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Politik

Was ist dran an der "gestohlenen Wahl"?

Robert Mudge | Joscha Weber
9. November 2020

Donald Trump, führende Republikaner und ihre Anhänger sprechen weiter von einer manipulierten Wahl. Und selbst die Impfstoff-Ankündigung von Pfizer und Biontech gerät nun in ihr Visier. Wir haben die Aussagen überprüft.

USA Wahllokal Präsidentschaftswahlen 2020
Der Urnengang in den USA ist längst Geschichte, doch die Betrugsvorwürfe der Republikaner hören nicht aufBild: Wang Ying/picture alliance/dpa

Wurde die Bekanntgabe des Corona-Impfstoffs zurückgehalten?

Behauptung:

"Wie ich schon seit längerer Zeit vorhergesagt habe, haben @Pfizer und die anderen den Impfstoff erst nach der Wahl angekündigt, weil sie nicht den Mut hatten, es vorher zu tun. Auch die @US_FDA hätte den Impfstoff früher ankündigen sollen, nicht aus politischen Gründen, sondern, um Leben zu retten!"

Faktencheck:

US-Präsident Donald Trump wirft den Konzernen Pfizer und wohl auch Biontech vor, die Ankündigung, dass der Impfstoff zu 90 Prozent wirksam gegen das Coronavirus ist, zurückgehalten zu haben. In einem weiteren Tweet greift er zudem die zuständige Federal Drug Agency (FDA) sowie die Demokraten an, die Trump keinen politischen "Impfstoff-Sieg" haben geben wollen. Zuvor hatte er die Ankündigung des Impfstoffes noch als "großartige Nachricht" gefeiert. Pfizer-Chef Albert Bourla hat hingegen jegliche zeitliche Verzögerung der Verkündung zurückgewiesen. Das Timing der Verkündung habe nichts mit Politik zu tun, sagte er dem US-Nachrichtensender CNN.

Zugleich stellte er klar, dass er erst am vergangenen Sonntag von der erfolgreichen Zwischenstudie des Impfstoffs erfahren habe. Zuvor habe Pfizer bei Zwischenanalysen nicht genügend COVID-19-Infektionen in der Testgruppe feststellen können, um aussagekräftige Daten präsentieren zu können, berichtet CNN. In einem offenen Brief von Mitte Oktober hatte Bourla diesen Schritt für die dritte Novemberwoche prognostiziert.

Zuvor hatte Trump die forschenden Pharmakonzerne aufgerufen, noch vor dem Wahltag am 3. November einen Impfstoff zu finden - wohl auch, weil ihm das bei der Wahl Stimmen gebracht hätte. In einem Interview mit dem Sender CNBC bezeichnete Bourla den Wahltag als "künstliche Deadline" und dass die Daten dann vorlägen wenn sie vorlägen.

In einer gemeinsamen Pressemitteilung hatten Pfizer und Biontech erkärt, dass die erste Zwischenanalyse zur Wirksamkeit des Impfstoffes am 8. November durchgeführt worden ist, also fünf Tage nach der Präsidentschaftswahl. Auf Basis der Darstellungen von Pfizer und Biontech ist Trumps Aussage als falsch zu bewerten. Die Pharmakonzerne sowie die FDA konnten den ersten Erfolg auf dem Weg zur Impfstoff-Zulassung nicht früher ankündigen, weil die Daten erst nach der Wahl vorlagen.

Haben tote Menschen gewählt?

Behauptung:

"Mehr als 14.000 tote Menschen haben im Wayne County (Detroit) gewählt."

Faktencheck:

Massenhaft eingegangene Wahlzettel von toten Menschen? Was nach einem Scoop derer klingt, die die Richtigkeit der Präsidentschaftswahl anzweifeln, entpuppt sich als Ente: Die Liste, auf die mehrere Menschen in Social Media Posts verweisen, ist nicht mehr online und die Suche in der verlinkten Datenbank ergibt keine entsprechenden Treffer. Es liegt demnach keinerlei Beweis vor, dass bereits verstorbene Wähler abgestimmt haben. Vielmehr ist es bei Wahlen in den USA nicht unüblich, dass verstorbene Wähler noch auf Listen von registrierten Wählern stehen, die noch nicht aktualisiert wurden, zum Beispiel, weil der Tod erst kurz vor dem Wahltermin eintrat.

Das Innenministerium von Michigan stellt klar, dass sämtliche Wahlunterlagen von verstorbenen Wählern abgelehnt werden und das "sogar wenn der Wähler per Briefwahl wählt, dann aber noch vor dem Wahltag verstirbt". In Einzelfällen hatten gleichlautende Namen für eine gewisse Verwirrung gesorgt. So zum Beispiel im Fall von William Bradley, der 1984 verstarb, dessen Stimme aber zunächst erfasst wurde. Die Aufklärung: Die Stimme seines Sohnes, der den gleichen Namen trägt, war fälschlicherweise dem verstorbenen William Bradley zugeordnet worden.

Bereits zuvor konnten in Pennsylvania Meldungen zu massenhaftem Wahlbetrug mit Unterlagen von bereits verstorbenen Menschen widerlegt werden. Die Behauptung, dass in den USA im Namen von Tausenden toten Menschen gewählt wurde, ist somit falsch.

Gab es mehr Stimmen als registrierte Wähler?

