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KonflikteUkraine

Faktencheck: Fake-News-Welle nach Trump-Selenskyj-Eklat

7. März 2025

Der Streit zwischen Selenskyj und Trump hat eine Desinformationswelle über die Ukraine ausgelöst. Der ukrainische Präsident soll Trump beschimpft, den Krieg inszeniert und USAID-Gelder für Propaganda missbraucht haben.

Trumps Kritik an Selenskyj folgt eine Welle der Desinformation | USA Washington 2025 | Wolodymyr Selenskyj und Donald Trump im Oval Office
Trumps Kritik an Selenskyj folgt eine Welle der DesinformationBild: Saul Loeb/AFP/Getty Images

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj ist seit Jahren Zielscheibe pro-russischer Propaganda. Derzeit ist online jedoch eine neue Welle von Anschuldigungen gegen ihn und die Ukraine zu beobachten, die durch den Streit im Oval Office zwischen Selenskyj, US-Präsident Donald Trump und dessen Vize JD Vance verstärkt wurde.

"NewsGuard hat in den vergangenen Wochen einen signifikanten Anstieg falscher Behauptungen über die Ukraine in den US-amerikanischen sozialen Netzwerken beobachtet, insbesondere seit Donald Trump Wolodymyr Selenskyj beschuldigt hat, undankbar für die militärische Unterstützung der USA zu sein", bestätigte Madeline Roache von NewsGuard, das die Glaubwürdigkeit von Nachrichtenquellen prüft, gegenüber der DW.

Vom 18. bis zum 24. Februar 2025 identifizierte NewsGuard etwa 27.600 Social-Media-Posts und Artikel, die "Selenskyj" zusammen mit Begriffen wie "Villa", "Yacht", "Weingut" oder "Herrenhaus" erwähnten - ein Anstieg von 2524 Prozent gegenüber dem vorhergehenden sechstägigen Zeitraum, in dem nur 1050 solche Erwähnungen auftraten.

"Wir haben eine Lawine unterschiedlicher Desinformationskampagnen, Einflusskampagnen und verschiedener Mittel gesehen, um Präsident Selenskyj persönlich als schlechten Anführer darzustellen, als jemanden, der zurücktreten sollte, als jemanden, der alles falsch gemacht hat, und die Ukraine als Land, das angeblich den Krieg verlängern will, anstatt ihn zu beenden", sagte auch Roman Osadchuk, ein Desinformationsexperte und Dozent an der Nationalen Universität Kyjiw-Mohyla-Akademie, der DW.

Das DW-Faktencheck-Team hat einige der viralen Behauptungen untersucht.

Hat Selenskyj Trump vor laufender Kamera in London beschimpft?

Behauptung: "Selenskyj verbrennt eine sehr große Brücke", behauptete ein X-Nutzer in einem Beitrag, der vier Millionen Aufrufe erzielte. Der Beitrag beinhaltet ein Video, das angeblich Selenskyj zeigt, während er Trump bei seiner Ankunft beim britischen Premierminister Keir Starmer beleidigt, am Tag nach ihrem Streit im Oval Office. In dem Video, das ursprünglich auf TikTok gepostetwurde, wird behauptet, dass Selenskyj die Worte "F*** him" oder "F*** Trump" zu Reportern auf dem Weg ins Gebäude gesagt habe. Dabei werden aber die angeblichen Schimpfwörter mit einem "Beep"-Ton verdeckt.

DW-Faktencheck: Falsch

Das TikTok-Video, das angeblich zeigt, wie Selenskyj Trump beleidigt, hat Millionen von Aufrufen auf X erhaltenBild: tiktok/DW

Ein Vergleich des Originalmaterials(auch hier und hier) von Selenskyjs Ankunft in der Downing Street 10 mit dem geteilten Video zeigt, dass der ukrainische Präsident weder Trump erwähnte noch Schimpfwörter gegen ihn verwendete. "Herr Präsident, wie war die Reise? Wie fühlen Sie sich?" fragte einer der Reporter. "Okay, vielen Dank", antwortete Selenskyj.

