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Politik

Kann Trump jetzt des Amtes enthoben werden?

Stephanie Burnett | Joscha Weber
7. Januar 2021

Die Ära Donald Trump endet am 20. Januar. Oder doch schon früher? Demokraten fordern nach der Erstürmung des Kapitols eine schnelle Amtsenthebung. Aber dies wäre alles andere als einfach.

Washington: Das Kapitol - Sitz des US-Kongresses
Bild: picture-alliance/J. Schwenkenbecher

Sind die Vorfälle am Kapitol ein Grund für eine Amtsenthebung?

Das kommt auf die Interpretation an. Doch zunächst zu den Fakten: Mit der Erstürmung des Kapitols durch Trump-Anhänger wurde die formale Bestätigung des Wahlsiegs von Joe Biden zunächst verhindert, inzwischen wurde diese nachgeholt. Beim gewaltsamen Eindringen der Demonstranten wurden vier Menschen getötet und 52 Personen festgenommen. Inzwischen verstarb auch ein Polizist, der bei einer Auseinandersetzung mit Demonstranten am Mittwoch verletzt worden und später zusammengebrochen war. 

Die Demokraten im US-Repräsentantenhaus sehen darin einen Aufruhr, den US-Präsident Donald Trump herbeigeführt habe, in dem er seine Anhänger angestachelt habe. David Cicilline, Mitglied des US-Repräsentantenhaus, veröffentlichte einen Brief, in dem Vizepräsident Mike Pence dazu aufgefordert wird, den Präsidenten nach den Vorfällen mittels des 25. Zusatzartikels der Verfassung des Amtes zu entheben.

Donald Trump habe zum Aufruhr angestachelt und "unsere Demokratie zu untergraben versucht", schrieben die demokratischen Mitglieder des Justizausschusses. Die Provokation zum Aufruhr ist relevant: Trump rief seine Anhänger auf: "Wir schreiten gemeinsam zum Kapitol, um unsere verehrten Senatorinnen und Senatoren anzufeuern, und ich werde mit Euch sein", sagte er in einer Rede vor Anhängern vor der Erstürmung des Kapitols und bekräftigte, dass die Präsidentschaftswahl "die korrupteste Wahl in der Geschichte der USA" gewesen sei und seine Anhänger deshalb "niemals aufgeben" sollten.

Die juristische Basis für eine mögliche Amtsenthebung von Noch-Präsident Trump ist die Verfassung der Vereinigten Staaten von Amerika. Darin ist in Artikel 2, Abschnitt 4 geregelt, dass ein Präsident "bei schweren Verbrechen oder Vergehen" des Amtes enthoben werden kann (das sogenannte Impeachment-Verfahren). Dieses kann durch das Abgeordnetenhaus angestoßen und über den Senat entschieden werden.

Die juristisch maßgebliche Frage lautet also: Ist das Anstacheln zum Aufruhr gegen demokratische Institutionen ein schweres Verbrechen? "Es besteht der Anfangsverdacht, dass hier jemand versucht hat, die Demokratie zu beschädigen und einen Staatsstreich zu verüben.

Normalerweise müsste dies in einem Rechtsstaat durch die Staatsanwaltschaft geprüft werden", sagt Donal O'Sullivan, Historiker an der California State University im DW-Gespräch. "Aber eine Amtsenthebung ist in den USA ein politisches Verfahren und man kann dieses nur dann durchziehen, wenn sich eine Mehrheit einig ist." Es gebe zwar Grund genug für ein Verfahren, sagt O'Sullivan. Doch an dessen Erfolg glaubt er nicht.

Kann man die Vorfälle auf Trump zurückführen?

Es gibt direkte Verbindungen, die zu Trump führen. Am Tag der Erstürmung des Kapitols sprach Trump vor dem Weißen Haus zu seinen Anhängern und erklärte sich erneut zum Wahlsieger: "Wir haben einen Erdrutschsieg errungen."

Falsch: Die offiziellen Wahlergebnisse sehen Biden mit 306 Wahlleuten klar vor Trump (232). Trump erneuerte zudem seine Behauptung, dass "der Wahlbetrug in allen Bundesstaaten stattfand", ohne Belege dafür zu liefern. Auch diese Behauptungen sind hinlänglich widerlegt, zum Beispiel stellte die für Cybersecurity zuständige US-Agentur CISA fest, dass "die Wahlen vom 3. November die sichersten in der US-Geschichte waren".

Beide Narrative sind wichtig für Trumps Aufforderung am Ende seiner Rede: Sein vermeintlicher Wahlsieg und der angebliche Betrug waren die Gründe für seinen Aufruf, zum Kapitol zu ziehen, um den republikanischen Abgeordneten "den Stolz und den Mut zu geben, unser Land zurückzuerobern", sagte Trump, der seine Anhänger aufforderte, "stark" zu sein. Auf Twitter fachte Trump die Stimmung zusätzlich an, bis die Plattform einige seiner Tweets löschte und seinen Account vorübergehend sperrte.

Szene wie aus einem Hollywood-Blockbuster: Das Kapitol im BelagerungszustandBild: Leah Millis/REUTERS

Trumps Aussagen unmittelbar vor der Erstürmung sind also durchaus als Aufruf zum Marsch auf das Kapitol und Beeinflussung der Abgeordneten zu werten. Die Tatsache, dass Trump später via Twitter dazu aufrief, friedlich zu bleiben, ändert daran nichts.

Dass Donald Trump nun die politische Verantwortung für die Vorfälle übernimmt und von sich aus das Amt des Präsidenten niederlegt, gilt als nahezu ausgeschlossen. Dies würde nicht zu seinem politischen Stil passen. Ein vorzeitiges Ausscheiden aus dem Amt müsste also über ein Verfahren erzwungen werden.

