Faktencheck: Abgesagte Weihnachtsmärkte in Deutschland?
26. Oktober 2025
Noch zwei Monate sind es bis Weihnachten, doch in Deutschlands Supermärkten stapeln sich seit Wochen Lebkuchen, Adventskalender und Deko-Artikel. Auch die berühmten Weihnachtsmärkte werden in manchen Innenstädten schon aufgebaut.
Dennoch kursiert in den sozialen Medien die Behauptung, dass viele Weihnachtsmärkte in Deutschland für dieses Jahr abgesagt worden seien. DW Faktencheck hat die Behauptung und ihre Ursprünge überprüft.
Behauptung: Ein Video auf TikTok mit der Beschriftung "Weihnachten steht vor der Tür, Deutschland sagt seine Märkte ab… und es sieht so aus, als würden auch andere Orte in Europa dasselbe tun" wurde über 630.000 Mal angesehen.
Ein weiterer viel geteilter Beitrag auf X behauptet: "HUNDERTE VON WEIHNACHTSMÄRKTEN IN DEUTSCHLAND ABGESAGT". Der Post erreichte über 440.000 Aufrufe. Einige Nutzer gingen sogar so weit zu behaupten: "Deutschland sagt Weihnachten ab" - ein Satz, der in Beiträgen auf Instagram und X mit über einer halben Million Aufrufen zu sehen ist.
DW Faktencheck: Falsch
Deutschland veranstaltet jährlich mehr als 2.500 Weihnachtsmärkte, die lokal auch Adventsmarkt oder Christkindlmarkt genannt werden. Der Striezelmarkt in Dresden (Titelbild) allein zieht jedes Jahr 2,5 Millionen Besucher an. Zwar gab es vereinzelt Absagen kleinerer Märkte, doch es gibt keine offiziellen Bestätigungen, dass dies landesweit geschieht.
Die meisten Weihnachtsmärkte öffnen Ende November. Allein Berlin wird dieses Jahr über 60 Märkte ausrichten, zahlreiche weitere sind in den Großstädten Leipzig, Dresden, Köln, Frankfurt und Hamburg geplant. Viele werden bereits aufgebaut.
Deutsche Medien berichten bislang nur über wenige bestätigte Absagen: In Rostock im Nordosten Deutschlands wird ein historischer Weihnachtsmarkt - der bereits im Vorjahr abgesagt worden war - auch 2025 nicht stattfinden.
Im Hamburger Stadtteil Rahlstedt wurde der lokale Markt abgesagt, weil Standbetreiber im Vorjahr zu wenig Geld eingenommen hatten und nicht zurückkehren wollten.
Und der Weihnachtsmarkt am historischen Schloss Bodelschwingh in Dortmund wurde für 2025 und 2026 abgesagt - wegen umfangreicher Renovierungsarbeiten am Schloss.
Die Quelle der viralen Behauptung
Der X-Beitrag, der behauptet, "hunderte Weihnachtsmärkte in Deutschland" seien abgesagt worden, beruft sich auf eine einzige Quelle: Duna Press. Ein Artikel mit dem Titel "Deutschland sagt Weihnachtsmärkte 2025 ab" wurde am 18. Oktober auf Englisch von J&M Duna Press veröffentlicht. Es bezeichnet sich selbst als Teil einer unabhängigen Gruppe für Kommunikation und Bildung.
Dem Artikel zufolge geben Veranstalter in kleineren Städten angeblich "unbezahlbare Sicherheitskosten" als Hauptgrund für Absagen an. Die gestiegenen Kosten werden als Folge einer Reihe von Terroranschlägen gesehen. Gleichzeitig nennt der Artikel nur zwei Beispiele für angebliche Absagen: die Orte Rheinfeld und Schongau.
In Deutschland gibt es keine Stadt mit dem Namen "Rheinfeld" - jedoch die Orte Rheinfelden und den Stadtteil Rheinfeld in Dormagen. Bei den Behörden beider Städte sowie in Schongau fragte DW Faktencheck nach.
