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Faktencheck: Abzocke mit Nahrungsergänzungsmitteln?

27. Februar 2024

Ginko, Kurkuma, Kollagen: Nahrungsergänzungsmittel sind ein boomender Markt und werden heute viel auf Social Media beworben. Doch Supplemente werden kaum kontrolliert - und die Gesundheitsversprechen sind oft falsch.

Symbolbild Nahrungsergänzungsmittel | Pillen als Mahlzeit
Nahrungsergänzungsmittel sollten eine ausgewogene Ernährung nicht ersetzenBild: Sergiy Artsaba/Zoonar/picture alliance

Immer mehr Menschen weltweit nehmen Nahrungsergänzungsmittel zu sich, weil sie sich davon etwa schönere Haut und Haare, ein gestärktes Immunsystem oder mehr Leistungsfähigkeit versprechen. Magnesium, Vitamin C & Co. sind ein Milliardenmarkt.

Angela Clausen von der Verbraucherzentrale NRW setzt sich seit Jahrzehnten mit dem Thema auseinander: "Das Problem ist, dass sehr viele Menschen Nahrungsergänzungsmittel quasi als eine Art natürliche Arzneimittel empfinden und sie entsprechend zur Therapie, Linderung oder Heilung von Krankheiten einsetzen. Doch der eigentliche Zweck von Nahrungsergänzungsmitteln ist nur, Bausteine zu ergänzen, die wir über unsere Nahrung nicht ausreichend zu uns nehmen."

Kaufen Konsumentinnen und Konsumenten Nahrungsergänzungsmittel, die ihnen nichts bringen, so geben sie im besten Fall Geld für Unsinn aus - doch manche Stoffe können im Übermaß auch schädlich sein, wie Vitamin D, Jod oder Selen.

Wofür brauchen wir Vitamine und Mineralstoffe?

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Zudem werden Nahrungsergänzungsmittel, eben weil sie keine Medikamente sind, viel weniger kontrolliert. Sie können auf den Markt gelangen, ohne zuvor auf Sicherheit, Qualität und Wirksamkeit geprüft worden zu sein. Deshalb enthalten Nahrungsergänzungsmittel nicht immer die Inhaltsstoffe oder die Menge davon, die auf der Packung steht. Es finden sich auch immer wieder gefährliche und verbotene Substanzen.

Und was in den Sozialen Netzwerken über Nahrungsergänzungsmittel gesagt wird, wird noch viel schlechter überwacht. Falsche Gesundheitsversprechen sind überall - wie auch eine stichprobenartige Untersuchung Hunderter Posts und Stories 2021 zeigte.

DW Faktencheck hat selbst in den Sozialen Netzwerken nach Aussagen zu Nahrungsergänzungsmitteln gesucht - und drei Fälle beispielhaft analysiert.

Schlauer dank Ginko, Bacopa monnieri, L-Theanin und Magnesium L-Threonat?

In dem TikTok-Video heißt es: "Ja Nahrungsergänzungsmittel können dich schlauer machen"

Behauptung: In diesem Video mit circa 1,7 Millionen Views behauptet eine TikTokerin: "Du bist nicht dumm, du hast nur nicht genug Zirkulation in deinem Gehirn, was dich davon abhält, dich zu fokussieren und zu konzentrieren. Es führt auch zu schlechter Erinnerung." Ihre Top 4 der Nahrungsergänzungsmittel dagegen seien Ginko, Bacopa monnieri, L-Theanin und Magnesium L-Threonat.

DW-Faktencheck: Falsch

Bessere Denkleistung und Konzentration dank dieser Nahrungsergänzungsmittel - das ist leider zu schön, um wahr zu sein. Ernährungswissenschaftlerin Friederike Schmidt von der Universität Lübeck hat sich das Video für uns angeschaut und sagt: "Die TikTokerin nennt zwar sehr konkrete Stoffwechselmechanismen und erscheint erst einmal kompetent." Aber in Wahrheit wisse man bei den genannten Präparaten "an vielen Stellen eigentlich noch überhaupt nicht, was sie machen und ob sie überhaupt helfen".

So ist zum Beispiel eine Behauptung im Video, dass der Pflanzenextrakt Bacopa monnieri die Level des Neurotransmitters Acetylcholin im Gehirn steigere, was die Gedächtnisleistung verbessere. "Das ist an den Haaren herbeigezogen. Man hat noch keine methodisch gute Studie durchgeführt, geschweige denn mehrere, in denen die Personen diesen Pflanzenextrakt bekommen haben, mehr Acetylcholin im Gehirn hatten und sich dann auch noch besser erinnern konnten."

Studien heranzuziehen, die in Wahrheit kaum Aussagekraft haben, hat Methode beim Bewerben von Nahrungsergänzungsmitteln, wie auch Angela Clausen weiß. "Die präsentierten Studien sind in der Regel  - bezogen auf das Produkt - eine Katastrophe."

Insgesamt sind die Aussagen der Tiktokerin alles andere als wissenschaftlich stichhaltig. Dass ihre "Top 4 der Nahrungsergänzungsmittel" die Gehirnleistung wie von ihr beschrieben steigern, ist nicht belegt.

