Fall Gurlitt: Taskforce bietet Erben Zusammenarbeit an
9. Mai 2014
Das Kunstmuseum Bern erbt nicht nur den Kunstschatz aus der Münchener Wohnung des Sammlers Cornelius Gurlitt. Die Taskforce "Schwabinger Kunstfund" will den Erben offene Fragen beantworten.
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Gegenüber der Zeitung "Welt" bestätigte der Direktor des Kunstmuseum Bern, Matthias Frehner, am Freitag (09.05.2014), dass das Museum auch die wertvollen Bilder aus Gurlitts Salzburger Wohnung, Liegenschaften und ein Barvermögen geerbt habe.
Die Leiterin der Taskforce "Schwabinger Kunstfund", Ingeborg Berggreen-Merkel, sagte bereits am Donnerstag in Berlin: "Gerade im Interesse der noch lebenden Opfer des Nationalsozialismus, die Restitutionsansprüche angemeldet haben, können die schwierigen Fragen, die sich derzeit stellen, im Wege des Dialoges am besten geklärt werden". Nun gehe es weiterhin darum, NS-Raubkunst aus der Sammlung ihren vormaligen Eigentümern zurückzugeben.
Kunstmuseum Bern prüft das Erbe
Ob das Kunstmuseum Bern die Gurlitt-Sammlung als Erbe annehme, ist bisher unklar. "Wir müssen sie also erst gründlich prüfen, um zu sehen, wie viele bedeutende Kunstwerke der Klassischen Moderne wirklich dabei sind", sagte Frehner. Falls das Museum die Erbschaft annehme, wolle es sich an die Bestimmungen der Washingtoner Erklärung zur Rückgabe von NS-Raubkunst halten und die Rückgabeansprüche möglicherweise rechtmäßiger Besitzer prüfen, betonte Frehner. Die Schweiz hat - wie auch Deutschland - die Washingtoner Erklärung von 1998 unterschrieben. Die Staaten verpflichteten sich darin, Nazi-Raubkunst zu identifizieren, die rechtmäßigen Besitzer zu finden und die Werke entweder zurückzugeben oder eine "faire Lösung" zu finden. Gegenüber der "Süddeutschen Zeitung" sagte Frehner, das Kunstmuseum würde sehr wahrscheinlich mit der Tasforce, die die Herkunft der Gurlitt-Bilder prüft, weiterarbeiten.
Ausfuhr einzelner Gemälde fraglich
Sollten die Bilder in die Schweiz gehen, könnten sie aber auch in Deutschland ausgestellt werden, sagt Frehner: "Im Testament gibt es keinerlei Auflagen, man könnte die Sammlung also auch im Ausland zeigen." Ob die Werke der Gurlitt-Sammlung tatsächlich in die Schweiz ausgeführt werden dürfen oder ob dies bei einzelnen Werken dem Gesetz zum Schutz deutschen Kulturgutes widerspricht, will das Bayerische Kunstministerium prüfen.
Der Sammler Cornelius Gurlitt war am Dienstag (06.05.2014) im Alter von 81 Jahren verstorben. Er war der Sohn von Adolf Hitlers Kunsthändler Hildebrand Gurlitt und hatte das Schweizer Kunstmuseumüberraschend als Alleinerben seiner Gemälde-Sammlung bestimmt. Deutsche Behörden hatten diese Anfang 2012 beschlagnahmt. Die Taskforce "Schwabinger Kunstfund" hat den Verdacht, dass unter den 1280 in Gurlitts Wohnung gefundenen Werken 458 Bilder NS-Raubkunst sind. Gurlitt und seine Anwälte sprachen stets nur von rund 40.
Werke aus der Gurlitt-Sammlung
Am Dienstag (06.05.2014) verstarb der 81-jährige Kunstsammler Cornelius Gurlitt. Nun beginnt das Rätselraten um die Zukunft der Bilder. Einige stehen im Verdacht, NS-Raubkunst zu sein.
Bild: Staatsanwaltschaft Augsburg/dpa
Münchner Kunstfund
Der Dresdner Wilhelm Lachnit (1899-1962) malte das Aquarell "Mann und Frau am Fenster" im Jahr 1923. Es ist eines von insgesamt 590 Kunstwerken aus der Sammlung von Cornelius Gurlitt, die seit November 2013 auf der Online-Datenbank Lost Art veröffentlicht worden sind. Außerdem wurde eine Taskforce eingesetzt, die die Herkunft der Werke klären soll.
