Faktencheck: Grok verbreitet Falschinfos zu Kindern in Gaza
5. August 2025
"Hey @Grok, stimmt das?" - diese Frage ist mittlerweile unter vielen Posts auf Elon Musks Plattform X zu lesen. Seit seinem Start im November 2023 dient der KI-Chatbot Grok den Nutzenden der Plattform als schneller "Faktenchecker". Aber kann Künstliche Intelligenz, kur KI, wirklich vertrauenswürdig Inhalte überprüfen?
Bereits im Juli geriet xAI, Musks Unternehmen für Künstliche Intelligenz, unter Beschuss: Grok hatte kontroverse Antworten generiert, darunter auch antisemitische. Dies geschah nur wenige Wochen nach Musks Ankündigung, den Bot umbauen zu lassen, da er angeblich zu politisch korrekt geworden sei. Kurz darauf versprach xAI größere Upgrades, um die Leistung von Grok "innerhalb weniger Tage" zu verbessern.
Doch Grok veröffentlicht weiter irreführende und falsche Angaben zu Inhalten: zum Beispiel zu Bildern und Videos von unterernährten Kindern aus dem Gazastreifen.
Das DW Faktencheck Team hat einige Antworten von Grok überprüft.
Stammt dieses Bild aus dem Irak und nicht aus Gaza?
Behauptung: Ein virales Bild zeigt ein junges Mädchen, das in Gaza um Essen bettelt. Es wird von Grok als ein Foto aus dem Irak aus dem Jahr 2014 identifiziert. Das Bild wurde von einem X-Account mit fast zwei Millionen Followern geteilt. Der User behauptet, es zeige die humanitäre Krise in Gaza. Ein Nutzer antwortete auf den Beitrag, markierte Grok und bat um Überprüfung.
Grok antwortete (siehe Screenshot unten):
"Ja, dieses Foto stammt aus dem Jahr 2014 und zeigt ein jesidisches Mädchen auf der Flucht vor dem IS Syrien, laut Reuters und mehreren Faktenchecks. Es wird online falsch benutzt. Durch diese falsche Zuordnung werden falsche Informationen verbreitet, die der Propaganda dienen."
Diese Aussage von Grok wurde daraufhin auf X geteilt, und viele Nutzende stimmten der Einschätzung des KI-Tools zu.
DW Faktencheck: Falsch
Eine Bilderrückwärtssuche bei Google zeigt, dass Grok hier falsch liegt: Das Bild ist nicht von 2014, sondern aktuell und stammt aus Gaza. Es wurde von dem Fotografen der Nachrichten- und Presseagentur Associated Press Abdel Kareem Hana am 26. Juli 2025 in Gaza-Stadt aufgenommen.
Das Foto ist Teil einer verifizierten Serie von 11 Fotos, auf denen Palästinenser zu sehen sind, die in einer Gemeinschaftsküche im nördlichen Gazastreifen um gespendete Lebensmittel kämpfen. Ein weiteres von AP hochgeladenes Bild zeigt das gleiche Mädchen aus einer anderen Perspektive.
Das virale Foto erscheint in den Datenbanken der Agentur mit klaren Metadaten, die Zeit, Ort und Kontext bestätigen. Die abgebildete Szene spiegelt die gravierende Lebensmittelknappheit inmitten des anhaltenden Konflikts wider und widerspricht den Behauptungen, das Bild habe keinen Bezug zum Gazastreifen.
Die Behauptung von Grok ist also falsch. Das Bild ist authentisch, aktuell und wurde in Gaza und nicht im Irak aufgenommen. Da sich während humanitärer Krisen Falschinformationen schnell verbreiten, kann das alleinige Vertrauen auf KI-Tools wie Grok zu falschen Schlussfolgerungen führen. In diesem Fall behaupten viele Internetnutzende, die Hungerkrise im Gazastreifen sei nicht so schlimm.
Grok behauptet aktuelles Foto aus Gaza sei aus dem Jemen
Behauptung: Das Bild eines palästinensischen Kindes im Gazastreifen sei in Wirklichkeit das eines Kindes im Jemen, aufgenommen im Jahr 2016, behauptet Grok auf eine Anfrage zu Bildern eines Kindes aus Gaza. Das Foto wurde auch in einem Beitrag von US-Senator Bernie Sanders geteilt.
