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Faktencheck: Neue Fakes über angeblichen Selenskyj-Reichtum

3. Juli 2024

Hat sich die ukrainische Präsidentengattin Olena Selenska einen Sportwagen für 4,5 Millionen Euro gekauft? Ein angeblicher Autoverkäufer behauptet das in einem viralen Instagram-Video.

Ein X-Post mit einer Bildkomposition aus einem angeblichen Autoverkäufer, der angeschnallt vom Fahrersitz eines Sportwagens in eine Kamera spricht, sowie die Fotos eines Sportwagens und einer angeblichen Rechnung dazu adressiert an Olena Selenska.
Dieser angebliche Autoverkäufer behauptet, sein Autohaus habe Olena Selenska den neuen Bugatti Tourbillon exklusiv präsentiert und verkauftBild: X

Mal geht es um  Juwelen, dann um eine Luxusyacht und wieder ein anderes Mal um den ehemaligen Privatwohnsitz der britischen Königsfamilie: All das sollen Wolodymyr Selenskyj oder seine Ehefrau Olena in letzter Zeit gekauft haben, während der ukrainische Präsident sein Volk in den Krieg gegen Russland schicke. Gefälschte Belege, mit denen dem ukrainischen Präsidentenpaar Prunksucht und ein riesiger - durch Korruption ergaunerter - Reichtum unterstellt wird, machen im Internet immer wieder die Runde. Nun sollen sich die Selenskyjs bei ihrem letzten Besuch in Paris ein bis zwei Luxus-Sportwagen der italienischen Marke Bugatti gegönnt haben.

Behauptung: In einem Instagram-Video eines mittlerweile gelöschten Accounts verkündet ein angeblicher Mitarbeiter eines Pariser Autohauses der "Groupe Schumacher" den Verkauf, bekundet Unterstützung für die Ukrainer und heißt die Selenskyjs in der "Bugatti-Familie" willkommen. Millionenfache Verbreitung fand das Video wohl seit dem 1. Juli vor allem auf X (archiviert), ehemals Twitter.

Nein, diese Rechnung stammt nicht vom Pariser Bugatti-Händler Groupe SchumacherBild: X/Jackson Hinkle

In einem Artikel der Website "Veritee Cachee France"(Deutsch: Die kaschierte Wahrheit) wird auch gleich die angebliche Rechnung mitgeliefert. Allein 6,5 Millionen Views bekam ein Tweet der notorischen Fake-Schleuder Jackson Hinkle, in dem er die Falschbehauptung mit einem Bild besagter "Rechnung" zu belegen versucht. Hat Olena Selenska also das erste Exemplar des neuen Bugatti Tourbillon für rund 4,5 Millionen Euro bestellt?

DW-Faktencheck: Fake

Das Autohaus, das in dem Video und auf der Rechnung genannt wird, gibt es tatsächlich. Auf Nachfrage hat ein Manger dem DW-Faktencheckteam eine schriftliche Stellungnahmen übermittelt. Laut der hat das Unternehmen nichts mit der ganzen Sache zu tun. Vielmehr habe man bereits Klage eingereicht, unter anderem wegen Urkundenfälschung, Identitätsdiebstahls und Verleumdung.

Dass die Rechnung nicht von dem darauf genannten Autohaus stammt, ist plausibel: Denn das angebliche Dokument enthält zahlreiche Fehler. Der Ortsname in der Adresse Neuilly-sur-Seine ist mit nur einem l geschrieben, es fehlen die obligatorischen Angaben zu Mehrwertsteuer und Zahlungsmodalitäten. Noch nicht einmal eine Währung ist angegeben - so dilettantisch würde wohl niemand auch nur 4,5 Millionen Indonesische Rupien, also rund 255 Euro, in Rechnung stellen .

