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KonflikteUkraine

Faktencheck: Drei Fakes rund um F-16-Jets in der Ukraine

9. August 2024

Die ersten F-16-Kampfflugzeuge sind in der Ukraine angekommen. Begleitet von Desinformation über angeblich unfähige ukrainische Piloten, vermeintlich mitgelieferte Atomwaffen und den scheinbaren Absturz.

Präsident Selenskyj präsentiert erste F-16-Kampfjets für ukrainische Luftwaffe
Am 4. August präsentierte Präsident Selenskyj die frisch eingetroffenen F-16Bild: Valentyn Ogirenko/REUTERS

Die ersten der lang erwarteten Kampfflugzeuge vom Typ F-16 aus US-amerikanischer Produktion sind Anfang August in der Ukraine eingetroffen. Noch bevor der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sie präsentierte, erschienen im Netz die ersten Fakes. DW-Faktencheck hat einige davon überprüft.

Faule ukrainische Piloten?

Behauptung: "Das rumänische Verteidigungsministerium hat einen Bericht über die Ergebnisse der Ausbildung ukrainischer Piloten auf F-16-Jägern erstellt", behauptet ein X-Nutzer. Dazu postet er das Foto einer Seite des angeblichen Berichts, jeweils auf Rumänisch und Englisch. Darin heißt es, "von 50 Kadetten sind nur drei bereit, die F-16 zu fliegen". Als Grund wird "die nachlässige Einstellung beim Englischlernen" sowie die "Verschlechterung der sportlichen Leistungsfähigkeit aufgrund von Gewichtszunahme und Alkoholkonsum" genannt.

DW-Faktencheck: Fake.

Der gepostete Bericht ist nicht echt, die zitierten Aussagen sind frei erfunden. Das rumänische Verteidigungsministerium bestätigte, dass es sich um eine Fälschung handelt. 

Der im Netz kursierende Bericht über angeblich faule ukrainische Piloten wurde aus Teilen eines echten Dokuments erstellt und mit Falschinformationen ergänztBild: Quelle: X

Mittlerweile wurde der Fake auf mehreren Plattformen und in mehreren Sprachen geteilt, neben Russischunter anderem auf RumänischChinesisch, Deutsch, Arabisch und Portugiesisch. Auch führende russische Medien wie "Argumenty i fakty", "Sputnik", "Rossijskaja gazeta"und der Fernsehsender "Rossija24"haben über das angebliche Ministeriumsdokument berichtet, ohne es zu hinterfragen.

Die erste Seite des angeblichen "Berichts über die Aktivitäten des Verteidigungsministeriums zum Training der ukrainischen Piloten im Jahr 2024" wurde aus Teilen eines echten Ministeriumsberichtaus dem Jahr 2023 erstellt. Das Ministerium teilt mit: "Unter den Absätzen, die mit redaktionellen Fehlern aus dem betreffenden offiziellen Dokument übernommen wurden, wurde ein nachlässig formulierter Text mit offensichtlichen Fehlern eingefügt, bei dem es sich höchstwahrscheinlich um einen Text handelte, der automatisch aus einer anderen Sprache übersetzt wurde." 

Das gefälschte Dokument erweckt den Eindruck, ukrainische Piloten hätten eine Ausbildung abgeschlossen in dem Europäischen Pilotenausbildungszentrum für F-16 in Fetești im Osten Rumäniens. Das Zentrum wurde jedoch erst am 13. November 2023 eingeweihtund hat bisher nur sieben rumänische Piloten ausgebildet, deren Abschlussfeieram 26. Juli 2024 stattfand. 

Ukrainische Piloten wurden also in Rumänien noch gar nicht ausgebildet. Nach Angaben des Verteidigungsbündnisses NATO haben ukrainische Piloten bisher in Dänemarkund Großbritanniendas Fliegen mit den F-16 gelernt. Medienberichten zufolge auch in Frankreich und in den USA.

Ist eins der F-16-Jets bereits abgestürzt?

Behauptung: "Ukraine. Die erste F-16 ist ohne Kampf abgestürzt" - das steht auf Russisch auf einem etwa einminütigen Video, in dem ein Flugzeug Flugfiguren ausführt und dann plötzlich senkrecht zum Boden stürzt. Kurz darauf ist eine Explosion zu sehen. 

Die Behauptung kursiert auf Xsowie auf den russischen Sozialen Netzwerken VKund Odnoklassniki.

DW-Faktencheck: Falsch.

Die Aufnahme einer Flugzeugkatastrophe in Polen wird als Beleg für den Absturz einer F-16 in der Ukraine verbreitetBild: Quelle: X

Die Bilderrückwärtssuche von Standbildern zeigt, dass das Video vier Wochen alt ist. Das älteste auffindbare Ergebnis ist ein Video auf TikTokvom 12. Juli 2024 mit etwa 4,5 Millionen Aufrufen, gepostet von einem ukrainischen Taxifahrer, der in Polen lebt. Auf seinem Video steht auf Ukrainisch: "F16 abgestürzt". In weiteren Videos, gepostet am gleichen Tag, erklärt der Nutzer, dass er Zeuge eines Flugzeugabsturzesam Flughafen Gdynia-Kosakowo geworden ist.

