Faktencheck: Vance' Aussage über AfD und Nazis ist falsch
4. Januar 2025Erst Elon Musk, nun JD Vance: Mächtige Männer der USA sprechen sich vor der anstehenden Bundestagswahl in Deutschland für die in Teilen rechtsextreme Alternative für Deutschland (AfD) aus. Dabei polarisieren Elon Musk, reichster Mann der Welt, und JD Vance, designierter US-Vize-Präsident und damit demnächst Vertreter Donald Trumps als US-Präsident, mit ihren Aussagen.
Aktuell kritisiert Vance nicht nur amerikanische Medien, die die AfD als Nazi-nah bezeichnen - er behauptet auch, dass die rechtspopulistische Partei in den Gegenden Deutschlands am beliebtesten sei, in denen der Widerstand gegen die Nazis am größten gewesen sei. Aber stimmt das wirklich?
Behauptung: In einem Post auf X(hier archiviert), der mehr als fünf Millionen Mal aufgerufen wurde, behauptet JD Vance, dass amerikanische Medien die AfD als Nazi-nah verleumden würden und schreibt außerdem: "Die AfD ist in den Regionen Deutschlands am beliebtesten, die den meisten Widerstand gegen die Nazis leisteten."
DW-Faktencheck: Falsch.
Diese Behauptung ist falsch. Wahlergebnisse und wissenschaftliche Studien über geografische Zusammenhänge von Wahlverhalten legen eher das Gegenteil nahe, doch dazu später mehr.
Zunächst stimmt es, dass US-amerikanische Medien wie beispielsweise die New York Times oder auch Fox News die AfD zum Teil mit dem Nationalsozialismus in Verbindung bringen. Das liegt auch daran, dass die AfD zum Teil selbst nationalsozialistische Parolen verwendet. 2021 wurde der AfD-Politiker Björn Höcke, der ehemals als Geschichtslehrer arbeitete, beispielsweise dafür verurteilt, öffentlich die nationalsozialistische und damit verbotene Parole "Alles für Deutschland" verwendet zu haben.
Zudem gelten einige Landesverbände sowie die Jugendorganisation der AfD als gesichert rechtsextrem sowie die gesamte Partei als rechtsextremer Verdachtsfall. Alice Weidel, Parteivorsitzende der rechten Partei, bezeichnete den 8. Mai, also den Jahrestag der Befreiung Deutschlands von den Nazis, als Niederlage des eigenen Landes
Die AfD ist vor allem in Ostdeutschland beliebt
Nun behauptet der angehende Vize-Präsident der USA JD Vance, dass die AfD gerade in den Regionen Deutschlands beliebt sei, die den Nazis am meisten Widerstand geleistet hätten. Einen Beleg dafür liefert er allerdings nicht - und seine Behauptung ist auch falsch, wie unsere Recherchen zeigen.
Die meisten aktuellen Umfragen vor der anstehenden Bundestagswahl 2025 beziehen sich auf die gesamtdeutsche Stimmung und schauen nicht auf die Stimmung einzelner Regionen. Bei der vergangenen Bundestagswahl 2021 ging die AfD in Teilen Thüringens, Sachsen-Anhalts und Sachsens als Wahlsiegerin hervor, was die Zweitstimmen angeht. Die Zweitstimmen bestimmen, wie viele Sitze eine Partei im Deutschen Bundestag erhält. Insgesamt war sie besonders in den sogenannten neuen Bundesländern (Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen), also Ländern der ehemaligen DDR, stark.
Ein ähnliches Bild ergibt sich, wenn man sich die Wahlergebnisse Deutschlands für die Europawahl im Juni 2024 ansieht. Auch hier war die AfD vor allem in Ostdeutschland erfolgreich. In Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen hatte die AfD mindestens 27 Prozent der Stimmen und somit den größten Stimmanteil in diesen Bundesländern. Deutschlandweit erhielt die AfD 15,9 Prozent der Stimmen.
