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Fake News: "Alles hinterfragen!"

Benjamin Bathke
15. Januar 2017

Facebooks Plan, Falschmeldungen mit Fact-Checking-Organisationen zu bekämpfen, ist nicht neu: Ein deutsches Onlineportal widerlegt Gerüchte bereits seit Februar. Wir haben mit der Gründerin von Hoaxmaps gesprochen.

Facebook Fake News-Optionen
Bild: picture-alliance/AP Photo/Facebook

Der Kampf gegen sogenannte Fake News, Falschmeldungen im Internet, geht in die nächste Runde: Um der Verbreitung von gefälschten Nachrichten Einhalt zu gebieten, hat Facebook letzte Woche eine Partnerschaft mit Fact Checking-Organisationen  bekanntgegeben.

Sobald genügend Nutzer einen Artikel als falsch markieren, benachrichtigt Facebook seine Partner, die die Geschichte dann auf ihren Wahrheitsgehalt prüfen. Gefälschte Geschichten werden dann als solche gekennzeichnet und mit einem Link zu einem Artikel versehen, der belegt, dass die Nachricht gefälscht ist. Facebook bezeichnete diese Updates als "Tests".

Das Online-Magazin Slate hat ein ähnliches Projekt gestartet: Ein neues Plug-in für Googles Webbrowser Chrome namens "This Is Fake"verlinkt fragwürdige Geschichten direkt mit einem Artikel einer seriösen Quelle. Das Plug-in fordert Nutzer außerdem dazu auf, den "Beweis-Artikel" als Kommentar zu dem widersprüchlichen Post zu teilen.

Dabei ist die Idee, Gerüchte mit Links zu verlässlichen Quellen zu bekämpfen, keineswegs neu: Bereits seit Februar geht das Online-Portal Hoaxmap einen ähnlichen Weg wie Facebook und Slate. Auf einer interaktiven Karte werden Gerüchte und Fake News über Flüchtlinge und Migranten mit externen, verlässlichen Quellen verlinkt, um die Falschnachricht so möglichst öffentlichkeitswirksam zu widerlegen. In zehn Monaten sind so mehr als 430 Fälle von vermeintlicher Körperverletzung, Brandstiftung und fahrlässiger Tötung zusammengekommen.

Im DW-Gespräch erzählt die Hoaxmap-Gründerin Karolin Schwarz, warum Falschnachrichten so oft geteilt werden, welche Sorgen ihr Breitbart macht und wie man Fake News erkennt.

DW: Frau Schwarz, wie kam es dazu, dass Sie Hoaxmap lanciert haben?

Karolin Schwarz: Während meiner ehrenamtlichen Tätigkeit in einer Flüchtlingsunterkunft wurde ich fast täglich Zeuge von unbegründeten Gerüchten über Flüchtlinge, die von Alt-Right- (Anm. der Red.: loser Zusammenschluss von Rechtsextremisten, Rechtsradikalen und anderen Rechten in den USA) und Neonazi-Webseiten verbreitet wurden. Ich dachte mir: 'Wir müssen öffentlich zeigen, dass Gerüchte und Fake News über Flüchtlinge auf Social Media bewusst genutzt werden, um den politischen Diskurs zu vergiften.' Wir wollen auch auf die wichtige Rolle von Fact Checking aufmerksam machen. Bis zu Trumps Wahl wurde der Überprüfung von Fakten in Deutschland nämlich nicht viel Aufmerksamkeit geschenkt.

Hoaxmap-Gründerin Karolin SchwarzBild: Privat

Gerüchte und Fake News werden üblicherweise häufiger geteilt als "echte Nachrichten". Gibt es Ausnahmen?

Bei einem der widerlegten Gerüchte geht es um Flüchtlinge, die angeblich einen Supermarkt ausrauben. Der Besitzer reagierte schnell: Er stellte ein Schild vor seinem Laden auf, auf dem stand, dass der vermeintliche Zwischenfall unwahr ist.

Zudem postete er darüber auf Social Media. Dieser Post wurde viel öfter als der ursprüngliche Fake Post geteilt. Aber Fälle wie dieser sind selten.