Wundermittel Kurkuma - wirklich?

Dieses Video empfiehlt jeden Morgen Kurkumapulver in Wasser aufgelöst mit Limette zu trinken

Behauptung: Laut diesem spanischsprachigen Video mit über 1,5 Millionen Views hilft Kurkuma - als Pulver in Wasser aufgelöst - gegen Hautekzeme. Es soll zudem den Körper entgiften sowie Arthritis verhindern und das Risiko für Krebs verringern. Ähnliche Behauptungen finden sich etwa hier und hier.  

DW-Faktencheck: Falsch

Auch wenn der Kurkumaknolle als Gewürz schon lange verdauungsfördernde Eigenschaften zugeschrieben werden: "Diese ganzen Claims sind unzulässig, die Studienlage gibt das nicht her", sagt Angela Clausen von der Verbraucherzentrale. Es gebe zwar Untersuchungen zum Inhaltsstoff Curcumin. Aber für die in den Produkten verwendeten, nicht exakt definierten Extrakte gebe es keine "Goldstandardstudien". Also Studien am Menschen, bei der weder Anwender noch Nutzer gewusst hätten, wer Placebo und wer das wirksame Präparat bekommen habe und die im Idealfall von mindestens einer weiteren Studie einer anderen Arbeitsgruppe bestätigt werden.

Untersuchungen zeigten lediglich, dass ein bestimmter Kurkuma-Extrakt in einer bestimmten Dosierung im Reagenzglas entzündungshemmend wirkt. Aber solche Wirkungen lassen sich dann eben nur auf genau diesen Extrakt in genau dieser Dosierung beziehen, nicht auf Kurkuma insgesamt. Und: beim Menschen kann etwas vollkommen anderes herauskommen als im Labor.

Auch Ernährungswissenschaftlerin Schmidt erklärt: "Wir sind weit weg davon zu sagen, Kurkuma hilft auf jeden Fall." Als besonderes Problem führt die Expertin an, dass Curcumin sehr reaktionsfreudig ist. Es interagiert also im Labor mit vielen anderen Stoffen - deshalb wohl auch die nachgesagte Wirkung gegen so viele verschiedene Krankheiten und Probleme - doch für die Wirkung am Menschen hat das erst einmal nichts zu bedeuten.

Bessere Haut, Haare, Nägel und Gelenke dank Kollagen?

Diese TikTokerin erzählt, ihre Haut habe sich entscheidend verbessert, seit sie Kollagenpulver zu sich nimmt

Behauptung: Kollagen wird in den Sozialen Netzwerken ebenfalls viel Positives zugeschrieben. Es soll laut diesem viralen Video für straffere Haut, stärkere Nägel sowie glänzenderes und kräftigeres Haar sorgen, und laut diesem TikTok-Clip zudem die Gelenke unterstützen. 

DW-Faktencheck: Falsch

Kollagen ist ein körpereigenes Eiweiß, das wichtig für Knochen, Gelenke, Muskeln und Sehnen ist. Nahrungsergänzungsmittel mit Kollagen sind deshalb tierisch und meist wohl aus Schlachtabfällen gewonnen. Wie gut der Körper von außen zugeführtes Kollagen verwerten kann, ist nicht gesichert. Selbst zum wohl bekanntesten vermuteten Effekt von Kollagen - einer verjüngenden Wirkung für die Haut - besteht laut einer Meta-Studie von 2023 noch weiterer Forschungsbedarf. 

"Für Kollagen ist keines dieser Werbeversprechen in der EU zugelassen, und das zur Gelenkgesundheit schonmal gar nicht", sagt Angela Clausen. Es gebe keine aussagekräftigen Belege für eine entsprechende Wirkung. Gegen die Aussage "Gesunde Knochen und Gelenke" des Herstellers von "Glow25 Collagen Pulver" hat die Verbraucherzentrale 2022 sogar erfolgreich auf Unterlassung geklagt. Auch bezüglich Versprechen zu Haut, Haaren und Nägeln erkannte der Anbieter an, dass sie unzulässig sind. Dennoch sind viele Postings mit entsprechenden Aussagen online. 

Fazit: Konsumenten werden hinters Licht geführt

Bei Nahrungsergänzungsmitteln ist es nicht einfach, den Hype von der Wahrheit zu trennen. Insgesamt sind die Aussagen in den Sozialen Netzwerken aber oft übertrieben, unwissenschaftlich oder sogar verboten. Natürlich können Nahrungsergänzungsmittel sinnvoll sein, etwa Eisen, wenn man einen Eisenmangel hat. Aber "in vielen Fällen sehen wir einfach, dass die Menschen Geld für Dinge ausgeben, die sie nicht bräuchten", so Friederike Schmidt. Es sei eben eine "total verlockende Vorstellung, dass man mit ein paar Kapseln oder Pülverchen etwas für seine Gesundheit tun kann". 

Mitarbeit: Julia Vergin

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