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Faktencheck: Neue Corona-Booster, neue Fake News

26. August 2023

Bald sollen angepasste COVID-Impfstoffe zur Verfügung stehen. Sie sollen auch gegen neue Varianten wie Eris wirken. Schon geistern wieder zweifelhafte Behauptungen zu den Impfungen durchs Netz. Wir haben einige geprüft.

Ein Mann in Bangladesch lässt sich im Juli seine vierte Dosis Corona-Impfstoff spritzen
Ein Mann in Bangladesch lässt sich im Juli seine vierte Dosis Corona-Impfstoff spritzenBild: Md Rafayat Haque Khan/ZUMA Press/picture alliance

Am 5. Mai 2023 hat die Weltgesundheitsorganisation (WHO) den globalen Corona-Gesundheitsnotstand aufgehoben. Doch die eingeläutete Endemie bedeutet nicht, dass wir SARS-CoV-2 aus unserem Gedächtnis streichen sollten. Denn verschwunden ist COVID-19 nicht. Stattdessen kursieren neue "Varianten von Interesse", etwa: EG.5, auch Eris genannt, XBB.1.5 und XBB.1.16 (Arcturus).

Gegen diese neuesten (Unter-) Varianten bieten die neuen COVID-Impfstoffe von Pfizer, Moderna und Novavax wahrscheinlich Schutz. Alle drei Unternehmen warten derzeit noch auf Zulassung ihrer angepassten Vakzine in verschiedenen Ländern und Weltregionen, planen die Auslieferung aber in den kommenden Monaten. Die neuen Varianten und Booster sind gleichzeitig auch Startschuss für allerlei Desinformation. Ein DW-Faktencheck

Behauptung: Wiederholte COVID-19-Impfungen schwächen das Immunsystem und führen zu einem höheren Infektionsrisiko. "Es gab eine absolut direkte lineare Korrelation: Je mehr Spritzen man bekam, desto wahrscheinlicher bekam man COVID und desto eher verbreitete man COVID", so der kanadische Arzt Charles Hoffe in einem am 10. August veröffentlichten Facebook-Video . Ähnliches postete die Ärztin Elke Austenat im Juni 2023 auf Twitter bzw. X. 

DW-Faktencheck: Falsch

Zuerst einmal: Weder Hoffe noch Austenat sind unbeschriebene Blätter, was die Verbreitung von COVID-Falschinformationen betrifft. Die Behauptungen in den Posts sind zudem nicht wirklich neu.

Die Studie, auf die Hoffe in seinem Video anspielt, stammt von der Cleveland University. Darin wurde die Häufigkeit von COVID-19-Infektionen bei Beschäftigten im Gesundheitswesen in Ohio während des Höhepunkts der Omikron-Welle im Jahr 2022 untersucht.

Die Forschenden wollten herausfinden, ob ein bivalenter, also ein an Coronavirusvarianten angepasster Impfstoff vor COVID-19 schützt. In der Studien-Zusammenfassung heißt es: "Unter 51.011 Mitarbeitern der Cleveland Clinic im erwerbsfähigen Alter war der bivalente COVID-19-Auffrischimpfstoff zu 30 Prozent wirksam bei der Verhinderung von Infektionen [...]."

Den Schutz bezeichnet Studienautor Nabin Shrestha als "bescheiden". Die Studie weist allerdings auch große Schwächen auf und befindet sich noch immer im Preprint-Status, wurde also noch nicht von unabhängigen wissenschaftlichen Institutionen geprüft.

Wie COVID-Booster wirken

Schwächen COVID-19-Impfungen nun also das Immunsystem? "Nein", sagt Kawsar Talaat, außerordentliche Professorin in der Abteilung für internationale Gesundheit der Johns Hopkins Bloomberg School of Public Health. "Unser Immunsystem ist daran gewöhnt, viele verschiedene Reize zu erhalten, sei es durch Impfungen oder durch den Kontakt mit dem Virus", so die Impfstoffforscherin. Glücklicherweise werde unser Immunsystem nicht schwächer, je öfter wir einem Krankheitserreger ausgesetzt sind, sondern stärker.

Talaat betont: "Die Impfungen schützen Sie, sie führen nicht zu einem erhöhten Risiko für irgendeine Art von Infektion."

Dies gelte auch für COVID-Booster. Die Immunität sei nach der Grundimmunisierung allerdings schon relativ hoch, so dass der zusätzliche Schutz nach der Auffrischung nicht mehr ganz so groß sei. "Aber das Immunsystem wird auf keinen Fall erschöpft, und die Auffrischungsimpfungen verbessern die Immunreaktion", versichert Talaat.

Kaswar Talaat rät, empfohlene Auffrischungen wahrzunehmen, da nach einigen Monaten bis zu einem Jahr die Immunität nachlässt, die man durch den Booster erworben hatte.

Doch auch individuelle Faktoren spielen eine Rolle: Wer kürzlich erst infiziert war, dessen Immunität wurde durch die Infektion selbst aufgefrischt. Dann könne länger mit einem Booster gewartet werden, sagt Talaat. Ältere oder Menschen mit Vorerkrankungen hingegen haben generell ein schwächeres Immunsystem. Für sie ist es wichtig, den Immunschutz hoch zu halten.

Haben die Corona-Impfstoffe versagt?

Behauptung: In einem millionenfach gesehenen Tweet erklärt Collin Rugg, amerikanischer Unternehmer und Co-Inhaber der rechtslastigen News-Website Trending Politics: "Die Biden-Administration wird den Amerikanern in den kommenden Wochen eine weitere COVID-19-Auffrischungsimpfung empfehlen, obwohl frühere Impfungen und Auffrischungsimpfungen die Menschen nicht vor dem Virus schützen." Ihm zufolge sollen also die bisherigen COVID-Impfstoffe nicht effizient gegen das Coronavirus gewesen sein.