Hat Selenskyj gefordert, dass Amerikaner in der Ukraine kämpfen?

Behauptung: Präsident Selenskyj hat "gefordert", dass die USA ihre "Söhne und Töchter" zum Kampf in die Ukraine schicken. Diese Behauptung erschien in mehreren viralen Beiträgen auf X, begleitet von einem kurzen Videoclip, in dem Selenskyj sagt: "Die USA werden ihre Söhne und Töchter genauso in den Krieg schicken müssen, wie wir unsere Söhne und Töchter in den Krieg schicken. Und sie werden kämpfen müssen... und sie werden sterben." Das Video wurde von Nutzern wie Alex Jonesgeteilt, einem rechtsextremen US-amerikanischen Radiomoderator, der bereits in der Vergangenheit Verschwörungsmythen verbreitete; es erreichte Millionen Zuschauer.

DW-Faktencheck: Falsch

Dieser 19-sekündige Ausschnitt wurde aus dem Zusammenhang einer längeren Rede von Selenskyj gerissenBild: X/DW

Der Videoclip stammt aus einer Rede, die Selenskyj am 24. Februar 2023 gehalten hat. Darin forderte er nicht, dass US-Truppen in der Ukraine kämpfen. Stattdessen sprach er über ein hypothetisches Szenario, in dem die Ukraine den Krieg verliert. Selenskyj warnte, dass, wenn Russland die baltischen Staaten angreifen würde, die USA und andere NATO-Verbündete verpflichtet wären, nach Artikel 5 des NATO-Vertrags zu intervenieren.

Sein vollständiges Zitat lautet: "Wenn die Ukraine verliert, wird Russland in die baltischen Staaten, die NATO-Staaten, einmarschieren, dann werden die USA ihre Söhne und Töchter genauso in den Krieg schicken müssen, wie wir unsere Söhne und Töchter in den Krieg schicken."

Hat USAID für pro-ukrainische Bots und Fälschungen über Russland bezahlt?

Behauptung: Fox News berichtete, dass die US-Entwicklungsbehörde USAID monatlich 140 Millionen Dollar an das ukrainische Zentrum für Informations- und psychologische Operationen zahlt, um pro-ukrainische Bots und Fake News über Russland zu erstellen.

Ein manipulierter Screenshot eines angeblichen Fox-News-Artikels vom 10. Februar 2025 kursierte in den sozialen Medien - einschließlich X, Reddit, Telegramund Facebook. Der Screenshot zeigt die Autoren-Zeile mit dem Namen einer Fox-News-Journalistin und einen Teaser, in dem behauptet wird, dass das Zentrum seit 2022 Fakes fabriziert und Bots einsetzt.

DW-Faktencheck: Falsch

Ein Sprecher von Fox News sagte Reuters, dass ein solcher Artikel nie veröffentlicht wurde. Die Autorenseite der Journalistin Aubrie Spady auf der Fox News-Website enthält keinen Hinweis auf den angeblichen Artikel. Der Zeitstempel im Screenshot entspricht einem anderen Bericht, was darauf hinweist, dass das Bild bearbeitet wurde, um die falsche Behauptung zu verbreiten.

Ein gefälschter Fox-News-Screenshot behauptet fälschlicherweise, dass USAID ein ukrainisches "Informationskriegszentrum" finanziertBild: x/DW

Die offiziellen US-Daten zeigen ebenfalls, dass die Behauptung falsch ist. Ein Bericht von 2024 (Seiten 24–27) des Sonderinspekteurs des US-Kongresses, der die Regierungsaktivitäten in Bezug auf die Ukraine zwischen 2022 und 2024 überwachte, erklärte, dass der Kongress 182,75 Milliarden Dollar für Ukraine-bezogene Bemühungen bewilligte.