In der Pressemitteilung erklärt die Unternehmensgruppe deutlich, dass es eine solche Transaktion nicht gegeben und man wegen der Fakes Klage eingereicht habe

Autoverkäufer ohne Vergangenheit im Netz

Auch das inzwischen gelöschte Video wirft Fragen auf: Die Person bewegt sich merkwürdig steif. Mimik, Kopfbewegungen und Tonfall passen nicht zu der großen Ankündigung, die er macht. Sein Französisch ist fehlerhaft, seine Worte merkwürdig unartikuliert. Das sind eher subjektive Eindrücke, doch es gibt auch objektive Indizien: Dem gelöschten Instagram-Account (jacqes_bertin_ls) nach heißt der angebliche Autoverkäufer Jacques Bertin. Doch weder sein Name noch sein Bild können uns Hinweise auf seine Existenz außerhalb dieses Videos liefern.

In Summe sind das deutliche Hinweis darauf, dass es diesen Menschen gar nicht gibt, sondern dass er mithilfe Künstlicher Intelligenz (KI) erschaffen und zum Sprechen gebracht wurde.

Angebliche Nachrichtenseite ist verdächtig

Der dritte Hinweis darauf, dass die Geschichte frei erfunden ist, ist die angebliche Nachrichtenseite, auf der sie veröffentlicht wurde. Zwar ist der Text aufgebaut wie ein Artikel in einem Boulevard-Blatt und detailliert genug, als dass er KI-generiert wirken würde.

Doch die Seite selbst weist allerlei typische Merkmale einer Trollseite auf: kein Impressum, keine Autorennamen, keine Bildquellenangaben, keine Datumsangaben in Beiträgen. Das konfuse Layout mit teilweise verzerrten Fotos oder absurden Bildausschnitten dürfte ein Resultat nachlässiger Programmierung sein.

Die Überschriften auf "Veritee Cachee France" wirken wie Antworten von einem ChatbotBild: veritecachee.fr

Am auffälligsten vielleicht: Die Überschrift fast jedes Artikels auf der Homepage beginnt mit den Worten "(Bien sûr,) voici un titre court pour l'article" (Deutsch: (Gerne,) hier ist ein kurzer Titel für den Artikel). Der Verdacht drängt sich auf: Jemand, beziehungsweise ein Computerprogramm, hat einen KI-Chatbot damit beauftragt einen Titel für den Artikel zu kreieren und die komplette Antwort auf die Seite gestellt.

Typisches Muster zum Verbreiten von Fakes

Die Art und Weise, wie diese Falschmeldung verbreitet wurde, folgt einem Muster, das bei russischer Propaganda häufig zu beobachtenden ist: Eine Information wird ersonnen, die den Interessen der Urheber dient. Hier: Diffamierung des ukrainischen Präsidenten.

Dann wird ein entsprechender Fake konstruiert. Dies kann wie hier ein Social-Media-Video sein, eine Spoofing-Produktion, also die Imitation eines renommierten Mediums, oder ein manipuliertes Foto. Häufig wird dabei Künstliche Intelligenz, manchmal ein herkömmliches Bildbearbeitungsprogramm eingesetzt.

Im nächsten Schritt greifen einschlägige Fake-News-Portale - wie hier "Veritee Cachee France" - das Thema auf. Und mehr oder weniger zeitgleich verbreiten es ebenso einschlägige Social-Media-Accounts. Durch die hohe Zahl von Followern, die solche X-, Facebook-, Telegram- oder TokTok-Accounts oft haben, gehen die Falschinformationen dann schnell viral.

Der Vollständigkeit halber sei gesagt: Aus den sogenannten Pandora Papers geht hervor, dass Wolodymyr Selenskyj aus milliardenschweren Korruptionsmachenschaften des ukrainischen Oligarchen Ihor Kolomojskyj profitiert haben könnte und Inhaber einer Offshore-Briefkastenfirma ist. 

Jan D. Walter Jan ist Redakteur und Reporter der deutschen Redaktion für internationale Politik und Gesellschaft.
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