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Fall Al-Hassan: Urteil gegen malischen Islamisten erwartet

Antonio Cascais
24. Juni 2024

Folter, Vergewaltigung, Sex-Sklaverei: Die Liste der Verbrechen, die Al-Hassan 2012 in der malischen Wüstenstadt Timbuktu verübt haben soll, ist lang. Der Internationale Strafgerichtshof urteilt in dieser Woche.

Al-Hassan Ag Abdoul Aziz Ag Mohamed Ag Mahmoud
Al-Hassan Ag Abdoul Aziz Ag Mohamed Ag Mahmoud bei einer Anhörung am IStGHBild: AFP/E. Plevier

Timbuktu 2012: In Malis Wüstenstadt wüten Islamisten. Sie morden und vergewaltigen Ungläubige und Andersdenkende und sprengen jahrhundertealte Heiligtümer. Mittendrin unter den Aggressoren ist Al-Hassan Ag Abdoul Aziz Ag Mohamed Ag Mahmoud - so sehen es zumindest die Ermittler des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) in Den Haag.

Al-Hassan soll nicht irgendein Mitläufer gewesen sein, sondern vielmehr einer der Köpfe der Islamisten, nämlich der Chef der Religionspolizei. Und als solcher habe er zwischen April 2012 und Januar 2013 die Bewohner der Stadt regelrecht terrorisiert. Die Grausamkeit des Täters soll sich besonders gegen Frauen gerichtet haben. 2018 wurde Al-Hassan in Mali festgenommen und an den Internationalen Strafgerichtshof überstellt. Im Juli 2020 wurde in Den Haag der Prozess gegen ihn eröffnet. Am Mittwoch (26. Juni 2024) wird das Urteil erwartet.

Auch Zerstörung von Kulturgütern verantwortet

Bereits 2018 warf die aus Gambia stammende damalige Chefanklägerin Fatou Bensouda "auf der Grundlage der gesammelten Beweise" dem 1977 geborenen Al-Hassan "Verbrechen gegen die Menschlichkeit sowie Kriegsverbrechen" vor: "Nach unseren Erkenntnissen trägt Herr Al-Hassan die Verantwortung für folgende schwere Verbrechen: grausame Behandlung, Folter, Verletzung der Würde anderer Menschen, insbesondere erniedrigende Behandlung, Vergewaltigung und sexuelle Sklaverei". Dazu kämen Angriffe auf historische Denkmäler und religiöse Gebäude sowie die Verhängung von Strafen ohne vorheriges Urteil eines regelmäßig konstituierten Gerichts, sagte Fatou Bensouda anlässlich der Prozesseröffnung in einer offiziellen Video-Botschaft. 

Chefanklägerin Fatou Bensouda forderte bereits bei Prozesseröffnung 2020 Gerechtigkeit für die OpferBild: Getty Images/AFP/E. Plevier

Fatou Bensouda fügte hinzu: "Wir haben die Opfer im Blick. Sie sollen die Gerechtigkeit erfahren, die sie zu Recht verdienen. Uns geht es um die Bekämpfung der Straflosigkeit, gerade bei solchen schweren Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Wir wollen damit einen positiven Beitrag zur Förderung von Frieden, Sicherheit und Stabilität in der Gesellschaft leisten." Das sei auch ihre Hoffnung für Mali. Inzwischen hat der Brite Karim Asad Ahmad Kahn den Posten des IStGH-Chefanklägers übernommen.

Wieviel Macht hatte Al-Hassan?

Wieviel Macht hatte der mutmaßliche Polizeichef im von Islamisten kontrollierten Timbuktu wirklich? Hat er die ihm zur Last gelegten Verbrechen im Wesentlichen aus freien Stücken oder auf Befehl höherer Instanzen, etwa von der Ansar-Dine-Führung, begangen? Das sind die wesentlichen Fragen, die im Laufe des Verfahrens zu klären waren.

