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Faktencheck: Wie Fake-Accounts die COP29 beeinflussen sollen

15. November 2024

Zur UN-Klimakonferenz COP29 in Baku wurden zahlreiche X-Accounts erstellt, die ein einziges Ziel verfolgen: Aserbaidschan ein gutes Image zu verpassen. Was steckt hinter diesen Fake-Konten?

Ein Screenshot in Form einer Collage mit zahlreichen X-Konten
Viele X-Konten, ein Ziel: Regierungsnahe Posts weiterverbreiten und das Image Aserbaidschans aufpolierenBild: X

In diesen Tagen findet in der aserbaidschanischen Hauptstadt Baku der jährliche UN-Klimagipfel statt. Auf der Agenda: die Abkehr von fossilen Brennstoffen. Ein Widerspruch? Das Öl- und Gasland Aserbaidschan fördert 35,6 Milliarden Kubikmeter Gas und 30,2 Millionen Tonnen Erdöl pro Jahr.

Begleitet wird die UN-Klimakonferenz COP29 von kontroversen Debatten um die Zukunft der Klimaziele und den begleitenden Maßnahmen - auch mit Blick auf die Öl und Gas fördernden Nationen. Wenn man derzeit auf die Social Media Plattform X blickt, erwecken zahlreiche Accounts den Eindruck, das Land Aserbaidschan sei ein Pionier in Sachen grüner Energie. 

Das DW-Faktencheck-Team hat mehrere X-Accounts (hier einige Beispiele 1, 2, 3, 4, 5) identifiziert, die identische Merkmale aufweisen. So ist die Mehrheit dieser Accounts im September und Oktober dieses Jahres erstellt worden. Sie haben keine genuinen Inhalte, sondern teilen dieselben Posts (meistens von Regierungsmitgliedern) - oft zum gleichen Zeitpunkt. Hinzu kommt, dass sich diese Accounts gegenseitig folgen und dieselben Hashtags nutzen, die die Debatte um COP29 in den sozialen Netzwerken dominieren. So haben mehrere dieser Accounts den Post von Hikmet Hajiyev, Leiter der Abteilung für außenpolitische Angelegenheiten bei der Präsidialverwaltung, geteilt, in dem er Aserbaidschan als führend in Sachen erneuerbare Energien in der Region preist. 

Die aserbaidschanische Regierung, darunter der Vorsitzende des UN-Klimagipfels, Mukhtar Babayev, ehemaliger Vizepräsident der Staatlichen Erdölgesellschaft Aserbaidschans SOCAR, ist bemüht, sich ein grünes Image zu geben. Die verdächtigen Social-Accounts sollen offenbar dabei helfen und Botschaften und Narrative, die Positives über Aserbaidschans Energiepolitik transportieren, möglichst weit zu verbreiten.

Dieser Post des Leiters der Abteilung für außenpolitische Angelegenheiten bei der aserbaidschanische Präsidialverwaltung wurde von zahlreichen Fake-Accounts verbreitetBild: X

Nicht zum ersten Mal auffällig

Die Nichtregierungsorganisation Global Witness, die sich Themen wie Klimawandel, Korruption und Umwelt widmet, hat in einer großangelegten Studie bereits vor dem Auftakt in Baku 182 verdächtige Accounts identifiziert, die ein ähnliches "Verhalten", wie die oben beschriebenen, aufwiesen. 

"Wir wissen nicht, wer diese Konten eingerichtet hat. Aber was wir sehen können, ist die Wirkung, die sie haben. Sie haben die Konversation unter den beiden wichtigsten COP-Hashtags (#COP29 und #COP29Azerbaijan) verändert. Bevor die meisten dieser Konten eingerichtet wurden, wurde die Rolle der aserbaidschanischen Regierung bei der Ausrichtung der COP29 überwiegend kritisch betrachtet. Nachdem die meisten dieser Konten eingerichtet worden waren, änderten sich die Beiträge", hat Rosie Sharpe von Global Witness beobachtet. Sie und ihr Team haben sich die zehn Beiträge mit den meisten Reaktionen auf diese Hashtags genauer angesehen. Im Juli seien 7 von 10 kritisch gegenüber der aserbaidschanischen Regierung gewesen. Im September unterstützten 10 von 10 reichweitenstarken Beiträgen die Ausrichtung der COP durch die Regierung. "Selbst Konten, die nicht viele Follower haben, können die Online-Diskussion beeinflussen, wenn sie in ausreichender Zahl eingerichtet wurden", sagt Rosie Sharpe.

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Global Witness hat die verdächtigen Konten der Plattform X gemeldet. Daraufhin wurden die meisten von ihnen gelöscht: "X zu bitten, eine Reihe von Konten zu untersuchen und sie dann zu löschen, reicht nicht aus, denn die Konten tauchen einfach wieder wie Zombies auf, sie erfinden sich neu und es ist so einfach, wieder neue Konten einzurichten, das löst das Problem also nicht”, sagt Rosie Sharpe.