Behauptung:

"101 Prozent Wahlbeteiligung unter den Wählern in Wisconsin? Betrügerisch."

Faktencheck:

Diesen Vorwurf haben zahlreiche Menschen in den sozialen Netzwerken erhoben und immer wieder geteilt. So soll zum Beispiel in Wisconsin die Zahl der abgegebenen Stimmen die der registrierten Wähler überstiegen haben. Diese Darstellung ist nicht korrekt. In den Social-Media-Posts werden alte Zahlen verwendet: Die Zahl von 3.239.920 Stimmen wird einer Zahl von 3.129.000 registrierten Wählern in Wisconsin gegenübergestellt. Die für die Wahl zuständige Wisconsin Election Comission berichtet auf ihrer Webseite jedoch von aktuell 3.684.726 registrierten Wählern (Stand: 1.11.2020)Die aktuelle Zahl der registrierten Wähler in Wisconsin könnte sogar noch höher liegen, da sich die Bürger dort noch am Wahltag (3.11.2020) als Wähler registrieren durften. Die Zahl der registrierten Wähler ist jedoch so oder so höher als die der abgegebenen Stimmen, die aktuell laut NYTimes bei 3.297.473 liegt (Stand: 9.11.2020).

Und das ist - anders als von einigen Anhängern der Republikanischen Partei in den letzten Tagen behauptet - auch in anderen wichtigen Swing-States so. In Pennsylvania gab es 6.760.137 Stimmen und 9.091.371 registrierte Wähler. In Nevada waren es 1.280.639 Stimmen und 1.821.864 registrierte Wähler. Und in Arizona 3.354.572 Stimmen sowie 4.281.152 Wahlberechtigte. Die Zahl der Stimmen liegt also in allen Fällen unter der der registrierten Wähler und taugt somit nicht als Hinweis für einen angeblichen Wahlbetrug.

Wurde die Wahl "gestohlen"?

Behauptung:

"Dies Wahl wurde uns gestohlen. Die besten Meinungsforscher Großbritanniens haben heute morgen geschrieben, dass dies ganz klar eine gestohlene Wahl war und dass es unmöglich war, dass Biden in einigen Bundesstaaten mehr Stimmen geholt hat als Obama."

Faktencheck:

Noch-Präsident Donald Trump wiederholte per Twitter seine Behauptung, dass die Wahl "gestohlen" worden sei, weiterhin jedoch ohne Beweise für diese Behauptung mitzuliefern. Stattdessen verwies er auf "die besten Meinungsforscher Großbritanniens" und gab damit wieder, was zuvor bereits der Republikaner Newt Gingrich dem Sender Fox News gesagt hatte. Die Quelle für Trumps Behauptung dürfte selbst seine Anhänger überraschen: The Sunday Express, eine britische Boulevardzeitung, die mit Patrick Basham, dem Leiter des US-Thinktanks Democracy Institute zusammenarbeitet. Im Sunday Express darf sich Basham feiern, die Wahl 2020 im Gegensatz zu allen anderen Meinungsforschern exakt vorhergesagt zu haben.

So hatte eine Studie im Auftrag des Sunday Express vor der Wahl einen Sieg Trumps prognostiziert. Der traf jedoch bekanntlich nicht ein. Dies liege wiederum nur daran, dass man "in Pennsylvania, Michigan und Wisconsin nachts auf wundersame Weise einige Hunderttausend Stimmen 'gefunden' habe – alle für Biden", schreibt Basham in seiner Kolumne und wiederholt damit Falschmeldungen, die bereits widerlegt sind.

Trumps Wahlkampf-Team hatte wiederholt von einer "gestohlenen" Wahl gesprochen und deswegen in mehreren Bundesstaaten Klagen eingereicht. Etliche Richter haben diese bereits abgewiesen, auch in konservativ regierten Bundesstaaten.

Betrug per Software?

Behauptung:

Die Vorsitzende der Republikaner in Michigan, Laura Cox, behauptete, dass durch einen Softwarefehler im Antrim County 6000 Wählerstimmen für Trump plötzlich für dessen Gegner Biden gewertet worden wären. Ted Cruz, Senator von Texas, bezog sich auf diesen Vorwurf und sagte im Nachrichtensender Fox News: "Wir haben gehört, dass in einem County in Michigan eine Software fälschlicherweise 6000 Stimmen, die für Donald Trump abgegeben wurden, dann Joe Biden zugerechnet wurden."

Faktencheck:

Einen Fehler bei der Auszählung gab es tatsächlich im Antrim County, das an den Michigansee grenzt. Da die Software falsche Ergebnisse (eine Abweichung einiger Tabellen) ausspielte, wurde jedoch händisch erneut nachgezählt, wie die örtliche Behörde des Countys auf Facebook mitteilte. Das Ergebnis sei korrigiert worden. 

Die Ursache war jedoch - anders als von Cruz und Cox dargestellt - kein Software-, sondern ein Anwenderfehler. Jocelyn Benson, Innenministerin von Michigan, sagte in einer Mitteilung, dass "der Anwenderfehler schnell identifiziert und korrigiert" wurde. Vor allem habe der Fehler den Wahlausgang nicht verändert.

J. Alex Halderman, ein Informatik-Professor der University of Michigan, bestätigte diese Sichtweise.

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