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Politik

Brasilien: Vier Fakes zum Sturm auf das Regierungsviertel

Ines Eisele | Anwar Ashraf
10. Januar 2023

Präsident Lula sei evakuiert und das Internet abgeschaltet worden, heißt es in den sozialen Netzwerken. Auch eine brasilianische Version des "Schamanen" soll gesehen worden sein - und sogar Luftangriffe. Ein Faktencheck.

Brasilien Brasilia | Bolsonaro Anhänger stürmen Kongress
Bolsonaro-Anhänger demolieren am 8. Januar das RegierungsviertelBild: Adriano Machado/REUTERS

Behauptung: Mehrere Twitter-Accounts haben vermeldet, Brasiliens Präsident Luiz Inácio Lula da Silva sei in Sicherheit gebracht worden, nachdem Hunderte Anhänger des rechtspopulistischen Ex-Präsidenten Jair Bolsonaro am Sonntag gewaltsam in der Hauptstadt Brasília in den Kongress, das Oberste Gericht und in den Präsidentenpalast eingedrungen waren und die Gebäude verwüstet hatten.

DW-Faktencheck: Falsch.

Nach übereinstimmenden Berichten verschiedener Nachrichtenagenturen war Lula zum Zeitpunkt der Erstürmung des brasilianischen Kongresses und anderer Amtsgebäude nicht vor Ort - sodass er eben auch nicht in Sicherheit gebracht werden musste. Demnach befand sich der Präsident zum Zeitpunkt des Angriffs in der Stadt Araraquara im Bundesstaat São Paulo. Er wollte sich dort ein Bild über die Folgen von schweren Unwettern machen, die Ende 2022 dort gewütet hatten.

Auch Lula selbst schrieb auf Twitter, er sei gerade in Araraquara gewesen, als er die ersten Berichte über die Geschehnisse in Brasília gesehen habe. Er kehrte daraufhin rasch in die Hauptstadt zurück.

Ein Zwilling von "QAnon-Schamane" Jake Angeli?

Behauptung: Mehrere Social-Media-Posts zeigen einen Mann, der aussieht wie die brasilianische Version des "Schamanen", der bei der gewaltsamen Stürmung des US-Kapitols in Washington vor zwei Jahren für Schlagzeilen sorgte. Der in den brasilianischen Nationalfarben bemalte Mann mit aufgesetzten Hörnern soll beim Angriff auf das Regierungsviertel in Brasília am Sonntag dabei gewesen sein. 

DW-Faktencheck: Falsch.

Tastsächlich hat sich in Brasilien ein Bolsonaro-Anhänger vom mittlerweile inhaftierten "QAnon-Schamanen" oder auch "Bison Man" Jake Angeli in den USA inspirieren lassen, jedoch stammen die derzeit in sozialen Medien verbreiteten Bilder nicht wie oftmals behauptet vom aktuellen Angriff auf das Regierungsviertel in Brasília.

Wie eine Bilderrückwärtssuche mit TinEye offenbart, tauchte das Foto des in den brasilianischen Farben bemalten und Kopfschmuck tragenden Mannes bereits 2021 erstmals im Netz auf. Auch die Deutsche Pressseagentur (dpa) meldet, das Bild stamme von einer Demonstration von Bolsonaro-Anhängern in São Paulo am 7. September 2021, die brasilianischen Zeitungen "Diário do Centro do Mundo" und "Brasil de Fato" hätten im selben Monat erneut damit getitelt.

Mit seiner Verkleidung wurde der Verschwörungstheoretiker Jake Angeli zum Symbol des Sturms auf das US-Kapitol Bild: Manuel Balce Ceneta/ASSOCIATED PRESS/picture alliance

Der Foto-Credit bei dem entsprechenden Artikel von "Brasil de Fato" liefert den Namen des Fotografen, der das Foto gemacht hat: Guilherme Gandolfi. In dessen Datenbank journalistischer Bilder, die zum Verkauf stehen, findet sich das Foto schließlich auf den 7. September 2021 datiert.

Der Mythos vom Internet-Shutdown

Behauptung: In einer weitverbreiteten Nachricht in den sozialen Medien heißt es, Alexandre de Moraes, Richter am Obersten Gerichtshof Brasiliens und Präsident des Obersten Wahlgerichts, habe eine Anordnung zur Abschaltung des Internets in Brasilien erlassen. Die Information stamme von einem CNN-Journalisten, heißt es in dem Post.

DW Faktencheck: Falsch.

Berichte über eine Abschaltung des Internets gibt es weder bei CNN noch auf anderen Medienseiten oder den Seiten des Obersten Gerichtshofs beziehungsweise des Obersten Wahlgerichts. Auch die brasilianische Faktencheck-Website Lupa hat sich die Behauptung angeschaut und kommt zu dem Schluss, es habe keine Anweisung zur Abschaltung des Internets gegeben.

Auf Lupa heißt es: "Wichtig zu erwähnen ist, dass es nicht Moraes' Aufgabe ist, 'außergerichtliche Mitteilungen' weiterzuleiten, sondern Entscheidungen über Fälle zu treffen, die vom Gericht bearbeitet werden." Falsche Berichte über Internetsperren wurden laut den Faktencheckern von Lupa auch bereits Ende vergangenen Jahres nach der Wahlniederlage von Präsident Jair Bolsonaro in Umlauf gebracht.

Videospiele als echte Luftangriffe dargestellt - mal wieder

Behauptung: Laut einem Tweet, der auch ein entsprechendes Video beinhaltet, haben brasilianische Demonstranten mit improvisierten Flugabwehrkanonen auf Regierungsflugzeuge geschossen. Der Verfasser schreibt, "diese selbstgebauten Waffen sind sehr ungenau".

DW-Faktencheck: Falsch.

Dies ist ein Ausschnitt aus dem berühmten Videospiel Arma, das vom tschechischen Studio Bohemia Interactive entwickelt wurde. Viele Ausschnitte aus der Spieleserie sind auf YouTube verfügbar - und so findet sich dort auch genau die Video-Szene aus dem Tweet, bei Minute 01:39.

Nicht zum ersten Mal ist das Videospiel für Falschmeldungen missbraucht worden. Ähnliche Fälle gab es während der Afghanistankrise und dem Krieg in der Ukraine, als Nutzer sozialer Medien und sogar etablierte Medien auf der Grundlage dieses Videospiels Desinformationen verbreiteten. Im November  appellierte das Unternehmen an die Nutzer, ihre Spiele nicht mehr für Fake News zu verwenden.

Der Twitter-Beitrag wurde jedoch mehr als 150.000 Mal angesehen und auch viele Male retweetet. Bis zum Verfassen dieses Berichts wurde der Beitrag von Twitter nicht als manipuliert gekennzeichnet.

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