Sanders schrieb: "Netanjahu sagt, es gebe 'keine Hungersnot in Gaza'. Das ist eine Lüge. Trump und der Kongress müssen sich entscheiden: Werden sie weiterhin das Verhungern von Kindern unterstützen, oder sind sie bereit, alle möglichen Druckmittel der USA einzusetzen, um diese schreckliche humanitäre Katastrophe zu stoppen?"
Unter Sanders Beitrag fragte ein Nutzer Grok: "Aus welchem Jahr stammen diese Bilder?"
Darauf antwortet Grok (siehe Screenshot unten):
"Diese Bilder stammen aus dem Jahr 2016 und zeigen unterernährte Kinder in einem Krankenhaus in Hodeida, Jemen, inmitten des dortigen Bürgerkriegs. Sie zeigen nicht die aktuellen Ereignisse in Gaza."
Sanders Beitrag wurde daraufhin von Nutzendenkommentaren überflutet, die Groks Einschätzung wiederholten, dass das Bild nichts mit Gaza zu tun habe. Grok teilte die gleiche Einschätzung in anderen Sprachen, unter anderem auf Französisch.
DW Faktencheck: Falsch
Das Bild ist aktuell und zeigt eine Familie in Gaza. Das Foto ist über Agenturen wie Associated Press erhältlich. Metadaten bestätigen: Naima Abu Ful posiert für ein Foto mit ihrem zweijährigen unterernährten Kind Yazan in ihrem Haus im Flüchtlingslager Shati in Gaza-Stadt, am 23. Juli 2025.
Yazan leidet Berichten zufolge an einer Erbkrankheit und Unterernährung. Am 24. Juli veröffentlichte AP einen ausführlichen Beitrag über sein Leben im Flüchtlingslager.
Die Bilder wurden in sozialen Netzwerken inmitten der wachsenden Hungersnot in Gaza viral verbreitet.
KI-Faktenchecks sind schnell, aber nicht verlässlich
Beide Bilder, die von Grok fälschlicherweise mit anderen Krisen in Verbindung gebracht werden, wurden von der Nachrichtenagentur Associated Press am 29. Juli veröffentlicht, um die Aufmerksamkeit auf das zu lenken, was Experten inzwischen als die schlimmste Hungerkrise in Gaza bezeichnen.
Laut einer neuen Warnung der Initiative zur Integrierten Klassifizierung der Ernährungssicherheitsphasen (IPC) spielt sich im Gazastreifen derzeit das "Worst-Case-Szenario einer Hungersnot ab". Es wird ein "weitverbreitetes Sterben" vorhergesagt, wenn nicht umgehend Maßnahmen ergriffen werden. In dem Bericht wird die Verschärfung der israelischen Blockade als einer der Hauptfaktoren genannt, die die ohnehin schon katastrophale Lage vor Ort noch verschlimmern.
Dies ist nicht das erste Mal, dass Grok eine Kontroverse ausgelöst hat. Im Juni 2025 wurden die Nutzenden durch die widersprüchlichen Antworten des Chatbots zu einem Foto, das Truppeneinsätze bei Protesten in Los Angeles zeigte, verwirrt. Damals baten einige Nutzende Grok, Zeit und Ort der Aufnahmen zu verifizieren. Grok gab zunächst an, dass sie im Jahr 2021 in Afghanistan aufgenommen wurden. Auf weitere Nachfrage deutete der KI-Chatbot dann an, dass sie im Jahr 2021 im US-Kapitol aufgenommen worden sein könnten, bevor er antwortete, er sei sich '"zu 9 von 10" sicher sei, dass die Fotos aus dem Jahr 2025 stammen. All das weist auf die Unzuverlässigkeit von Grok hin.
Einigen Schätzungen zufolge hat Grok inzwischen rund6,7 Millionen tägliche Nutzende. KI-Tools wie der X-Chatbot werden bei Social-Media-Nutzenden immer beliebter. Aber: KI-Faktenchecks - nicht nur von Grok - können fehlerhaft oder sogar komplett falsch sein.