DW Faktencheck: Falsch

Diese verallgemeinernde Feststellung wird von Expertenseite nicht geteilt. Zwar ist richtig, dass sich Menschen auch nach (wiederholter) Impfung mit dem Coronavirus infiziert haben, und sogar in seltenen Fällen schwer erkrankt und gestorben sind. Solche Infektionen nennt man auch "Impfdurchbrüche". Doch es ist normal, dass Vakzine nicht zu 100 Prozent wirksam sind.

Rafael Mikolajczyk, Leiter des Instituts für Medizinische Epidemiologie, Biometrie und Informatik an der Universität Halle erklärt, dass auch weitere Faktoren beeinflussen, wie effektiv ein Impfstoff eine Person jeweils vor COVID schütze: etwa das Alter und der generelle Gesundheitszustand, die Anzahl der vorherigen Impfungen, das Intervall dazwischen und wie lange die letzte Impfung her ist.

Da laut der Daten-Website "Our World in Data" weltweit mittlerweile 70,5 Prozent der Weltbevölkerung - das sind circa 5,7 Milliarden Menschen - mindestens eine COVID-Impfung erhalten haben, können auch die absoluten Zahlen bei Impfdurchbrüchen hoch erscheinen. Entscheidend ist jedoch, dass die Vakzine dennoch vor schweren Erkrankungen, Krankenhausaufenthalten und Todesfällen schützen.

Einer im Januar 2023 veröffentlichten US-Studie zufolge zum Beispiel schützen die an neue Varianten angepassten mRNA-Booster von Pfizer-Biontech und von Moderna zu 58,7 beziehungsweise zu 58,8 Prozent vor einem Krankenhausaufenthalt. 

So funktioniert die Corona-mRNA-Impfung

03:45

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Epidemiologin Talaat fasst bezüglich der Wirksamkeit der Corona-Vakzine zusammen: "Der Schutz vor einer Infektion ist tatsächlich nicht so gut. Sie können also COVID bekommen, auch mit Husten, laufender Nase, Fieber, Gliederschmerzen. Aber es ist sehr unwahrscheinlich, dass Sie im Krankenhaus landen und oder gar sterben, vor allem nicht, wenn Sie mehrere Impfungen und Auffrischungen erhalten haben."

Ihre Einschätzung teilen auch führende Gesundheitsorganisationen und Forschungsinstitutionen. Auf der Seite der WHO heißt es: "Seit ihrer Einführung haben die COVID-19-Impfstoffe Millionen von Menschenleben auf der ganzen Welt gerettet." 

Natürlich verdient die Pharmaindustrie am Coronavirus

Behauptung: Bei der Impfung geht es um Geld für die Pharmabranche. "BioNTech bringt neue 'Impfung' in Verkehr - und nahezu zeitgleich tauchen die üblichen Agenturaccounts auf, um Panik wegen COVID zu schüren", heißt es auf Twitter bzw. X. "Langsam läuft die Werbetrommel für die kommende Herbst/Winter Saison an", schreibt wiederum ein Nutzer auf Facebook

DW-Faktencheck: Irreführend

Es ist richtig, dass die Umsätze von BioNTech und Pfizer durch die Pandemie stark gestiegen sind. Richtig ist aber auch, dass die Pharmabranche bereits seit 20 Jahren kontinuierlich expandiert. Laut "Statista" stieg der weltweite Absatz von Medikamenten im Zeitraum von 2001 bis 2022 von 390 Milliarden US-Dollar auf 1,48 Billionen US-Dollar. 

"Ich werde nicht bestreiten, dass Impfstoffe der Pharmaindustrie Geld einbringen", sagt Kawsar Talaat. "Das tun sie eindeutig, sonst würden sie sie nicht herstellen. Aber bei den Impfstoffen geht es nicht nur darum, Geld für die Pharmaindustrie zu verdienen, sondern auch darum, Leben zu retten."

Aufgezogene Spritzen mit Impfstoff gegen COVID-19Bild: Daniel Karmann/dpa/picture alliance

Grundsätzlich gilt: Gesundheitsbehörden empfehlen etwas nicht, weil die Pharmaindustrie damit Geld verdient. Pharmaunternehmen werden durch Zulassungsbehörden und nachgelagerte, unabhängige Studien kontrolliert. Die Prüfung und Zulassung von Impfstoffen hängt mit einem aufwendigen und streng geregelten Verfahren zusammen.

Bezüglich der nun erneut angepassten Impfstoffe stellen weder Kawsar Talaat noch Rafael Mikolajczyk die Relevanz infrage. "Ein sehr großer Anteil der Bevölkerung wurde vor langer Zeit geimpft. [...] Dadurch haben wir eine Situation, dass viele Menschen einen sehr niedrigen Antikörperspiegel haben", ordnet Epidemiologe Mikolajczyk im DW-Gespräch ein. Eine Auffrischungsimpfung erachten beide Experten als sinnvoll - und nicht nur als Geldmache für die Pharmaindustrie.

Hier geht es zu einem DW-Faktencheck, der sich ausführlich mit der Frage befasst, inwiefern COVID-19 die Pharmakonzerne reich macht.

 

Ines Eisele Faktencheckerin, Redakteurin und AutorinInesEis
Hannah Fuchs Multimedia-Reporterin und Redakteurin mit Fokus auf Technik, digitalen Themen und Psychologie.
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