Welche Möglichkeiten bietet der 25. Verfassungszusatz?

Im "25th Amendment" ist unter anderem geregelt, wie ein Präsident abgesetzt werden kann. Der Zusatz wurde 1965 in nach der Ermordung von US-Präsident John F. Kennedy geschaffen -

eigentlich für Situationen, in denen der Präsident etwa aus Krankheitsgründen sein Amt nicht mehr ausüben kann.

In Abschnitt vier des 25. Zusatzartikels ist geregelt, wie der Vizepräsident und die Mehrheit der 15 Kabinettsmitglieder gemeinsam den Präsidenten für amtsunfähig erklären können (Details zur Anwendung des Artikels auf der Seite des US-Justizministeriums). Dazu müssen die Beteiligten einen Brief an Kongress und Repräsentantenhaus schicken und darin bezeugen, dass sie den Präsidenten für "unfähig halten, die Befugnis und Pflichten seines Amtes zu erfüllen".

"Damit würde Trump alle Macht genommen und der bisherige Vize regierender Präsident", erläutert Kenneth Manusama im DW-Gespräch. Der Experte für US-Verfassungsrecht lehrt an der Vrijen Universiteit Amsterdam. Er gibt aber zu Bedenken, dass sich Trump mit einem Schreiben an beide Kammern des Kongresses wehren könne.

"Dann läge der Ball wieder beim Kongress und dort wird mit einer Zweidrittelmehrheit in beiden Kammern entschieden." Bis dahin könnte das Kabinett mit einer erneuten Bescheinigung der Amtsunfähigkeit Trumps antworten, ehe binnen 21 Tagen eine finale Entscheidung im Kongress fallen muss.

Reicht die Zeit bis zum 20. Januar für eine Amtsenthebung?

Es wird eng. Eine Amtsenthebung in weniger als zwei Wochen zu realisieren, ist zwar denkbar, aber nur unter bestimmten Voraussetzungen. Zieht man die Karte 25. Zusatzartikel, könnte Trump zwar sofort des Amtes enthoben werden, jedoch wie beschrieben nur vorläufig.

Politisch könnte das Tauziehen zwischen Kabinett, Präsident und Kongress der US-Demokratie weiteren Schaden zufügen und würde sich wohl über den 20. Januar, den Tag von Joe Bidens Vereidigung zum neuen US-Präsidenten, hinaus hinziehen.

Die Absetzung über ein neues Impeachment-Verfahren zu erreichen, ist ebenfalls ungewiss, denn bereits in der Ukraine-Affäre konnte Trump ein Verfahren  zur Amtsenthebung erfolgreich abwehren. Und es wäre eine Zweidrittelmehrheit im Senat nötig. In der Frage, ob dies in der verbleibenden Zeit bis zum 20. Januar gelingen kann, sind die Experten uneins.

Während O'Sullivan dies für "unwahrscheinlich" hält, ist Verfassungsexperte Frank Bowman von der University of Missouri davon überzeugt, dass die Enthebung sogar binnen eines Tages abgeschlossen werden könne: "Sie könnten bis morgen Mittag eine Anklage gegen ihn beschließen und dann damit durch die Rotunde des Kapitols zum Senat laufen und festlegen, dass das Verfahren morgen Nachmittag beginnt."

Kann Trump für die Vorfälle juristisch belangt werden?

Rechtsexperten halten es für möglich, dass sich Trump wegen Aufwiegelung verantworten werden muss. "Aufwiegelung ist der Tatbestand, der auf diese Situation am ehesten zutrifft, denn er beinhaltet die Aufhetzung zu Gewalt gegen den Staat. Und genau das ist im Kongress geschehen", sagt Rechtsexperte Kenneth Manusama. In Kapitel 115 des US-Bundesrechts steht, dass das Anzetteln einer Revolte gegen den Staat ein krimineller Akt ist. Wer aufhetze, dabei helfe oder selbst an einer Revolte gegen die Autorität des Staates teilnehme, "soll nach diesem Recht bestraft werden", steht dort. Ein offizielles Amt dürfe eine so verurteilte Person nicht mehr bekleiden. Ein versuchter Staatsstreich kann mit bis zu 20 Jahren Haft bestraft werden.

Erst nach seinem Ausscheiden als Präsident kann Trump juristisch belangt werden.Bild: picture-alliance/AP Photo/E. Vucci

Aktuell kann Trump jedoch nicht belangt werden, da er von Amtswegen immun gegen Strafverfolgung ist. "Selbst wenn Trump durch den 25. Zusatzartikel des Amtes enthoben würde, dürfte er nicht belangt werden, denn er wäre immer noch rechtlich gesehen ein Präsident", erklärt Manusama. Trump kann also erst nach seiner Amtszeit für seine Rolle beim Aufruhr am 6. Januar belangt werden.

Und auch danach hält Donal O'Sullivan von der California State University eine Gefängnisstrafe für Trump für unwahrscheinlich. Zwar stünden verschiedene Staatsanwaltschaften wegen möglicher Delikte bei Kreditbetrug und Steuerhinterziehung bereits in den Startlöchern, doch eine Verurteilung wegen eines versuchten Staatsstreiches sei nicht realistisch.

"So ein Prozess ist heikel. Man muss beachten, dass sich dann auch viele der Demonstranten schuldig gemacht hätten. Das würde eine Kette von Gerichtsprozessen verursachen." Und dies könnte dem Kernziel des neuen Präsidenten Joe Biden entgegenwirken: das Land wieder zu einen. 

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