Faktencheck: Erhöhen Sonnenschutzmittel das Hautkrebsrisiko?
3. Juli 2025
Angesichts der Hitzewelle kursieren in den Sozialen Medien zurzeit Warnungen vor einem angeblichen Hautkrebsrisiko durch Sonnenschutz. Obwohl ultraviolette Strahlen die Hauptursache für Melanome sind und Sonnenschutzmittel diese Strahlen abweisen, wird davon abgeraten, sich zu schützen und der Sonnenschutz selbst als Gefahr dargestellt. Was ist dran an den Behauptungen?
Behauptung: "Es ist eine unbestreitbare Tatsache, dass in den Ländern, die am meisten Sonnenschutzmittel verwenden, die meisten Fälle von Hautkrebs auftreten. Je mehr Sonnenschutz genutzt wird, desto höher die Ausbreitung von Hautkrebs", schrieb in einem Beitragein US-amerikanischer X-User mit 58.000 Followern Ende Juni. Auch auf Tiktok gibt es Videos, die vor einem angeblichen Hautkrebsrisiko durch Sonnenschutz warnen.
DW Faktencheck: Falsch
Die Warnungen sind unbegründet. "Es gibt keine wissenschaftlichen Belege, die einen Zusammenhang zwischen erhöhtem Krebsrisiko und dem Gebrauch von Sonnenschutzmitteln herstellen", stellt Brittany Schaefer vom Institut für öffentliche Gesundheit des US-Staates Connecticut (CT)gegenüber der DW klar.
Der X-User nennt in seinem Beitrag das Connecticut Tumor Registry als Quelle. Institutssprecherin Schaefer erklärt, dass es sich hierbei um falsche Angaben handelt.
"Die ursprünglichen Daten zur Krebsinzidenz stammen wahrscheinlich aus dem CT-Tumorregister von vor Jahrzehnten, nicht aber die hinzugefügten Textfelder zu Sonnenschutzmitteln. Wir kennen die Quelle der aktuellen Grafik nicht, sie stammt nicht vom CTR oder dem CT Department of Public Health".
Mehr Sonnenschutz, mehr Melanome?
Doch warum nimmt die Zahl der Hautkrebsfälle weltweit zu, obwohl immer mehr Menschen Sonnenschutzmittel verwenden? Eine länderübergreifende Studievon Wissenschaftlern aus den USA, der Schweiz, Deutschland und Ungarn vom Dezember 2023 hat fünf Hypothesen aufgestellt, um diesen Widerspruch aufzulösen.
Zu den möglichen Gründen für Missverständnisse und Mythen rund um den Zusammenhang zwischen Hautkrebsrisiko und Sonnenschutz gehören laut Baseler Studie unter anderem eine verstärkte Diagnostik, bessere Behandlungsmethoden, veraltete wissenschaftliche Studien, eine erratische Verwendung von Sonnenschutzmitteln sowie der Klimawandel.
Hohe Inzidenz in Australien
So habe das wachsende Bewusstsein für Hautkrebsrisiken bei Patienten und Ärzten zu einer verstärkten Berichterstattung und Dokumentation geführt. Denn im Gegensatz zu den steigenden Inzidenzen weltweit, ist die Sterberate bei Hautkrebslaut der Internationalen Agentur für Krebsforschung wegen besserer Behandlungsmöglichkeiten weltweit gesunken.
Die höchste altersstandardisierte Inzidenzrate der Neuerkrankungen wies laut Angaben des World Cancer Research Fundaus dem Jahr 2022 Australien auf: 37 neue Hautkrebsfälle pro 100.000 Menschen pro Jahr, gefolgt von Dänemark (31,1), Norwegen (30,6), Neuseeland (29,8) und Schweden (27,4).
Hinsichtlich der Gesamtzahl der Hautkrebsfälle im Jahr 2022 lagen die USA mit 101.388 Fällen auf Platz 1, während Deutschland bei einer identischen Inzidenzrate von 16,5 mit 21.976 Hautkrebsfällen den zweiten Platz belegte.
Bei der Zahl der an Hautkrebs Verstorbenen im Jahr 2022 lagen die USA erneut auf Platz 1 (7.368 Todesfälle), während Deutschland mit 3.303 Fällen den vierten Platz hinter China und Russland einnahm. Dass eine hohe Inzidenzrate von Hautkrebserkrankungen nicht zwangsläufig mit einer höheren Sterblichkeitsrate einhergeht, zeigt auch die folgende Grafik.
Veraltete Studien
Ein weiterer Grund für die Zunahme von Hautkrebsfällen könnte laut Studie die Tatsache sein, dass mehr Menschen Zeit in der Sonne verbringen. Auch wenn sie dabei Sonnenschutzmittel verwendeten, sei dies keine Garantie dafür, dass dies auf korrekte Weise erfolge.
Auch fehlende aktuelle wissenschaftliche Studien trügen dazu bei, veraltete Narrative zu verfestigen. Denn erst 2011 begann die US-Gesundheitsbehörde (FDA) mit der Regulierung von Sonnenschutzpräparaten. Alle davor durchgeführten Studien, die die Verwendung von Sonnenschutzmitteln und die Entwicklung von Melanomen untersuchten, wurden also wahrscheinlich mit Sonnencremes durchgeführt, die nicht das gleiche Schutzniveau boten wie die heute auf dem Markt befindlichen Mittel.
Sonnenschutz - ein lukrativer Absatzmarkt
Doch verwenden Menschen in den Ländern mit den höchsten Hautkrebsinzidenzen wie Neuseeland, Australien, Schweden, Norwegen, Kanada und den USA wirklich mehr Sonnenschutz, wie es User im Netz behaupten?
Richtig ist, dass der Absatz von Sonnenschutzmitteln weltweit zunimmt. Laut Herstellerangabenwird er bis 2028 rund 13.553 Millionen US-Dollar erreichen. Größter Absatzmarkt sind die USA, gefolgt von China und Südkorea.
Wie Sonnenschutz in der Praxis wirklich genutzt wird, ist allerdings eine ganz andere Frage. Laut einer Erhebung des Australischen Statistikamtesgaben zwar 38 Prozent der Bevölkerung ab 15 Jahren auf dem Kontinent an, regelmäßig Sonnencremes zu verwenden.
Dennoch erklärten fast sieben Prozent, in der Woche vor der Befragung einen Sonnenbrand gehabt zu haben. Bei jungen Menschen im Alter von 15 bis 24 Jahren war dieser Anteil mit 15 Prozent deutlich höher.
Sonnenschutz nur im Urlaub
In den USA ergab eine Umfrage des Instituts Talker Research vom Mai dieses Jahres, dass weniger als 41 Prozent der 2000 befragten US-Amerikaner Sonnenschutz mehr als 60 Tage im Jahr benutzen. 13 Prozent gaben an, auf Sonnenschutz komplett zu verzichten.
Auch im Hochinzidenzland Deutschland verwenden laut einer Online-Umfrage vom August 2024rund 51 Prozent der Menschen Sonnenschutzmittel nur im Sommer oder in der direkten Sonne.
Die Sprecherin des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) in Heidelberg, Sybille Kohlstädt, warnt angesichts des Mangels an validen Daten zum Thema Sonnenschutz vor falschen Rückschlüssen: "Im Gegensatz zu vorhandenen Daten über die wachsende globale Ausbreitung von Hautkrebs gibt es keine länderspezifische Statistiken, die den Gebrauch von Sonnenschutz aufschlüsseln und diesen wiederum in Beziehung zur Hautkrebsverbreitung setzen."