Eine Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung  zeigt, dass eine Mehrheit der Deutschen zwar demokratische Ideale und den Pro-Flüchtlingskurs der Regierung unterstützt, sich gleichzeitig aber eine wachsende Minderheit radikalisiert, die auch Falschnachrichten eher Glauben schenkt und teilt.

Das stimmt. Und wenn diese Leute sich erst einmal radikalisiert haben, ist es schwer, sie mit Fakten zu erreichen. Viele von ihnen leben in einer alternative Realität, in der die klassischen Medienhäuser keine Rolle mehr spielen. Sie informieren sich über Alt-Right- oder Neonazi-Webseiten, die ihre Nachrichten auch gut ohne Facebook verbreiten können. Ein verbannter Facebook-Nutzer kann beispielsweise auf Webseiten wie dem russischen Portal VK.com, das von vielen deutschen Neonazis genutzt wird, seinen Hass verbreiten. Da diese Alt-Right-Anhänger diesen Meldungen so oder so glauben, versuchen wir primär jene Nutzer zu erreichen, die sich nicht sicher sind, ob eine fragwürdige Meldung wahr ist oder nicht.

Ein prominentes Gerüchtopfer auf Hoaxmap.org ist Jürgen Kasek, der Vorstand der Grünen in Sachsen.

Ja. Im Juli hat der Leipziger Pegida-Ableger Legida Kasek auf Facebook beschuldigt, hinter einer Attacke auf einen ihrer Ordner zu stecken. Leute versammelten sich vor Kaseks Haus, beschimpften ihn und drohten ihm mit Gewalt. Außerdem bekam er 200 Hasskommentare auf Facebook, seine Privatadresse und die von seinen Angehörigen wurden geteilt. Nachdem Kasek Legida angezeigt hatte, wurde der Facebook-Post entfernt. Legida erklärte, derartige Anschuldigungen in Zukunft zu unterlassen. Kaseks Fall ist besonders besorgniserregend, weil er zeigt, dass sich ein in Minuten gestreutes Gerücht rasend schnell verbreiten kann, und dass Menschen dabei wirklich zu Schaden kommen können.

Sreenshot der Website hoaxmap.orgBild: hoaxmap

Was für Gemeinsamkeiten und Unterschiede gibt es zwischen Deutschland und den USA, wenn es um Gerüchte und Fake News geht?

In beiden Ländern gibt es Alt-Right- und Facebook-Seiten sowie Privatpersonen, die Fake News verbreiten. Aber im Gegensatz zu Deutschland existieren viele Seiten in den USA nur deshalb, um mit Falschnachrichten Geld zu machen. In beiden Ländern scheint ein wesentlicher Teil der Bevölkerung sich nicht um die Wahrheit zu scheren. Und es gibt auch Politiker auf beiden Seiten des Atlantiks, die Meldungen verbreiten ohne vorher zu prüfen, ob etwas an ihnen dran ist. Hierzulande sind das vor allem Politiker der AFD. Insgesamt gesehen gibt es in Deutschland zwar weniger Fake News, aber ich befürchte, dass mit der Expansion von der rechtskonservativen Webseite Breitbart und anderen Fake- und Alt-Right-Seiten nach Europa es künftig viel mehr davon geben wird.

Wie kann man Gerüchte am besten entlarven?

Grundsätzlich sollte man Geschichten hinterfragen, die man über mehrere Ecken zu hören bekommt. Die Frage nach Details wie der Quelle reicht oft, um ein Gerücht zu entlarven. Man sollte auch den Zweck und die Authentizität suspekter Dokumente hinterfragen, zum Beispiel gefälschte Briefe, mit denen Anwohner aufgefordert werden, ihre Wohnungen für Flüchtlinge zu räumen. Das gleiche gilt für aus dem Zusammenhang gerissene Fotos auf Social Media wie jenes, das Flüchtlinge beim Durchwühlen von Klamotten zeigt. Es soll den falschen Eindruck vermitteln - dass Flüchtlinge Unterstützung nicht respektieren.

Karolin Schwarz studierte Ethnologie und Afrikanistik. Beruflich ist sie seit sieben Jahren im Bereich Community Management tätig. Derzeit arbeitet sie als Social Media-Redakteurin. Für Hoaxmap.org war sie dieses Jahr für den Grimme Online Award nominiert.

 Das Interview führte Benjamin Bathke.

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