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KonflikteDeutschland

Faktencheck: Verstößt NATO-Präsenz gegen 2+4-Vertrag?

16. Oktober 2024

Eine neue maritime Einheit der NATO entsteht derzeit in Rostock. In den sozialen Medien wird der Vorwurf laut: Die NATO verstoße damit gegen den sogenannten Zwei-plus-Vier-Vertrag. Stimmt das? Ein Faktencheck.

Symbolbild Deutsche Marine Rostock Deutschland
Bild: Danny Gohlke/dpa/picture alliance

Der deutsche Verteidigungsminister Boris Pistorius weiht am 21. Oktober 2024 ein neues maritimes taktisches Hauptquartier für die NATO in Rostock ein, wie das Presse- und Informationszentrum der Deutschen Marine bereits im Vorfeld mitteilt. 

Das heißt, dass die Deutsche Marine, auch bekannt als "DEU MARFOR", künftig eine neue Funktion für die NATO in der Ostseeregion übernimmt. Neben Deutschland sind noch zwölf weitere Nationen daran beteiligt: Dänemark, Estland, Finnland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Lettland, Litauen, Niederlande, Norwegen, Polen und Schweden. 

In den sozialen Medien äußern sich viele User empört darüber und verbreiten Falschbehauptungen. Das DW-Faktencheck-Team hat eine besonders virale Behauptung überprüft. 

Behauptung:  "Das dürfte fulminant gegen den 2+4 Vertrag verstoßen, denn der legt unmissverständlich fest, dass in Ostdeutschland keine NATO-Truppen stationiert werden dürfen", schreibt ein User auf X in einem Post, der bisher mehr als 340.000 Mal angezeigt und mehr als 1.900 Mal geteilt wurde. Zudem zitiert der Nutzer die Überschrift der deutschen Ostsee-Zeitung: "NATO eröffnet neues Hauptquartier in Rostock".  

DW-Faktencheck: Falsch.

Der Post suggeriert, dass die NATO einen neuen Stützpunkt in Rostock unter ihrer Führung und mit ihren Truppen errichten würde und damit gegen den sogenannten Zwei-plus-Vier-Vertrag verstoßen würde. 

Diese Behauptung ist jedoch falsch. In Rostock wird kein neues NATO-Hauptquartier errichtet. Ein bereits bestehender Führungsstab im Marinekommando Rostock, der bereits mit verschiedenen Ländern zusammenarbeitet, werde künftig zusätzlich Aufgaben für die NATO wahrnehmen, teilte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums der DW auf Anfrage mit.

 

Die nationale Marinekommandozentrale in Rostock wird fälschlicherweise als NATO-Hauptquartier bezeichnetBild: X

Laut dem deutschen Verteidigungsministerium sieht diese neue Funktion, auch "Commander Task Force Baltic" (CTF Baltic) genannt, vor, dass die Deutsche Marine gemeinsam mit Soldaten aus den Partnerländern militärische und zivile Daten in der Ostseeregion sammelt und diese der NATO zur Verfügung stellt. 

Keine Stationierung von NATO-Truppen

Es handele sich also nicht um ein NATO-Hauptquartier, sondern um ein Hauptquartier der Marine mit multinationaler Beteiligung, bestätigt der Politikwissenschaftler Frank Sauer von der Universität der Bundeswehr in München im DW-Interview. "Es werden dort also neben den deutschen auch ein paar Stabsoffiziere aus NATO-Ländern Dienst tun. Das ist keine Stationierung von Streitkräften", so Sauer.

Die Kommandozentrale sei eine deutsche Initiative mit den Ostseeanrainer-Staaten, die nicht in die NATO-Strukturen integriert und nicht dem NATO-Befehlshaber unterstellt sei, sagt auch Carlo Masala, Direktor des Center for Intelligence and Security Studies an der Universität der Bundeswehr in München, im DW-Gespräch.

Ist der Zwei-plus-Vier-Vertrag gefährdet?

Diese neue Funktion verstößt laut Experten nicht gegen den Zwei-plus-Vier-Vertrag, wie auf Social Media fälschlicherweise behauptet wurde. 