Schongau antwortete: "Der Weihnachtsmarkt 2025 findet wie gewohnt statt." Dormagen teilte der DW mit: "Einen Weihnachtsmarkt im Dormagener Stadtteil Rheinfeld gab es in den Vorjahren nicht - und auch für 2025 ist kein solcher geplant." Rheinfelden hat bis zur Veröffentlichung nicht geantwortet. Die offizielle Website der Stadt bestätigt jedoch, dass es 2025 einen Weihnachtsmarkt geben soll.
Starke Emotionen hervorrufen, Unsicherheit und Misstrauen säen - darauf zielt Desinformation ab. Dass anti-migrantische und anti-muslimische Narrative verfangen, zeigen Kommentare unter den Posts in sozialen Netzwerken, in denen beispielsweise gefordert wird, den muslimischen Fastenmonat Ramadan ausfallen zu lassen.
Zweifel an der Existenz der Autorin
Die Autorin des Artikels, Bianca Firenze, hat weder eine überprüfbare Biografie noch eine Social-Media-Präsenz auf der Website. Sie schreibt seit August 2024 für Duna Press, hauptsächlich über Gesundheitsthemen und Horoskope. Im Oktober 2025 veröffentlichte sie mehrere Artikel, die sich auf den angeblichen Niedergang Deutschlands konzentrieren. Dabei verwendete sie reißerische Sprache und verzichtete auf glaubwürdige Quellen. Insgesamt stellen diese Artikel die Lage in Deutschland als sehr bedrückend dar.
Alle Bilder sind KI-generiert - einschließlich der Autorenporträts, auch von Bianca Firenze. Das wirft Fragen zur Authentizität der Mitwirkenden auf. Der einzige Mitwirkende mit echtem Foto und Social-Media-Profilen ist Paulo Fernando de Barros, der sich als Chefredakteur von J&M Duna Press bezeichnet. Die ältesten Artikel auf der Website stammen aus dem Jahr 2017 und sind auf Portugiesisch verfasst.
Die Social-Media-Profile von Duna Press Magazine haben nur wenige Follower, ihre Beiträge erhalten kaum Interaktionen - was auf eine geringe Glaubwürdigkeit oder ein begrenztes Vertrauen der Leserschaft hindeutet.
Gestiegene Kosten, keine Absagen
DW Faktencheck untersuchte auch die Behauptung "Deutschland sagt Weihnachten ab". Eine Bilder-Rückwärtssuche ergab, dass die verwendete Grafik aus einem Facebook-Beitrag auf Deutsch stammt. Dieser Originalbeitrag besagt jedoch lediglich, dass viele Veranstalter von Weihnachtsmärkten in Deutschland Alarm schlagen - wegen hoher Zusatzkosten durch verschärfte Sicherheitsmaßnahmen nach den Anschlägen in Berlin (2016) und Magdeburg (2024). Der Autor ergänzt: "Manche Märkte könnten in diesem Jahr ganz abgesagt werden."
Seit den Anschlägen auf den Berliner Weihnachtsmarkt und in Magdeburg sind die Kosten für die Sicherheit tatsächlich gestiegen. In Magdeburg etwa werden die Ausgaben dieses Jahr voraussichtlich fast doppelt so hoch sein - von 80.000 Euro auf bis zu 150.000 Euro.
Obwohl es keine offiziellen bundesweiten Regeln gibt, sind bestimmte Maßnahmen inzwischen Standard: Betonbarrieren, Taschenkontrollen, Videoüberwachung und versenkbare Straßensperren. Die Sicherheitskonzepte werden von Veranstaltern erstellt und von zuständigen Behörden geprüft und genehmigt.
In kleineren Städten übernehmen Kommunen manchmal einen Teil der Kosten. Zwar sind die Kosten gestiegen und einige Märkte mussten verkleinert werden, um Sicherheitsmaßnahmen umzusetzen. Doch gibt es keine Hinweise auf flächendeckende Absagen von Weihnachtsmärkten in Deutschland.
Aus dem Englischen adaptiert von Uta Steinwehr