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Faktencheck: AfD doch nicht "gesichert rechtsextremistisch"?

Jan D. Walter | Sarah Steffen
9. Mai 2025

Die Alternative für Deutschland und ihre Anhänger feiern es als Teilerfolg: Das Bundesamt für Verfassungsschutz habe die Einstufung als "gesichert rechtsextremistisch" zurückgenommen. Doch das stimmt so nicht.

Deutschland | AfD  Alice Weidel und Tino Chrupalla
Die AfD-Vorsitzenden Alice Weidel und Tino Chrupalla werten die Stillhaltezusage des Verfassungsschutzes als Teilerfolg - Experten widersprechen (Archivbild)Bild: Kay Nietfeld/dpa/picture alliance

Die Alternative für Deutschland hat Klage gegen den deutschen Verfassungsschutz erhoben und zugleich Antrag auf Eilrechtsschutz eingereicht. Dieser hatte die Gesamtpartei als "gesichert rechtsextremistisch" eingestuft. Am Donnerstag kam das Bundesamt für Verfassungsschutz dem Antrag der AfD nach, eine sogenannte "Stillhaltezusage" abzugeben. Damit legt das Bundesamt die Neueinstufung der AfD als "gesichert rechtsextremistisch" sozusagen auf Eis.

Die AfD-Vorsitzenden Alice Weidel und Tino Chrupalla haben diese Stillhaltezusage als ersten Erfolg gefeiert.

Behauptung: "Das ist ein erster wichtiger Schritt hin zu unserer eigentlichen Entlastung und damit dem Vorwurf des Rechtsextremismus zu begegnen," schreiben sie auf X. Der Bundesverfassungsschutz habe die Einstufung "gesichert rechtsextremistisch" damit "zurückgenommen".

DW Faktencheck: Falsch.

Alice Weidels Post auf X zur Stillhaltezusage des BfV vermittelt einen falschen EindruckBild: x

Die Einstufung "gesichert rechtsextremistisch" wurde nicht "zurückgenommen".

Die AfD hatte in dem Eilverfahren beantragt, dass das Gericht einen Hängebeschluss erlässt, sollte das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) die Stillhaltezusage ablehnen. Beides sind rechtliche Instrumente, mit denen Kläger erwirken können, dass eine Behörde Maßnahmen unterlassen muss, die der Kläger für unrechtmäßig hält.

"Durch die Stillhaltezusage ist das Bundesamt dem Erlass eines solchen Hängebeschlusses jetzt zuvorgekommen, das heißt, das Bundesamt verzichtet vorerst darauf, bis zum Abschluss des Verfahrens die AfD als gesichert rechtsextremistische Partei zu bezeichnen und so zu behandeln," sagt Markus Ogorek, Direktor des Instituts für Öffentliches Recht und Verwaltungslehre der Universität zu Köln.

Das deckt sich mit der Auffassung von Michael Ott, Vorsitzendem Richter und Pressesprecher am Verwaltungsgericht Köln: "Das Bundesamt hält seine Einstufung für richtig, es hat sie nur ausgesetzt, um dem Gericht eine sachgemäße Überprüfung zu ermöglichen."

Man gebe so den zuständigen Richterinnen und Richtern Zeit, die mehr als 1000 Seiten des Gutachtens durchzuarbeiten. Hätte das BfV die Stillhaltezusage abgelehnt, hätte das Verwaltungsgericht einen Hängebeschluss erlassen können. Damit hätte es die Situation auf vergleichbare Weise eingefroren, damit der klagenden Partei keine irreversiblen Nachteile entstehen, erklärt Rechtswissenschaftler Ogorek.

Die Heraufstufung der AfD zu "gesichert rechtsextremistisch" ist laut dem wissenschaftlichen Dienst des deutschen Bundestagsvor allem eine "behördeninterne Klassifizierung". Im Einzelfall könne dies zur Folge haben, dass der Verfassungsschutz die Schwelle für nachrichtendienstliche Überwachungsmethoden - wie das Anwerben von V-Leuten oder geheime Bild- und Tonaufzeichnungen - im Vergleich zum bisherigen Status als "Verdachtsfall" - niedriger ansetze. Die rechtlichen Voraussetzungen dafür seien aber in beiden Fällen gegeben.

"Stillhaltezusage ist verwaltungsprozessuales Alltagsgeschäft"

"Dass die AfD oder auch die Prozessvertreter der AfD diese Stillhaltezusage so deuten, als handele es sich um einen ersten großen prozessualen Teilerfolg, dem muss man ganz entschieden widersprechen", sagt Ogorek. "Das ist sozusagen verwaltungsprozessuales Alltagsgeschäft, und da geht es überhaupt nicht um die Erfolgsaussichten."

Das BfV hatte 2021 in einem Verfahrenzur Verdachtsfalleinstufung der AfD ebenfalls eine solche Stillhaltezusage abgegeben, nachdem die AfD gegen die damalige Einstufung geklagt hatte. Später sprach das Gericht dann auch noch einen Hängebeschluss aus. Als Grund dafür gab das Gericht in einer Pressemitteilung bekannt, dass alles dafür spreche, dass sich das BfV nicht an seine Stillhaltezusagen gehalten bzw. nicht hinreichend dafür Sorge getragen habe, dass keine verfahrensrelevanten Informationen nach außen drängen. Zuvor hatten Medien bundesweit erneut über das Verfahren berichtet. 2024 dann entschied das Oberverwaltungsgericht Münster in einem Berufungsverfahren, dass der Verfassungsschutz die AfD als Verdachtsfall beobachten darf.

Mitarbeit: Kathrin Wesolowski

Dies ist eine überarbeitete Version eines früheren Artikels.
 

Jan D. Walter Jan ist Redakteur und Reporter der deutschen Redaktion für internationale Politik und Gesellschaft.