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KlimaGlobal

Faktencheck: Widerlegt mehr Eis am Südpol den Klimawandel?

6. Juli 2025

Satellitendaten zeigen, dass der Eisschild der Antarktis in den letzten Jahren zugenommen hat. Ist damit die "Klima-Lüge" entlarvt? Klimaforscher erklären, warum es keinen Grund zur Entwarnung gibt.

Größter Eisberg der Welt A23a setzt sich in Bewegung: Die Fläche reicht bis zum Horizong, am Rand reichen Arkaden aus Eis ins schäumende Meerwasser
Diese Luftaufnahme von Januar 2024 zeigt den Eisberg A23a, der sich 1986 von der antarktischen Küste gelöst hat, in den Gewässern des SüdpolarmeeresBild: Richard Sidey/AFP

Eine aktuelle Studie hat ergeben, dass die Masse des antarktischen Eisschilds in den letzten Jahren leicht zugenommen hat. Der Befund hat eine Welle von Behauptungen in den sozialen Medien (z. B. hier und hier) ausgelöst, nach denen sich die globale Erwärmung umkehrt.

Im März 2025 hatten Forscher der Tongji-Universität in Shanghai (China) in einer Studie berichtet, dass das antarktische Eisschild zwischen 2021 und 2023 jährlich um etwa 108 Milliarden Tonnen Eis gewachsen ist. Diese Daten, die sich auf vier Gletscherbecken in der Region Wilkes Land-Queen Mary Land des ostantarktischen Eisschildes konzentrieren, werden von Klimawandelskeptikern als vermeintlicher Beweis dafür herangezogen, dass der Klimawandel eine Erfindung sei.

Das Faktencheck-Team der DW hat sich die Studie genauer angesehen.

Behauptung: Mehrere Beiträge dieser Art haben sich auf Plattformen wie X (ehemals Twitter) viral verbreitet. In einem, der mehr als 270.000 Mal aufgerufen wurde, wird behauptet: "Moral der Geschichte: Glaube niemals einem Klimaalarmisten". In einem anderen Beitrag, der mehr als 55.000 Mal aufgerufen wurde, heißt es: "Wissenschaftler müssen den Klimawandel-Schwindel aussetzen".

DW Faktencheck: Irreführend

Trendumkehr in der Antarktis? Nein, sagen Klimaforscher, es handle sich um natürliche SchwankungenBild: x/DW

Die Ergebnisse der chinesischen Studie basieren auf öffentlich zugänglichen Daten der NASA-Satelliten "Gravity Recovery and Climate Experiment", die seit 2002 das Schwerefeld der Erde messen und Veränderungen in den Eis- und Wassermassen des Planeten dokumentiert haben.

Antarktische Eisschilde: Richtige Daten falsch interpretiert

Die Daten mögen korrekt sein, aber die oben angeführten Interpretationen sind es nicht. Dazu beigetragen haben könnte eine grafische Darstellung der Befunde in der Studie: eine steigende Trendkurve neben einer stark schwankenden Kurve mit punktuellen Messdaten zur Dicke der Eismasse.

"Das ist natürlich ein gefundenes Fressen für Menschen, die das bewusst nutzen wollen, um Fehlinformationen zu verbreiten", sagt Johannes Feldmann, Physiker am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung. Feldmann betont, dass die Klimawissenschaft nur aus langfristigen Daten - in der Regel über 20 bis 30 Jahre - aussagekräftige Trends ableiten kann: "Zwei, drei oder sogar fünf Jahre sind viel zu wenig, um zu sagen: Das ist jetzt ein langanhaltender Trend."

Das Herauspicken kurzfristiger Daten ist eine gängige Taktik derjenigen, die den Klimawandel widerlegen wollen: "Da gibt es auch immer mal wieder Phasen, wo der Anstieg sich abschwächt und dann heißt es: Die globale Erwärmung ist gestoppt, jetzt gibt es eine Trendwende", so Feldmann weiter. "Das hat sich aber nie bewahrheitet."

Schwankungen im natürlichen System, keine Trendumkehr

Eine Studie der Universität Leeds in Großbritannien zeigte im Jahr 2023, wie meteorologische Ereignisse die Eismasse und den Meeresspiegel vorübergehend beeinflussen können – zum Beispiel ungewöhnlich starker oder leichter Schneefall. Daher sind Schwankungen, wie sie zwischen 2021 und 2023 beobachtet wurden, zu erwarten, meint Angelika Humbert, Glaziologin am Alfred-Wegener-Institut (AWI) in Bremerhaven: "Wir haben es mit einem natürlichen System zu tun, das Schwankungen unterliegt und das ist auch gar nichts Ungewöhnliches. Wir haben mal ein Jahr mit viel Schnee, mal ein Jahr mit gar keinem Schnee und sowas gibt es eben über Eisschilden auch."

Die Forscher der Tongji-Universität selbst bestätigten dies in einer separaten Studie von 2023, in der sie die zunehmende Eismasse in der östlichen Antarktis mit ungewöhnlich hohen Schneefällen in Verbindung bringen.

"100 Milliarden Tonnen Eis, die Wissenschaftler nicht erklären können"? - Doch, sie können es.Bild: x/DW

"Wir wissen, dass sich diese Schneefall-Ereignisse in den nächsten Jahren, dadurch dass es eine wärmere Atmosphäre gibt, häufen können", sagt Feldmann. "Das heißt, es könnte öfter mal dazu kommen, dass mehr Masse darauf landet, aber gleichzeitig, wenn es dann noch wärmer wird, wird es auch mehr schmelzen."

Diese Phänomene seien gut erforscht und würden in den nächsten Jahren auch weiter erforscht, sagt der Klimaforscher. "Es ist ein kurzer Anstieg gewesen, der aber bei weitem nicht die Verluste aus den letzten Jahrzehnten wettgemacht hat. Die langjährige Entwicklung, die wir beobachten, ist ein Masseverlust des antarktischen Eisschildes."

Dieser Artikel ist Teil einer Kooperation mit den Faktencheck-Teams der öffentlichen Rundfunksender ARD-Faktenfinder, dem BR24 #Faktenfuchs und dem DW Faktencheck. 

Matt Ford Autor, Reporter für DW News und Faktencheck
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