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Politik

Fake News: Sorgen größer als Wirkung

29. Oktober 2017

Gezielte Falschmeldungen könnten die Bundestagswahl 2017 beeinflussen - davor warnte anfangs sogar der Verfassungsschutz. Doch der große Knall blieb aus. Trotzdem hat der Hype um Fake News Spuren hinterlassen.

Das Wort "Fake News" im Duden
Bild: Picture alliance/dpa/J. Kalaene

Fast jeder Dritte glaubt, dass Fake News einen großen Einfluss auf die Bundestagswahl am 24. September hatten. Zu diesem Ergebnis kommt die in Berlin ansässige "Stiftung Neue Verantwortung" (SNV). In ihrem Auftrag hat das Kantar-Public-Institut für Politik- und Sozialforschung in der Woche nach der Wahl eine repräsentative Telefon-Befragung durchgeführt. Dabei ging es auch um die Nutzung und Glaubwürdigkeit unterschiedlicher Medien einschließlich sozialer Netzwerke sowie parteipolitische Präferenzen.

Das Ergebnis der Befragung ist überraschend, denn schon in den letzten Wochen vor der Bundestagswahl gaben Sicherheitsbe­hörden und Medienwissenschaftler Ent­warnung. Ihr gemeinsamer Befund: Weder habe es die eine große "Fake News" noch eine Schwemme mit großem Einfluss auf den Wahlkampf gegeben.

Ein Schwamm, der vieles aufsaugt

Dass die Angst vor absichtlich gestreuten Falschmeldungen in der Bevölkerung dennoch größer ist als ihre tatsächlichen Auswirkungen, scheint aber nur auf den ersten Blick ein Zerrbild zu sein. So schätzt es Alexander Sängerlaub ein, der das SNV-Projekt "Measuring Fake News" leitet. Er sieht einen Zusammenhang zwischen der Aufregung um mögliche Desinformation im Wahlkampf und der begleitenden Berichterstattung.

Fake-News-Forscher Sängerlaub: " Teils sehr dramatisiert geführte Debatte"Bild: DW/N.Jolkver

Dabei spielten die Eindrücke aus dem US-Wahlkampf 2016 eine große Rolle. Allerdings sei selten zwischen den verschiede­nen Bedeutungen des Phänomens "Fake News" in den USA und Deutschland differenziert worden. "In der - teils sehr dramatisiert - geführten Debatte hat man nie wirklich geschafft, die Phänomene für Europa und die USA zu trennen", sagt Sängerlaub. Selbst in den USA sei die Frage, wie groß der Einfluss von Fake News auf die Wahl gewesen sei, noch nicht abschließend beantwortet. Der Begriff "Fake News" sei für viele noch immer wie ein Schwamm, "der alles mögliche aufsaugt".

Der lange Schatten des Donald Trump

US-Präsident Donald Trump und andere Populisten würden ihn als Kampfbegriff gegen die ihnen gegenüber kritischen Medien nutzen. Dazu zählen der TV-Sender "CNN" oder die "New York Times". In der deutschen Debatte hingegen werde der Begriff zuweilen mit "Hate Speech" in sozialen Netzwerken vermischt. Und diese begriffliche Konfusion finde ihre Fortsetzung im Begriffsverständnis der unterschiedlichen Wählergruppen.

Wer die Medien für nicht glaubwürdig halte und AfD wähle, werde unter "Fake News" wohl eher - wie Donald Trump - die "Berichterstattung der Systempresse" verstehen, vermutet Sängerlaub. Deshalb ist es für ihn auch kein Wunder, dass AfD-Wähler am stärksten den Eindruck hätten, "dass es besonders viele 'Fake News' in der Öffentlichkeit gibt". Im Durchschnitt sind es 61, bei den Rechtspopulisten 72 Prozent.

In den Echokammern der AfD schlägt ein anderer Rhythmus

"Was sagt uns das alles über den Einfluss von Fake News?", lautet nun eine Frage in der Analyse der Berliner Denkfabrik. Die Antwort: "Sie wirken vor allem dort, wo sie geglaubt werden sollen und wo sie dazu beitragen, die verzerrte Realität zu zeichnen, die politisch gewollt ist." In dieser konstruierten "Ersatzrealität" seien es dann die Flüchtlinge, "die ungebildet, massenhaft hier einwandern, Straftaten begehen und vom Staat auch noch alimentiert werden". In dieser Logik argumentiere vor allem die AfD und erreiche in den Echokammern sozialer Medien sowie in rechtspopulistischen Blogs und auf entsprechenden Nachrichtenseiten ihre Wähler. 

Wie groß der Unterschied zwischen AfD-Wählern und allen anderen ist, zeigt sich in der Befragung zu Fake News besonders deutlich bei einem Vergleich mit Grünen-Wählern, die eher selten Falschmeldungen für wahr halten. Die große Diskrepanz lässt sich nicht nur, aber  auch mit der verschiedenartigen Medien-Nutzung erklären. Denn die Nutzung sozialer Medien spielt bei AfD-Wählern offenkundig eine wesentlich wichtigere Rolle als bei jenen mit anderen Partei-Präferenzen. Auffällig auch, dass 17 Prozent der AfD-Wähler auf jegliche medial vermittelte Wahlkampf-Informationen verzichtet haben.

Steter Tropfen höhlt den Stein - auch bei Fake News

Woher deren Glaube an den Einfluss von Fake News auf die Bundestagswahl herrührt, dafür finden sich in der Analyse der Stiftung Neue Verantwortung keine Hinweise. Aber eine Erklärung für die insgesamt überschätzte Bedeutung von Fake News liefert das Team um Alexander Sängerlaub. Demnach spielt die dauerhafte mediale Präsenz des Themas mit Fokus auf den USA eine große Rolle. Wenn Themen permanent in den Medien auftauchten, werde ihnen zwangsläufig eine Bedeutung eingeräumt. Das sei eine klassische Erkenntnis des sogenannten "Agenda Settings", also der gezielten Setzung von Themen.

Suchanfragen zu "Fake News" bei "Google Trends" hätten mitten im Wahlkampf weitaus höhere Trefferzahlen ergeben als Suchbegriffe wie "soziale Gerechtigkeit" oder "Mietpreisbremse". Man könnte es auch so formulieren: Dinge, die den Parteien und wohl auch den Wählern besonders am Herzen lagen, wurden medial anscheinend vernachlässigt. Wobei sich diese Vermutung zunächst nur auf die Quantität beziehen kann. Was es qualitativ bedeutet, müsste erst noch analysiert werden, so die Forscher.

Für die Politik stellt sich nach Ansicht von Alexander Sängerlaub vor allem eine Frage: Wie erreicht sie Menschen, die für klassische Medienangebote überhaupt nicht mehr empfänglich sind, weil sie ihnen kein Vertrauen schenken? "Das wird eine der zentralen Herausforderungen im Zeitalter 'alternativer Fakten' wie 'alternativer Medien'." Ansonsten empfiehlt der Fake-News-Experte ein vermeintlich banales Rezept: Augen auf bei der Mediennutzung! "Kommen die Informationen aus einer seriösen Quelle? Kann ich dem Medium vertrauen?" Doch anscheinend, vermutet Sängerlaub, fehle es vielen in einer schnelllebigen Zeit oft genau daran: an der nötigen Zeit.

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