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ReiseGlobal

Fake-Reviews führen Reisende in die Irre

13. Februar 2025

Online-Bewertungen anderer Kunden spielen eine immer größere Rolle für Urlauber, die ihre Reise planen. Aber geht es dabei auch mit rechten Dingen zu?

Ein Mann arbeitet am Laptop im Poolbereich einer Villa
Kundenbewertungen online sind für die Tourismusbranche sehr wichtig geworden - aber sind sie auch vertrauenswürdig?Bild: Fokke Baarssen/Zoonar/picture alliance

Geradezu überschwänglich fällt das Lob des Mannes aus, der sich "Dan" nennt: "Die Zimmer sind ein absoluter Traum: geräumig, stilvoll eingerichtet und bis ins Detail durchdacht", schreibt er in der Google-Kommentarspalte des Flamingo-Hotels in Timmendorfer Strand an der deutschen Ostseeküste. "Besonders hervorheben möchten wir die Sauberkeit und den herrlichen Ausblick – einfach wundervoll!". "Anja" dagegen war nicht so zufrieden: "Wenn man einen Anspruch an Sauberkeit und Qualität hat, dann ist dies nicht der richtige Ort", schreibt sie über das Hotel. Haare im Abfluss, Staub, dreckige Handtücher, Schimmel, Fingerspuren – die Mängelliste ist lang. Das Flamingo-Hotel selbst wollte sich nicht zu den Bewertungen äußern.

Booking.com ist weltweit Marktführer, was Hotelbewertungen von Reisenden angehtBild: Serene Lee/SOPA Images/Sipa USA/picture alliance

Auch wenn die persönliche Bewertung bisweilen sehr unterschiedlich ausfällt – Nutzer-Kommentare spielen für viele Reisende, die auf der Suche nach einem hübschen Hotel oder einem netten Restaurant am Urlaubsort sind, eine große Rolle. "Online-Bewertungen und -Reviews haben heute einen extrem hohen Stellenwert", sagt Tobias Warnecke, Geschäftsführer des deutschen Hotelverbandes IHA. Neben Empfehlungen von Freunden und Bekannten sowie der Hotelkategorie seien Kommentare bei Google, Booking.com oder Tripadvisor für Reisende heute das wichtigste Kriterium bei der Entscheidungsfindung.

Kampf um die Meinungshoheit in den Kommentarspalten

Kein Wunder, dass die Meinungshoheit in den Kommentarspalten des Internets umkämpft ist. "Wenn ich auf den einschlägigen Portalen nicht auf den ersten beiden Seiten der Suchergebnisse auftauche, dann läuft die Buchung ohne mich", sagt Warnecke. Bei der Reihenfolge der Suchergebnisse spielen auch die Kunden-Bewertungen eine Rolle. Die große Mehrheit der Hoteliers betreibe daher mittlerweile einigen Aufwand, um diese zu sichten und zu beantworten. Auch, weil die Zahl der Betrugsfälle steigt. Gefälschte Kommentare gehören auf den Reiseplattformen im Internet zum Alltag. Einer Untersuchung der EU-Kommission zufolge ist bei fast zwei Dritteln der geprüften Bewertungen die Authentizität zweifelhaft.

Mehr als 70 Prozent der Reisenden sind bei der Wahl einer Unterkunft Bewertungen anderer Kunden wichtig, belegen StudienBild: Fokke Baarssen/Zoonar/picture alliance

Tagtäglich damit zu tun hat der Fachanwalt für Medienrecht Jonas Kahl. "Da Internet-Bewertungen für Verbraucher immer wichtiger werden, steigt auch die Zahl der Rechtsstreitigkeiten", sagt er. Die Bandbreite reiche von gekauften Positiv-Kommentaren, von denen sich Unternehmen ein besseres Image erhoffen, über negative Reviews von Kunden, die das kritisierte Unternehmen erpressen wollen, bis hin zu erfundenen Bewertungen, mit denen Firmen versuchen, ihre Konkurrenten schlechtzumachen.

Skepsis bei ausschließlich positiven Bewertungen

Zu erkennen sind Fake-Reviews selten auf den ersten Blick. Der Firma Trusted Shops zufolge, die Internet-Unternehmen zertifiziert und auch ein eigenes Bewertungssystem anbietet, sollte man zumindest hellhörig werden, wenn man bei einer Dienstleistung ausschließlich auf positive Bewertungen stößt. Gekaufte Bewertungen fielen zudem häufig durch schlechten Schreibstil auf, da automatische Übersetzer zum Einsatz kommen. Dafür, dass es sich um Fake-Reviews handeln könnte, spricht auch, wenn die Anzahl der Bewertungen plötzlich in die Höhe schießt. Auch bei anonym verfassten Kommentaren sei Skepsis geboten.

Der Weg zum gefälschten Kommentar ist jedenfalls kurz: Es gibt zahllose Firmen im Internet mit entsprechendem Angebot. Rechtsexperten wie Jonas Kahl raten dringend ab, davon Gebrauch zu machen. "Das ist ganz klar wettbewerbswidrig", sagt er. "Das Problem ist, dass man der Hintermänner meist nicht habhaft werden kann."

Reiseplattformen sagen Fake-Reviews den Kampf an

Also steigt stattdessen der Druck auf die Internet-Plattformen. In der EU gilt seit einiger Zeit, dass diese zumindest kenntlich machen müssen, ob sie die Authentizität von Kommentaren und Bewertungen geprüft haben. Mittlerweile hat auch die Branche selbst erkannt, dass Fake-Reviews ihre Glaubwürdigkeit und damit ihr Geschäftsmodell infrage stellen. Und so taten sich im Jahr 2023 unter anderem die größten Reiseplattformen Booking.com, Tripadvisor und Expedia zur "Koalition für vertrauenswürdige Bewertungen" ("Coalition for trusted reviews") zusammen. Die Mitglieder verpflichten sich dazu sicherzustellen, dass die Verbraucher Online-Bewertungen vertrauen können.

Allein Tripadvisor veröffentlicht jährlich mehr als 30 Millionen KundenbewertungenBild: Boutria Luc/PHOTOPQR/NICE MATIN/MAXPPP/picture alliance

Tripadvisor etwa berichtet in seinem aktuellsten Transparenz-Bericht, dass im Jahr 2022 von etwas mehr als 30 Millionen neuen Reviews etwa 1,3 Millionen als gefälscht identifiziert und gelöscht wurden. Bewertungen würden nicht umgehend veröffentlicht, sondern zunächst von einem Analysesystem und bei Bedarf vom Moderatorenteam geprüft. Bei Booking.com verweist man auf Anfrage darauf, dass nur Kunden, die tatsächlich eine Unterkunft auf Booking.com gebucht haben, eine Bewertung abgeben können. Google wiederum erklärt, Rezensionen würden vor ihrer Veröffentlichung nicht überprüft, man suche aber gezielt nach gefälschten Inhalten, um sie zu entfernen.

Verbraucherschützern gehen die derzeit gültigen Regelungen nicht weit genug. "So, wie sie derzeit dargestellt werden, sind Online-Reviews für Verbraucher wenig hilfreich", sagt Stefanie Grunert, Referentin Recht und Handel beim Bundesverband der Verbraucherzentrale in Berlin. "Es herrscht ein großes Durcheinander." Deshalb fordert sie klare und einheitliche Regeln. Bis es so weit ist, werden Reisende wohl auch weiterhin mit Bewertungen konfrontiert sein, deren Echtheit unklar ist.