigt 74 Leichen, die von der Hilfsorganisation Roter Halbmond am 20. Februar 2017 in Zawiya, Libyen, geborgen wurden.
Das dritte Foto (von unten) wurde am 14. Februar 2023 im libyschen Qasr al-Akhyar aufgenommen und zeigt die Schuhe von Migranten, die nach dem Kentern ihres Bootes verstorben waren.
Die oberen drei Fotos stehen tatsächlich in Verbindung mit den diesjährigen Abschiebungen in den USA.
Das größte Foto wurde am 4. Februar 2025 vom DHS veröffentlicht und zeigt einen Mann, der gefesselt in ein Frachtflugzeug geführt wird. Er war angeblich Mitglied der kriminellen Organisation Tren de Aragua und wurde nach Guantanamo Bay abgeschoben.
Ein weiteres Foto, aufgenommen am 23. Januar 2025 in Fort Bliss, Texas, zeigt gefesselte Migranten ohne Papiere kurz vor einem Abschiebeflug mit einem C-17 Globemaster III.
Das letzte Foto, datiert auf den 5. Februar 2025, zeigt eine ICE-Festnahme in einem Wohnkomplex in Denver, Colorado.
Ein Video, das angeblich eine ICE-Razzia zeigt, ist KI-generiert
Behauptung: Ein TikTok-Post,der bislang über zwei Millionen Mal angeschaut wurde, zeigt angeblich einen Bericht des Nachrichtensenders FOX. Zu sehen sei eine ICE-Razzia auf den Feldern einer Farm, bei der Migranten festgenommen werden..
DW Faktencheck: Fake
Dieses Video wurde von einem TikTok-Account geteilt, der dafür bekannt ist, KI-generierte Inhalte über ICE zu veröffentlichen. Viele dieser Videos ähneln traditionellen Nachrichtensendungen - Fälschungen, die immer häufiger auftreten.
Bei genauer Betrachtung des Videos fallen Ungereimtheiten und unlogische Sprünge auf: Menschen scheinen beispielsweise durch andere Personen hindurchzulaufen; Teile des Videos werden unscharf, wirken unnatürlich und zeigen technische Fehler, etwa wenn Personen hinfallen. In Sekunde 3 verschmelzen mehrere Menschen zu einer einzigen Masse.
Der ICE-Beamte läuft dann an einer Gruppe von Menschen vorbei, die er wenige Sekunden zuvor noch verfolgt hatte. Auch die Tonspur passt nicht zum gezeigten Bildmaterial. In der unteren rechten Ecke erscheint das Wasserzeichen "Veo" - ein klarer Hinweis darauf, dass das Video mithilfe von Googles KI-Video-Generator erstellt wurde.
Dieser Artikel wurde aus dem Englischen adaptiert von Sarah Steffen.