DerZwei-plus-Vier-Vertrag wurde am 12. September 1990 zwischen der Bundesrepublik Deutschland (BRD) und der Deutschen Demokratischen Republik (DDR)  und den vier Siegermächten, den USA, der Sowjetunion, Frankreich und Großbritannien, geschlossen. Er trat ein halbes Jahr später offiziell in Kraft.

Der Vertrag regelt unter anderem die innere und äußere Souveränität des vereinten Deutschlands und legt die endgültigen Grenzen des Staatsgebiets fest. Er regelt außerdem die Personalstärke der deutschen Streitkräfte und den Verzicht auf den Besitz von sogenannten ABC-Waffen, also atomaren, biologische und chemischen Waffen. Des Weiteren wurde im Vertrag der Abzug der sowjetischen Truppen und das Recht Deutschlands, Bündnissen anzugehören, vereinbart. 

Am 12. September 1990 unterzeichneten die Vertreter der BRD und der DDR und der vier Siegermächte des Zweiten Weltkrieges (USA, UdSSR, Frankreich, Großbritannien) den Zwei-plus-Vier-VertragBild: picture alliance/dpa

In Artikel 5, Absatz 1 des Vertrags heißt es, dass bis alle sowjetischen Streitkräfte damals abgezogen sind, Streitkräfte anderer Staaten auf diesem Gebiet nicht stationiert werden dürfen oder andere militärische Tätigkeiten dort ausgeübt werden dürfen. Dieser Absatz bezieht sich also ausschließlich auf die damalige Zeit.

Bernhard Blumenau, Dozent für Internationale Geschichte und Politik an der Universität St. Andrews in Großbritannien, verweist gegenüber der DW auf den historischen Kontext des Zwei-Plus-Vier-Vertrags und dessen Ziel: "Damals ging es um Sicherheitsgarantien für die osteuropäischen Staaten und die UdSSR. 1990 war die Ostgrenze Deutschlands die NATO-Außengrenze. Wären dort NATO-Truppen stationiert worden, hätte dies ein deutlich höheres Bedrohungspotenzial für die damalige UdSSR dargestellt. Ostdeutschland sollte somit als Puffer fungieren und der UdSSR die "Schmach" ersparen, westliche Truppen auf "ihrem" ehemaligen Gebiet zu haben. Heute jedoch verläuft die NATO-Ostgrenze in Finnland, Polen und dem Baltikum", so Blumenau.

Kommandozentrale in Rostock verstößt nicht gegen Zwei-plus-Vier-Vertrag

"Grundsätzlich gilt, dass Deutschland mit dem Zwei-plus-Vier-Vertrag souverän ist und somit auf seinem Gebiet mit seinen Streitkräften verfahren kann, wie es möchte, mit ein paar Ausnahmen hinsichtlich von Nuklearwaffen", fügt Blumenau hinzu. Da es sich um ein nationales deutsches Hauptquartier handele, verstoße es in keiner Weise gegen den Vertrag.

Was die Stationierung der NATO-Truppen oder Raketen in Ostdeutschland angeht, so besagt Artikel 5, Absatz 3  klar: "Ausländische Streitkräfte und Atomwaffen oder deren Träger werden in diesem Teil Deutschlands weder stationiert noch dorthin verlegt". 

Das ist bei der neuen Funktion der Kommandozentrale in Rostock auch nicht der Fall. Somit verstößt sie auch nicht gegen den Zwei-plus-Vier-Vertrag. 

Mitarbeit: Claudia Dehn

Dieser Artikel wurde am 16.10.2024 veröffentlicht und am 17.10.2024 aktualisiert: Der Titel wurde von "Faktencheck: Verstößt NATO gegen 2+4-Vertrag?" zu "Faktencheck: Verstößt NATO-Präsenz gegen 2+4-Vertrag?" geändert.

Die Anzahl der beteiligten Länder wurde am 25.10.2024 korrigiert. In der ersten Pressemitteilung vom 15.10.2024 hat die Bundeswehr von zwölf Ländern gesprochen. In der aktuellen Pressemitteilung sind 13 Länder aufgeführt. Nach Rücksprache mit der Bundeswehr haben wir die Zahl im Artikel ebenfalls aktualisiert. 

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