Bild: Staatsanwaltschaft Augsburg/dpa
"Paar" von Hans Christoph
Das Aquarell "Paar" von Hans Christoph (1901-1992) entstand im Jahr 1924. Der Dresdner gehört heute zu den eher unbekannteren Künstlern des 19. Jahrhunderts, obwohl er in seinem direkten Umfeld mit großen Namen zu tun hatte: Otto Dix, Wilhelm Lachnit oder Otto Griebel, die ebenfalls in Dresden lebten und arbeiteten.
Bild: Staatsanwaltschaft Augsburg/dpa
"Mönch" von Christoph Voll
Christoph Voll (1897-1939) war zu Beginn des 20. Jahrhunderts ein bedeutender deutscher Bildhauer und Grafiker - bis die Nationalsozialisten seine Karriere beendeten. Seine Werke zählten die Nationalsozialisten zur "entarteten Kunst". Das Aquarell "Mönch" malte er im Jahr 1921.
Auch Bernhard Kretzschmar (1889-1972) lebte und arbeitete als Maler und Grafiker in Dresden. Wann das Aquarell "Straßenbahn" entstand, ist unbekannt. Viele seiner Kunstwerke wurden von den Nationalsozialisten als "entartet" bezeichnet und beschlagnahmt. Der Bombenangriff auf Dresden im Jahr 1945 war für ihn besonders verheerend - zahlreiche seiner Werke verbrannten in jener Nacht.
Bild: Staatsanwaltschaft Augsburg/dpa
"Kind am Tisch" von Otto Griebel
Der Maler und Grafiker Otto Griebel (1895 bis1972) gestaltete Flugblätter und Plakate für die Kommunistische Partei Deutschlands und sprach sich in seiner Kunst offen gegen das Militär aus. Das konnte den Nationalsozialisten nicht gefallen. Daher wurden viele seiner Bilder vernichtet. Sein undatiertes Aquarell "Kind am Tisch" aber hat überlebt - in der Sammlung von Cornelius Gurlitt.
Bild: picture-alliance/AP(Ausschnitt)
Zeichnung von Auguste Rodin und "Dompteuse" von Otto Dix
Neben einer undatierten Zeichnung von Auguste Rodin (1840-1917) ist Otto Dix' "Dompteuse" (rechts) zu sehen, ein Aquarell von 1922. Otto Dix (1891-1969) fand Gefallen am Nicht-Schönen und war ein scharfer Kritiker seiner Zeit. 1934 wurde ihm ein Arbeits- und Ausstellungsverbot auferlegt. Seine Kunst galt als "entartet". Hunderte seiner Werke wurden aus deutschen Museen verbannt.
Der Maler und Grafiker Conrad Felixmüller (1897-1977) gehörte ebenso wie Otto Dix und Otto Griebel zur Dresdner Sezession, einer gesellschaftskritischen Künstlergruppe. Das Aquarell "Paar in Landschaft" entstand 1924. Felixmüllers früher Malstil ist dem Expressionismus zuzuordnen. Auch er wurde von den Nationalsozialisten geschmäht und galt als "entarteter Künstler".
"Sa. Giustina in Prà della Vale" von Antonio Canaletto
Antonio Canaletto (1697-1768) ist ein italienischer Maler, der für seine detaillierten Stadtansichten geschätzt wird. Für seine künstlerische Arbeit nutzte er eine Camera obscura, einen Vorläufer des Fotoapparates. Die bei Gurlitt gefundene Druckgrafik zeigt eine Ansicht von Padua und ist in der zweite Hälfte 18. Jahrhunderts entstanden.
Bild: Staatsanwaltschaft Augsburg/dpa
"Conversation mauresque sur une terrasse" von Eugène Delacroix
Eugène Delacroix (1798-1863) malte Bilder mit großer dramatischer Wirkung. Er gilt als der bedeutendsten Vertreter der romantischen Malerei in Frankreich. Monumentale Historiengemälde, aber auch Stillleben und Porträts finden sich in seinem Gesamtwerk. Cornelius Gurlitt bewahrte eine undatierte Bleistiftzeichnung von Delacroix auf.
Bild: Staatsanwaltschaft Augsburg/dpa
"Vue de la vallée de la Seine" von Théodore Rousseau
Théodore Rousseau (1812-1867) malte unter freiem Himmel. Es war dem Landschaftsmaler wichtig, seine Bilder so zu gestalten, dass sie dem Gesehenen exakt entsprachen. Das Foto zeigt eine undatierte Zeichnung des Seine-Tals.
Bild: Staatsanwaltschaft Augsburg/dpa
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ld / so (Taskforce Schwabinger Kunstfund, dpa, Süddeutsche Zeitung, Welt)