Der Anteil von USAID betrug etwa 39,9 Milliarden Dollar, wobei der Großteil für humanitäre Hilfe, Regierungsprogramme und die Unterstützung öffentlicher Dienstleistungen vorgesehen war. Es gab keine Erwähnung einer monatlichen Auszahlung von 140 Millionen Dollar an ein "Zentrum für Informations- und psychologische Operationen".

Wenn USAID 140 Millionen Dollar pro Monat (etwa 1,68 Milliarden Dollar jährlich) für ein einziges Programm ausgeben würde, würde dieser Betrag das gesamte Budget der Agentur für Betriebsausgaben, Inspektionen und Gesundheitsprogramme im gleichen Zeitraum übertreffen.

Laut dem ukrainischen Verteidigungsministeriumist die "psychologische Operationseinheit" Teil ihrer Spezialeinsatzkräfte. Ein Informationsblatt des US-Außenministeriums vom Januar 2025 über US-Militärhilfe für die Ukraine erklärte, dass die Spezialeinsatzkräfte seit 2014 insgesamt 42 Millionen Dollar erhalten haben.

Hat die Ukraine Kriegsszenen inszeniert, um mehr Geld aus den USA zu bekommen?

Behauptung: "Ukrainische 'Soldaten' haben darauf zurückgegriffen, Kämpfe zu inszenieren, um 'kriegsgezeichnet' zu erscheinen, damit der Geldstrom aus den USA weiter fließt!" behauptete ein X-Nutzer und posteteein Video, das eine Frau in Militäruniform zeigt, die professionelles Make-up aufgetragen bekommt und auf Ukrainisch fragt, ob sie ihren Helm enger schnallen soll. Der Beitrag ging viral und erzielte 8,1 Millionen Aufrufe. Das Video, zusammen mit der Behauptung, wurde auch in verschiedenen Sprachen geteilt, darunter Deutsch, Russischund Spanisch.

DW-Faktencheck: Falsch

Das Video im Beitrag zeigt keine Inszenierung der Kriegspropaganda in der Ukraine. Es wurde während der Produktion des Musikvideos für das Lied "Brothers" der ukrainischen Künstler Misha Skorpion und Vitsyk gefilmt.

Das bereits oft widerlegte Narrativ, die Ukraine inszeniere Russlands Krieg, ist in einer neuen Behauptung wieder aufgetauchtBild: x/DW

Das Video mit dem eingeblendeten Benutzernamen "@vitsikkk2" wurde ursprünglich auf dem TikTok-Konto des Künstlers Vitsyk gepostet, der derzeit als Sanitäter in der ukrainischen Armee dient. Er reagierte auf die Vorwürfe, einen falschen Kriegsfilm zu produzieren, in einem weiteren TikTok-Video: "Ich möchte diejenigen ansprechen, die versuchen, ihre Zahlen auf Kosten von unserem Musikvideo zu erhöhen ... als ob wir einen Film machen würden, als ob der Krieg in der Ukraine ein Film wäre ... Wir sind hier, wir kämpfen, wir evakuieren, wir gewinnen."

Die Frau, die im Musikvideo die Rolle der getöteten Sanitäterin spielt, ist ebenfalls keine Schauspielerin. Ihr Name ist Mariana Checheliuk. Sie ist eine 25-jährige Polizistin aus Mariupol, die mehr als zwei Jahre in russischer Gefangenschaft war und im Mai 2024 befreit wurde. In dem Musikvideo, das eine Woche vor der Veröffentlichung dieses Artikels auf YouTube erschien, ist sie deutlich zu erkennen.

Die im Musikvideo getötete Sanitäterin und die Frau im TikTok-Video ist dieselbe PersonBild: Youtube

In der Vergangenheit hat russische Propaganda ähnliche Behauptungen schon öfter verbreitet und die Ukraine beschuldigt, Gräueltaten zu inszenieren. Das DW-Faktencheck-Team hat solche Behauptungen widerlegt, einschließlich der angeblichen "lebenden Leichen" nach dem Massaker von Butscha und "inszenierten Luftangriffsopfer in Kyjiw".

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