Tatsächlich ereignete sich am 12. Juli 2024 ein Flugzeugunfall in Gdynia. Laut Generalkommando der polnischen Streitkräftestürzte eine Maschine vom Typ M-346 Bielik - also keine F-16 - während eines Trainings ab. Auch polnische Medienberichteten über den Unfall, bei dem der Pilot starb.

Das Faktencheck-Team der DW konnte analysieren, von welchem Standort der Taxifahrer das Video auf TikTok aufgenommen hat. Zwei Mal ist im Video im Hintergrund eine rote Tankstelle der Marke Orlen zu sehen. Tatsächlich befindet sich eine solche Tankstellein unmittelbarer Nähe zum Flugplatz Gdynia-Kosakowo. Anhand dessen konnten wir die Stellezirka 400 Meter südwestlich näher definieren, an der das Video aufgenommen wurde. Der Vergleich einiger Einzelbilder aus dem Video mit den Aufnahmen bei GoogleEarthPro lieferte weitere Hinweise. Darunter das gelbe Verkehrsschildfür Wildwechsel und der Poller bei der Einfahrt. 

Das gelbe Verkehrsschild für Wildwechsel und der Poller sind sowohl im TikTok-Video (rechts) als auch auf GoogleEarthPro-Aufnahmen (links) zu sehen Bild: Google | tiktok.com/@sachkaperchik

Die Übereinstimmungen sprechen dafür, dass das Video tatsächlich in Polen aufgenommen wurde. Es zeigt also keine F-16, die in der Ukraine abstürzt.

Atomwaffen in der Ukraine?

Behauptung: Die Ukraine hat nicht nur die ersten Kampfjets F-16, sondern auch die dazugehörigen taktischen Atomwaffen bekommen, behauptet ein Experte im kremltreuen russischen Fernsehsender "Perwy kanal". In einer Sendung am 1. August sagte Aleksej Mukhin, der Leiter des Zentrums für politische Information auf Nachfrage des Moderators: "Erstens sind sie [F-16] schon da, und ich bin sicher, dass taktische Atomwaffen auch schon da sind."

DW-Faktencheck: Unbelegt.

Beweise für seine Behauptung liefert der regierungstreue Experte nicht. 

Es stimmt, dass die F-16-Flugzeuge theoretisch mit taktischen Atomwaffen ausgerüstet werden können. Bereits im Mai 2024 kündigte das russische Außenministerium an, dass es diese Flugzeuge in der Ukraine - unabhängig von der gelieferten Modifikation - als Atomwaffenträger und eine gezielte Provokation seitens NATO und der USA betrachtet.

Dabei folgt die Lieferung der F-16 langen Verhandlungen zwischen der Ukraine und NATO-Ländern. Wie jede andere Waffenlieferung aus dem Westen ist auch diese mit bestimmten Bedingungen verbunden. 

Genutzt werden sollen die F-16 nur auf ukrainischem Territorium, so der Premierminister Belgiens Alexander De Croo zu der Frage, ob die Ukraine damit die russischen Flugzeuge im Luftraum Russlands abschießen könnte. Belgien hatte zuletzt die Lieferung von 30 F-16-Maschinen für die Ukraine bis 2028 zugesagt.

Der ukrainische Präsident hat seinerseits angekündigt, dass die Kampfjets für die Verteidigung ukrainischer Städte aus der Luft eingesetzt werden.

Im November 1994 schloss sich die Ukraine dem internationalen Nuklearen Nichtverbreitungsvertrag(auch als Atomwaffensperrvertrag bekannt) aus dem Jahr 1968 an. Dieser verbietet, radioaktives, waffenfähiges Material zu verbreiten. Folglich gab die Ukraine ihre von der Sowjetunion geerbten Nuklearwaffen an Russland zurück beziehungsweise zerstörte diese selbst. Gleichzeitig verpflichteten sich Russland, die USA und Großbritannien im sogenannten Budapester Memorandum, die Grenzen der Ukraine zu achten. 

Mit der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim 2014 brach Russland zwar diese Vereinbarung, die Ukraine hält sich aber weiterhin an den Atomwaffensperrvertrag.

Trotzdem verbreiten Regierungsvertreter und Medien in Russland immer wieder das Narrativ, die Ukraine wolle neue Atomwaffen anschaffen. Darunter Fakes über den angeblichen Bau einer "schmutzigen Bombe" mit radioaktivem Material. Und auch Wladimir Putin persönlich unterstellte der Ukraine die Absicht, Atomwaffen zu erwerben. Diese Falschbehauptungen hat das Faktencheck-Team der DW bereits in der Vergangenheit widerlegt.

Mitarbeit: Andreas Wißkirchen, Sabina Fati

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