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Politik

Der Erfolg gefälschter Nachrichtenportale

2. September 2022

Die Seite sieht echt aus, ist es aber nicht. Gefälschte Nachrichtenseiten bekannter Medienmarken dienen als Vehikel für eine neue Welle von Fake News und russischer Propaganda. Wie Verlage sich dagegen wehren.

Megaphon mit Sprechblase FAKE NEWS
Lauter, schriller, raffinierter: In der Flut der Nachrichten wird es immer schwieriger, zwischen richtigen und falschen Inhalten zu unterscheidenBild: M. Gann/picture alliance/blickwinkel/McPHOTO

Ein Teenager, der vom Fahrrad fällt und stirbt, weil er ohne Straßenbeleuchtung in der Dunkelheit die Löcher im Asphalt nicht gesehen hat.Ukrainer, die angeblich mit europäischen Hilfsgeldern Wohnungen in Russland kaufen. Oder eine merkwürdige Gasexplosion in einer Bremer Schule, verursacht durch Einsparungen. 

All diese Falschmeldungen zirkulierten in der vergangenen Tagen im Netz. Das Besondere daran: Sie erschienen auf nachgebauten Nachrichtenportalen wie spiegel.de, welt.de, bild.de und t-online. Die Unterscheidung vom Original ist oft kaum möglich.

Gleicher Rahmen, anderer Inhalt: Wie über das gefälschte Portal von bild.de falsche Nachrichten transportiert werden

Marken missbrauchen, Misstrauen sähen

"Den Nachbau von Webseiten und die Verbreitung von Fake News und Propaganda über scheinbar seriöse Medien, deren Marke missbraucht wird, hat es so in Deutschland noch nicht gegeben", erklärt der Experte Felix Kartte, Leiter der Initiative Reset, einer NGO, die sich für demokratische Regulierung von Tech-Konzernen einsetzt.  

Journalist Lars Wienand, der die jüngste prorussische Desinformationskampagne in einem Beitrag für t-online aufdeckte, fand mehr als 30 solcher gefälschter Seiten. Dem Portal gelang es, dem Spuk relativ schnell ein Ende zu setzen.

"Wir haben es am 26. August gesehen und sofort den Host in den Niederlanden angeschrieben. Am 29. August war die Seite weg", so Wienand im DW-Gespräch. "Allerdings tauchte sie kurz danach wieder in Kolumbien wieder auf."

Doch inzwischen konnte auch dort die Seite dauerhaft vom Netz genommen werden. Wienand: "Die Kollegen haben das lösen können mit Hilfe des IT-Dienstleisters Cloudflare und dem Unternehmen, bei dem die Seite registriert worden war."  

Kein Impressum, kein Kontakt

Leider sind solche Erfolge eher selten. Viele Medienhäuser scheitern bei der Kontaktaufnahme. "Da gefälschte Webseiten prinzipiell nie ein Impressum aufweisen", sagt Wienand, gebe es keine Adressen und Ansprechpartner. Bei einem Host außerhalb Europas sei juristisches Vorgehen meist aussichtslos. 

Diese Erfahrung hat man auch beim Axel Springer Verlag gemacht. "Leider lassen sich die Urheber fast nie feststellen", heißt es in einem Statement des Verlags. "In der Regel prüfen wir, ob sich rechtlich dagegen etwas ausrichten lässt und veranlassen je nach Erfolgsaussicht eigene Maßnahmen oder beauftragen externe Kanzleien zur Durchsetzung unserer Ansprüche."

Der Spiegel Verlag suchte den Kontakt zu seinen Nutzerinnen und Nutzer. Er informierte in einem eigenenBeitrag über die nahezu perfekt gefälschten Nachrichtenseiten im Spiegel-Design mit prorussischer Propaganda. 

"Grundsätzlich sind wir sehr zurückhaltend mit der Berichterstattung über nachgebaute Seiten, da in der Regel dubiose, kommerziell motivierte Interessen dahinterstehen, die wir nicht mit der Aufmerksamkeit unserer Leserinnen und Leser belohnen wollen", erklärte dazu der Verlag. Bei der aktuellen Fake News-Kampagne überwiege jedoch der "Aufklärungsauftrag".

Margrethe Vestager, EU-Kommissarin für Wettbewerb und Digitales, will Plattformen stärker kontrollierenBild: Olivier Matthys/AP/picture alliance

Rettung durch "Digital Services Act"?

Diese Ohnmacht gegenüber immer neuen Fake News Wellen im Netz könnte demnächst verfliegen. Davon ist jedenfalls Experte Felix Kartte überzeugt. "Das wäre ein schöner Anwendungsfall für denDigital Services Act (DSA)", erklärt er. 

Die am 5. Juli dieses Jahres vom EU-Parlament verabschiedete Verordnung verpflichtet Plattformen unter anderem dazu, Vorbeugung, Monitoring und Reaktion auf Desinformationskampagnen zu verschärfen. Sie tritt vermutlich im Herbst in Kraft und muss dann von den EU-Mitgliedsstaaten umgesetzt werden. 

Felix Kartte ist sich sicher: "Wenn der DSA schon in Kraft wäre, hätten Medienverlage effektivere Beschwerdemöglichkeiten gegenüber den Plattformen gehabt und die Fake-Seiten wären heruntergenommen worden." Medien hätten deshalb Interesse an einer Umsetzung, denn dies würde dazu führen, dass Fake Seiten schneller gelöscht und in der Reichweite gedrosselt würden.

Auch das französische Nachrichtenportal "20minutes.fr" wurde für die Verbreitung von Falschnachrichten missbraucht

Flucht in die Nische

Beim Spiegel-Verlag hofft man darauf, dass sich durch den Digital Services Act "die Rechtsdurchsetzung zukünftig zumindest in Hinblick auf Inhalte vereinfacht, die über die großen Plattformen verbreitet werden".

Allerdings habe sich in der Vergangenheit aber auch immer wieder gezeigt, "dass Anbieter rechtsverletzender Inhalte meist doch Nischen finden, über die sie ihr Publikum weiter bedienen, sich zugleich aber einem effektiven regulatorischen Zugriff entziehen können", so ein Verlagssprecher.

Factchecking für Fälscher

Auch wenn die Welle gefälschter Nachrichtenseiten in Deutschland bisher ungekannte Ausmaße angenommen hat - das Phänomen ist nicht neu. In Schweden bekam bereits das 2018 von fünf Verlagen gegründete Portal für Factchecking "Konkurrenz" von einem gefälschten Imitat.

Faktencheck: Wie erkenne ich Fake News?

04:16

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Josef Holnburger von der Organisation Cemas , die digitale Plattformen zu Themen wie Verschwörungsideologien und Rechtsextremismus auswertet, plädiert dafür, Gruppen oder Personen, die Desinformationskampagnen betreiben, ganz den Zugang zu interaktiven Plattformen zu verweigern.

 

Holnburger: "Deplattforming wirkt! Wenn solche Akteure von einer Plattform wie YouTube verschwinden, haben sie nicht mehr die Reichweite wie zuvor: Zwar können sie sich auf anderen Plattformen wieder neue Accounts erstellen - oft bleiben sie dort dann aber nur noch unter sich."

Unter Mitarbeit von Janosch Delcker und Jan D. Walter.

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