Islamisten zerstörten im Jahr 2012 historisch bedeutsame Gebäude in Timbuktu, wie das Mausoleum des Heiligen Alfa MoyaBild: Getty Images/AFP/E. Feferberg

Das rund tausend Kilometer nördlich der Hauptstadt Bamako gelegene Timbuktu, am Rande der Sahara, wird auch "Perle der Wüste" oder "Stadt der 333 Heiligen" genannt und zählt seit 1988 zum Weltkulturerbe. Als 2012 Kämpfer einer Koalition mehrerer islamistischer Gruppierungen, darunter AQMI (Al-Kaida des Islamischen Maghreb) und Ansar Dine ("Unterstützer des Glaubens"), große Gebiete im Norden Malis unter ihre Kontrolle brachten und auch die Stadt Timbuktu eroberten, begannen sie damit, die Kultur des geschichtsträchtigen Ortes zerstören.

Einige der Bauten wie dieses Mausoleum wurden in den Folgejahren wieder aufgebautBild: picture-alliance/AP Photo/B. Ahmed

Auch an diesen Zerstörungen soll der Angeklagte Al-Hassan beteilig gewesen sein. Zudem habe er die von den Fundamentalisten geforderten Verbote von Musik, Tanz, Kunst und Sport unter Anwendung von Gewalt durchgesetzt, sagen die Ankläger. Erst Monate später ist die Schreckensherrschaft vorbei: Im Januar 2013 wird Timbuktu von malischen und französischen Soldaten befreit.

Mehrere malische Islamisten bereits angeklagt

Al-Hassan ist der zweite malische Islamist, der in Den Haag vor Gericht gestellt wird. 2016 hatte der IStGH Ahmad al-Faqi al-Mahdi zu neun Jahren Haft wegen der Zerstörung von Stätten des Weltkulturerbes verurteilt, die der Gerichtshof damals erstmals als Kriegsverbrechen wertete. Al-Mahdi, einer der Anführer der islamistischen Tuareg-Miliz Ansar Dine, hatte seine Vergehen gestanden und um Verzeihung dafür gebeten.

Vor einigen Tagen entsiegelte der Internationale Strafgerichtshof zudem einen Haftbefehl gegen einen anderen Malier, Iyad Ag Ghaly, der wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit in der Wüstenstadt Timbuktu in den Jahren 2012 und 2013 angeklagt ist. Er wird verdächtigt, eine mit Al-Kaida verbundene islamistische Extremistengruppe angeführt zu haben.

IStGH: Neue Klage gegen malischen Islamisten?

Der Haftbefehl gegen Iyad Ag Ghaly, auch bekannt als Abou Fadl, wurde ursprünglich im Jahr 2017 unter Verschluss erlassen. Darin wird er mehrerer Verbrechen wie Mord, Vergewaltigung, sexuelle Sklaverei und Verfolgung von Frauen und Mädchen aufgrund ihres Geschlechts beschuldigt. Der Haftbefehl umfasst Verbrechen in Timbuktu und einen Angriff auf eine Militärbasis, bei dem mehr als 40 malische Soldaten, die nicht an Feindseligkeiten teilnahmen, hingerichtet wurden.

Das Gericht erklärte in einer Stellungnahme, dass es "begründete Gründe zu der Annahme gibt, dass Iyad Ag Ghaly, neben Al-Hassan und Al-Mahdi, einer der Führer von Ansar Dine gewesen sei, der Extremistengruppe, die zu der Zeit die Macht in Nordmali innehatte.

In einer schriftlichen Erklärung begrüßte die Anklagebehörde des Gerichts die Entsiegelung und erklärte, dass der Haftbefehl gegen Ghaly "die fortgesetzten Bemühungen des Amtes widerspiegelt, den Opfern der seit 2012 begangenen Verbrechen in Mali Gerechtigkeit widerfahren zu lassen", als die malischen Behörden das Gericht um Intervention baten. Die Anklagebehörde lehnte es ab, sich zu Ghalys Aufenthaltsort zu äußern.

Dieser Beitrag basiert auf einem DW-Artikel, der am 13.07.2020, anlässlich der Prozesseröffnung gegen Al-Hassan vor dem dem Internationalen Strafgerichtshof, veröffentlicht wurde.  

Die geretteten Manuskripte von Timbuktu

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