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PolitikSyrien

Faktencheck: Beweisen diese Bilder Gewalt in Syrien?

19. Dezember 2024

Die Lage in Syrien ist unübersichtlich - und es kursieren zahlreiche grauenhafte Bilder, die Gewalt und Mord durch verschiedene Gruppen zeigen sollen. Das DW-Faktencheckteam hat einige Bilder überprüft.

Syrien, Manbidsch | Kämpfer der SNA auf der Ladefläche eines Schlammbedeckten Pickup-Trucks
Kämpfer der von der Türkei unterstützten Syrischen Nationalarmee (SNA) eroberten kürzlich Manbidsch im autonom verwalteten Nordosten SyriensBild: Huseyin Nasir/Anadolu/picture alliance

Warnung: Dieser Text beinhaltet Darstellungen von bewaffneter Gewalt und Mord.

Der Machtwechsel in Syrien wirkt auf den ersten Blick weitgehend friedlich. Doch nach dem Sturz des Machthabers Baschar al-Assad in Damaskus durch die islamistische Miliz Haiat Tahrir al-Scham (HTS) haben sich im Norden und Osten des Landes viele weitere Gruppierungen mobilisiert. Laut den Vereinten Nationen gehören dazu die von der Türkei unterstützte Rebellengruppe Syrische Nationalarmee (SNA), kurdische Milizen und völlig neu formierte bewaffnete Gruppen. Vor allem im Norden kämpft die SNA gegen kurdische Verbände. Zudem fliegt Israel Luftangriffe in Syrien.

In dieser unübersichtlichen Lage werden viele grauenhafte Videos mit falschen oder irreführenden Behauptungen verbreitet, in denen diverse Gruppierungen beschuldigt werden. Das DW-Faktencheckteam hat drei virale Behauptungen überprüft. 

(ACHTUNG: Die Inhalte der verlinkten Videos zeigen tödliche Gewalt aus nächster Nähe!)

Zeigt dieses Video die Ermordung verletzter Soldaten durch syrische Rebellen? 

Behauptung: In diesem Video dringen angeblich syrische Rebellen in ein Krankenhaus ein, befragen die Patienten kurz und töten sie daraufhin.

DW-Faktencheck: Unbelegt.

Dieser Mann wird in diesem Video vor laufender Kamera exekutiert - Hinweise deuten darauf hin, dass die Angreifer keine arabischen Rebellen sindBild: X

Das knapp zwei Minuten lange Video zeigt grausame Bilder. Zwei schwer verletzte Männer liegen in Krankenhausbetten, werden angesprochen und kurz darauf erschossen. Erste Recherchen deuten darauf hin, dass es sich bei den Tätern allerdings nicht um syrische Rebellen handelt. 

Auf dem Video ist ein Wasserzeichen zu sehen, das auf die Quelle des Videos zurückführt: einen türkischen Telegram-Kanal namens "Operasyon". Auf dem Kanal selbst finden wir das Video wieder, das dort am 10. Dezember veröffentlicht wurde. In dem Text dazu steht, dass hier zwei Zivilisten, die durch eine türkische Bombardierung verletzt worden seien, von einer Türkei-nahen Gruppe getötet wurden. Die bewaffneten Männer sprechen die Verletzten auf Arabisch mit fremdem Akzent an, untereinander sprechen sie Usbekisch.  

Die Männer, die die Krankenzimmer betreten, fragen einen der Verletzten, seit wann er in der Armee diene und ob er jemanden von "uns" getötet habe. Der Verletzte antwortet, dass er seit fünf Jahren für die Armee gearbeitet habe, aber nie auf "sie" geschossen habe. "Nur die Kurden schießen auf euch", fügt er noch hinzu. Auf die Frage, ob er Assad "liebe", antwortet der Verletzte, dass die Situation schwierig gewesen sei und sie kontrolliert worden seien. Auch der andere Patient im Video bestätigt, für die Armee gearbeitet zu haben. Er spricht von "verpflichtender Selbstverteidigung". Dann werden die beiden erschossen.

Diverse Medienseiten berichten, dass es sich bei den bewaffneten Männern um Söldner im Dienste der Türkei handele, die ein Krankenhaus in der nordsyrischen Stadt Manbidsch überfallen hätten, nachdem Assad gestürzt wurde. Auch die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte (SOHR) berichtete Anfang Dezember, dass es in Manbidsch solche Vorfälle gegeben habe.

Ob dieses Video tatsächlich damit in Verbindung steht, lässt sich jedoch nicht klären.

Wurden diese beiden Wissenschaftler kurz nach Assads Sturz getötet? 

