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PolitikEuropa

Fake News zum Attentäter von Kongsberg

14. Oktober 2021

Ein Mann tötet im norwegischen Kongsberg fünf Menschen. Kurz darauf präsentieren Twitter-Accounts einen angeblichen Täter und internationale Medien greifen die Story auf. Doch das Ganze ist ein Fake.

Norwegen | Angriff mit Pfeil und Bogen in Kongsberg
Tatort in Kongsberg: Ein Attentäter griff mehrere Menschen mit Pfeil und Bogen anBild: Terje Pedersen/NTB/AP/picture alliance

Wann immer sich ein Terroranschlag ereignet, beginnt in den sozialen Medien ein Wettrennen um die ersten Informationen zu Tat und Täter. Nicht selten handelt es sich dabei aber um Spekulationen und auch Falschmeldungen.

So auch im Fall des jüngsten Anschlages im norwegischen Kongsberg: Nachdem ein Mann mit Pfeil und Bogen bewaffnet fünf Menschen tötete und weitere verletzte, geisterte schnell ein Name durch Twitter: "Rainer Winklarson". Er soll angeblich der Attentäter von Kongsberg sein. Doch der Name ist eine Erfindung und die Fotos zeigen nicht den Attentäter, wie unser Faktencheck zeigt. Nach ersten Angaben der norwegischen Polizei soll der mutmaßliche Täter ein 37-jähriger Däne sein, der zuvor zum Islam konvertiert und wegen Radikalisierungstendenzen auffällig geworden sein soll. Inzwischen sei er festgenommen worden, sagte der regionale Polizeichef Ole Bredrup Saeverud.

Der mutmaßliche Täter "Rainer Winklarson" habe die Taten mehrere Tage zuvor auf seinem Youtube-Kanal angekündigt und "sogar seine Schießkünste vorgeführt", heißt es in einem viel geteilten Tweet, der am Mittwochabend um 21.28 Uhr als einer der ersten die Falschinformation verbreitete. Andere griffen den Namen auf und machten "Rainer Winklarson" zu einem "weißen norwegischen Christen" und andere fanden "neue private Bilder des #Kongsberg-Attentäters".

Falscher Täter: Dieser Screenshot zeigt Rainer Winkler aus BayernBild: Twitter.com

Internationale Medien greifen den Fake auf

Und damit nicht genug: Mehrere internationale Medien griffen die Spekulationen auf, berichteten über den angeblichen Täter "Rainer Winklarson", darunter die angesehene italienische Zeitung "Corriere della Sera", die französische "SudOuest" oder das griechische Medienhaus "The Toc". Manche Medien veröffentlichten dabei auch Fotos des angeblichen Täters, die jedoch jemand ganz anderen zeigen.

Die DW konnte die in den Tweets gezeigten Fotos einem deutschen Youtuber zuordnen, der sich "Drachen Lord" nennt und mehr als 150.000 Follower hat. "Drachenlord" heißt eigentlich Rainer Winkler und ist seit Jahren Opfer von Mobbing. Sowohl in der digitalen als auch in der analogen Welt wird Winkler mit Hassbotschaften konfrontiert. 2018 trafen sich bis zu 800 Menschen zum "Sturm" auf das Haus des "Drachen Lords", die Polizei musste anrücken. Das ausufernde Mobbing gegen Winkler nennen viele Nutzer "Drachengame". Die "Norwegisierung" seines Nachnamens in "Winklarson" und die Verbindung mit dem Attentat von Kongsberg ist der jüngste Angriff von Trollen auf den Youtuber aus einem 40-Einwohner-Ort in Bayern.

Angeblich auch für die Anschläge 2016 in München und 2019 in Utrecht verantwortlich

Ein Foto des angeblichen Täters "Rainer Winklarson" führt über eine Bilderrückwärtssuche zu einem Profilbild von Rainer Winkler, das bereits für zahlreiche Memes verwendet wurde. Über Videos von Winklers Youtube-Account konnte die DW auch den auf den Bogenschützen-Fotos abgebildeten Hof verifizieren: Es handelt sich um dieselben Garagentore mit derselben Zielscheibe wie auf den Fotos des angeblichen Attentäters. Das Video ist wahrscheinlich bereits 2020 entstanden, wie dieser archivierte Blogpost nahelegt. Auch eine charakteristische Narbe am Hinterkopf auf dem Bogenschützen-Foto lässt sich auf Videos von Winkler wiedererkennen. Die auf Twitter veröffentlichten Bilder zeigen demnach Rainer Winkler. Die DW hat ihn für eine Stellungnahme angefragt und bisher noch keine Antwort erhalten.

Derselbe Ort: Links ein Foto aus den irreführenden Tweets zum angeblichen Attentäter, rechts ein Videostill aus dem Yotube-Account des "Drachen Lords"

So skurril die Geschichte auch wirkt, sie kommt nicht wirklich überraschend: Winkler ist inzwischen als Opfer von Falschmeldungen und Hass im Netz ein "Dauerverdächtiger". Denn dem Youtuber wurden immer wieder fälschlicherweise Attentate angehängt. 2016 wurde er als angeblicher Attentäter von München präsentiert, der russische TV-Sender REN TV griff einen Tweet auf und zeigte Winklers Bild im Fernsehen. Im Bericht machte man ihn zu einem "18-jährigen Deutschen mit iranischer Herkunft". 2019 machte ihn der türkische Sender 24TV zum mutmaßlichen Attentäter von Utrecht. Seine angebliche Tat in Kongsberg ist also nur das jüngste Beispiel einer Kette an Fakes und Falschmeldungen über einen jungen Youtuber aus Bayern, das zeigt, welchen Einfluss Trolle auf journalistische Berichterstattung haben können.

Mitarbeit: Reliou Koubakin, Ilia Koval

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