Genau das zeigen nun DW-Recherchen: Die Kampagne geht unvermindert weiter, auch während der COP29 in Baku. Tatsächlich sind nach der Löschung wieder mehrere neue Konten entstanden, die die gleichen Narrative verbreiten und dieselben Vorgehensweisen nutzen. Die neuen Accounts verwenden die zwei häufigsten COP-Hashtags, um die Debatte auf Social Media gezielt auf Posts von offiziellen aserbaidschanischen Vertretern zu lenken. Dadurch enthalten Suchergebnisse Bilder, Videos und Aussagen von offiziellen Stellen des Gastgeberlandes, die Aserbaidschan von seiner besten Seite zeigen sollen. 

"X muss mehr investieren, um sicherzustellen, dass seine Plattform nicht so leicht manipuliert werden kann: Wir würden uns wünschen, dass X untersucht, wer ihrer Meinung nach hinter diesen Konten steckt. Wenn sie glauben, dass es die aserbaidschanische Regierung ist, sollten sie das offenlegen", so Rosie Sharpe von Global Witness.

Die DW hat X für eine Stellungnahme angefragt, ob die neuen Accounts von der Plattform bereits als irreguläre Accounts identifiziert wurden. Bis zum Zeitpunkt der Publikation dieses Faktenchecks haben wir keine Rückmeldung erhalten. 

Das unabhängige aserbaidschanische Medienportal berichtet regelmäßig über Korruption und Umweltschäden im LandBild: abzas.org

Unabhängige Medien unter Druck

Als das aserbaidschanische unabhängige Medienportal Abzas Media die Recherche von Global Witness auf X verlinkt hat, hagelte es User-Kommentare, die Aserbaidschans Regierung in Schutz nehmen und das Land als freiheitlich demokratisch bewerben. "Wir werden permanent von solchen Troll-Accounts überflutet", sagt Leyla Mustafayeva, stellvertretende Chefredakteurin von Abzas Media im DW-Gespräch. Die Mehrheit des redaktionellen Teams, insgesamt sechs Personen, seien sukzessiv seit November vergangenen Jahres, kurz nachdem klar wurde, dass die nächste UN-Klimakonferenz in Baku stattfinden wird, festgenommen worden. Seitdem sitzen sie in Untersuchungshaft - ihnen drohen 8 bis 12 Jahren Gefängnis. Die Gerichtsprozesse werden in den nächsten Wochen beginnen - vermutlich nach der COP29, meint Leyla Mustafayeva.

Bekämpfung von Desinformation kein Thema bei der COP29

Bereits in der Vergangenheit prangerten Experten Versuche Aserbaidschans an, die Öffentlichkeit mit unlauteren Praktiken zu beeinflussen und Kritiker einzuschüchtern. Bereits im Jahr 2022 hat Meta im "Adversarial Threat Report" auf auffällige Praktiken hingewiesen. So hat das US-Unternehmen, zu dem unter anderem die Social Plattformen Facebook und Instagram gehören, ein komplexes Netzwerk entdeckt, das eine Reihe von Taktiken praktizierte - von Phishing, Social Engineering und Hacking bis hin zu koordiniertem unauthentischen Verhalten, ähnlich zu den aktuellen Beispielen. Die damalige Aktion richtete sich vor allem gegen Menschen aus Aserbaidschan, darunter Aktivisten, Oppositionelle, Journalisten und Regierungskritiker. Diese Kampagne wurde laut Meta direkt vom aserbaidschanischen Innenministerium geleitet. 

Die Bandbreite von Desinformation rund um Klima-Themen ist groß: Vom Anzweifeln dessen, was wissenschaftlicher Konsens ist, über die Verbreitung von Fehlinformationen bis hin zu gezielter falscher Einordnung von tatsächlichen Fakten. Die Gefahr von Desinformation für die Debatte über die gloablen Klimaziele scheint für die Gastgeber der COP29 nicht evident zu sein. Denn das Thema findet sich nicht auf der Tagesordnung.  

"Beitrag zum grünen Wandel hochgespielt"

"Das ist ein eklatantes Versäumnis. Das Versäumnis, auf einer so wichtigen internationalen Plattform wie der COP29 nicht gegen Klimadesinformation vorzugehen, könnte dauerhafte Folgen haben. Die Verbreitung von Desinformation schafft einen fruchtbaren Boden für Klima-Untätigkeit und hindert Gesellschaften daran, Widerstandsfähigkeit gegen Umweltgefahren aufzubauen. Desinformation verzerrt nicht nur die öffentliche Debatte - sie behindert auch die notwendigen Entscheidungen, die sich auf die Zukunft unseres Planeten auswirken", erklärt Professor Klaus Bruhn Jensen, Vorsitzender desIPIE-Wissenschaftsgremiums für Informationsintegrität in der Klimawissenschaft.

In Bezug auf Aserbaidschans Auftreten auf der diesjährigen UN-Klimakonferenz sagt Prof. Jensen im Gespräch mit der DW: "Ich habe den Eindruck, dass die Gastgeber wie frühere Organisatoren dazu neigen, ihren eigenen Beitrag zum grünen Wandel hochzuspielen. Eine gesunde Portion Skepsis gegenüber der Selbstdarstellung Aserbaidschans ist durchaus angebracht."

Mehr Hintergründe, Erklärstücke, Videos, Datenanalysen und Fakten zur UN-Klimakonferenz in Baku finden Sie hier.

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