Behauptung: Innerhalb weniger Stunden seien die Wissenschaftler Zahra al-Homsiyeh und Hamdi Ismail Nada in Damaskus mit Kopfschüssen hingerichtet worden, wird vielfach im Netz behauptet. Teilweise werden dazu zwei Porträtfotos geteilt, die die Nuklearmikrobiologin und den Chemiker zeigen sollen.  

DW-Faktencheck: Falsch. 

Nein, diese angeblichen Wissenschaftler wurden nicht in Syrien getötetBild: X

Einige User spekulieren, dass der israelische Auslandsgeheimdienst Mossad hinter den Attentaten steckt. Seit dem Sturz Assads hat Israel zahlreiche Ziele in Syrien angegriffen. Doch die Behauptung ist falsch.

Schauen wir uns zunächst die angebliche Nuklearbiologin Zahra al-Homsiyeh an. Über eine Bilderrückwärtssuche wird klar: Bei der Frau auf dem Bild handelt es sich um Shadia Habbal, eine Astronomin an der Universität Hawaii in den USA. Zudem haben wir bei unseren Recherchen keinen Hinweis darauf gefunden, dass es überhaupt eine syrische Wissenschaftlerin mit dem Namen Zahra al-Homsiyeh gibt.

Im Falle des angeblichen Chemikers Hamdi Ismail Nada führt eine Namenssuche in den Sozialen Netzwerken zu dem Facebook-Profil eines ägyptischen Mannes. Der Mann existiert also, ist aber kein syrischer Chemiker und wurde auch nicht in Damaskus ermordet. Nada selbst stellt auf Facebook klar, dass die Bilder und Nachrichten mit seinen Bildern ein Beweis für Lügen und Manipulation seien. Der arabischen Faktencheckseite Tayqan sagte er: "Ich bin ein ägyptischer Arzt aus Kairo, 74 Jahre alt, und das letzte Mal war ich in Damaskus vor neun Jahren auf einer viertägigen Geschäftsreise."  

Nach unseren Recherchen gibt es bisher keine Belege dafür, dass seit Assads Sturz gezielt Wissenschaftler getötet wurden - weder von israelischen noch von anderen Einheiten.

Zeigt dieses Video Gewalt der HTS-Rebellen? 

Behauptung: "An diejenigen, die die Verbrechen von Baschar al-Assad in diesen Tagen teilen: Hier ist die Regierung der Umayyaden, die jetzt versucht, Syrien zu regieren!", heißt es in einem Text, der in diesem Post auf X geteilt wurde. Das Video soll belegen, dass die Rebellen der Gruppe HTS nicht besser seien als das von ihnen gestürzte Assad-Regime.

DW-Faktencheck: Falsch. 

Die Männer, die hier auf dem Boden gefesselt sind, sind keine Gefangenen der HTS-Miliz, sondern Syrer, die in der Türkei beschuldigt werden, einen Brand in einem Flüchtlingslager gelegt zu habenBild: X

In dem 36-sekündigen Clip, der ohne Ton geteilt wurde, sind dutzende Männer zu sehen, die in einem großen Raum gefesselt auf dem Boden liegen. Es laufen einzelne uniformierte Männer herum, die sie zu bewachen scheinen. Dann werden einzelne Männer durch eine Gittertür, die an ein Gefängnis erinnert, in einen Nachbarraum abgeführt. Dieser sieht aus wie ein Wartebereich mit mehreren Stühlen, auf einigen sitzen gefesselte Männer. Bei einem Schwenk der Kamera sieht man weitere gefesselte Männer auf dem Boden liegen. Da der Ton fehlt, ist es schwierig, das Video zu verorten.

Eine Bilderrückwärtssuche führt jedoch zu einer älteren Version des Videos, die bereits am 21. August 2022 hochgeladen wurde. Sie ist von besserer Qualität und mit Ton. Der ältere Clip wurde von dem türkischen Sender OdaTV4 auf X, damals noch Twitter, gepostet. Dort heißt es: "Die aktuelle Situation der Syrer, die ein Feuer im Flüchtlingszentrum gelegt haben..." 

Das ebenfalls türkische Medienunternehmen Aykiri teilte das gleiche Video am selben Tag mit einer ähnlichen Beschreibung: "schockierende Bilder und Informationen über den Aufstand von Einwanderern im Kayseri Repatriierungszentrum sind aufgetaucht." Medienberichte aus der Zeit bestätigen einen Brand in einer Flüchtlingsunterkunft in Kayseri in der Türkei. Das Video hat also nichts mit den HTS-Rebellen oder der Gewalt in Syrien zu tun, sondern zeigt Ereignisse in einem türkischen Flüchtlingszentrum.

Mitarbeit: Samah Altaweel, Sinem Özdemir, Elyana Nikizad, Torsten Neuendorff 

Dieser Beitrag entstand im Rahmen einer Kooperation zwischen ARD Faktenchecker, BR24 #Faktenfuchs und DW Faktencheck. 

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