Auch bei den vergangenen Landtagswahlen dieser zuvor genannten Bundesländer war die AfD besonders stark.
Warum die Behauptung von JD Vance falsch ist
Aber waren genau diese Regionen, in denen die AfD besonders beliebt ist, auch besonders widerständig im Nationalsozialismus, wie JD Vance behauptet? Adolf Hitlers Partei, die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei (NSDAP), kam 1933 an die Macht. In der letzten Reichstagswahl vor seiner Machtübernahme, nämlich am 6. November 1932, war die NSDAP mit 33,1 Prozent stärkste Kraft.
Schaut man auf die Wahlergebnisse der Regionen im November 1932, so bekam die NSDAP in weiten Teilen Deutschlands die meisten Stimmanteile, so auch im Osten Deutschlands und auch in den Regionen, in denen heutzutage viele Menschen die AfD wählen – aber auch in vielen anderen Regionen Deutschlands.
Forschungsergebnisse widersprechen JD Vance' Aussage
In der Reichstagswahl im März 1933 war die NSDAP noch stärker und bekam in den meisten Wahlkreisen die meisten Stimmen, wobei Nord- und Ostdeutschland die Hochburgen darstellten. Diese Wahl wird historisch aber als unfrei bezeichnet, da die NSDAP und ihre Anhänger Wählende massiv einschüchterten, zum Teil auch mit Gewalt.
Die Behauptung von JD Vance, dass die Regionen, in denen die AfD beliebt ist, im Nationalsozialismus besonders widerständig waren, ist also falsch.
"Unsere Forschungsergebnisse widersprechen dieser Aussage konkret", erklärt auch Felix Hagemeister, Co-Autor einer Studie an der Ludwig-Maximilians-Universität in München, im DW-Interview. Für die bisher noch unveröffentlichte Studie, aus der aber Auszüge schon öffentlich sind, analysierten die Autoren geografische Zusammenhänge zwischen Gemeinden, in denen viele die AfD wählen, und Gemeinden, die 1933 die NSDAP stark unterstützten und im März 1933 wählten.
In Ostdeutschland ist der geografische Zusammenhang besonders ausgeprägt
Geografisch gesehen habe es 1933 eine hohe Wahlunterstützung für die NSDAP in den Gemeinden gegeben, in denen auch heute die AfD stärker unterstützt werde, sagt Hagemeister. "Falsch wäre es da von einer Kausalität zu sprechen", betont Hagemeister jedoch. Es gehe eher um eine Kontinuität, rechte Tendenzen von Generation zu Generation weiterzugeben. "Es gibt Forschung, die zeigt, dass Kinder dazu tendieren, Einstellungen ihrer Eltern zu übernehmen", fügt er hinzu.
In Ostdeutschland ist dieser geografische Zusammenhang zwischen Gemeinden, in denen damals die NSDAP stark gewählt wurde und heute die AfD, besonders ausgeprägt. Aber auch im Westen Deutschlands lässt sich der Zusammenhang feststellen.
Dennoch ist Vorsicht geboten, wenn es darum geht, Wahlergebnisse der 1930er Jahre mit denen von heute zu vergleichen, gerade wenn es um die NSDAP und die AfD geht. Es sollte nicht darum gehen, Wähler der AfD mit Wählern der NSDAP vor über 80 Jahren sowie die beiden Parteien zu vergleichen, schreibt beispielsweise der Autor Christian Booß für die Bundeszentrale für politische Bildung.
Eine Analyse von 2024 zeigt beispielsweise auf, dass der AfD-Stimmenanteil zum Teil auch durch sozioökonomische Unterschiede bedingt ist - also durch Lebensumstände der Menschen in bestimmten Regionen, die zum Teil deren Wahlverhalten beeinflussen. Zudem seien auch kulturelle und ideologische Merkmale relevant.
Mitarbeit: Torsten Neuendorff