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Politik

Kronprinz unter Druck: Mohammed bin Salman

20. November 2018

Jedes weitere im Fall Khashoggi bekannt werdende Detail erhöht den Druck auf Mohammed bin Salman. Der saudische Kronprinz hatte in den vergangenen Jahren immer wieder Härte gezeigt. Wie fest sitzt er noch im Sattel?

Portraitfoto: Mohammed bin Salman
Bild: picture-alliance/AP/A. Nabil

Sieben Wochen nach dem Mord am regimekritischen Journalisten Jamal Khashoggi in der saudischen Botschaft in Istanbul sind noch immer viele Details ungeklärt. Letztlich dreht sich alles um eine Frage: Wieviel wusste der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman davon? Offiziellen saudischen Verlautbarungen zufolge: nichts.

Allerdings hatte sich die saudische Darstellung der Ereignisse im Istanbuler Konsulat in den vergangenen Wochen mehrfach geändert. Zunächst leugnete Riad den Tod Khashoggis; erst nach massivem internationalem Druck musste sie die Ermordung doch einräumen. Dann soll es sich um ein "aus dem Ruder gelaufenes Verhör" gehandelt haben. Mittlerweile beschuldigt sie hochrangige Regierungsmitarbeiter, eigenmächtig ein 15-köpfiges Spezialteam zur Ausführung der Tat geschickt zu haben. Riads Generalstaatsanwalt forderte zuletzt für fünf Beteiligte die Todesstrafe. Jegliche Verwicklung des saudischen Kronprinzen aber streiten die offiziellen Stellen weiterhin kategorisch ab.

Das wiederum wird im Ausland stark bezweifelt. Einem Bericht der "Washington Post" zufolge hält der US-Auslandsgeheimdienst CIA bin Salman für den Auftraggeber des Mordes. Die internationalen Vorwürfe gegen das Königshaus wiegen schwer. Ob sie die weitere Karriere des Thronfolgers gefährden, bleibt abzuwarten. Schon gibt es erste Berichte darüber, dass führende Mitglieder des saudischen Königshausesverhindern wollen, dass Mohammed bin Salman König wird. Klar ist aber, dass der saudische Kronprinz auch zuvor schon keinerlei Skrupel zeigte, wenn es darum ging, seine eigene Macht im saudischen Königreich zu festigen.

Mohammed bin Salmans Weg zur Macht

Als Mohammed bin Salman 1985 geboren wurde, stand er in der Thronfolge auf aussichtslosem Posten: Sein Großvater, Staatsgründer Abd al-Aziz al Saud, hatte mehr als 40 Söhne, die ihm wiederum hunderte männliche Enkel bescherten. Mohammeds Vater Salman ist der zweitjüngste von sieben Söhnen, die al Saud mit seiner Frau Hasa bint Sudairi hatte, und die innerhalb der Großfamilie besonders mächtig waren. Nach dem Tod des Staatsgründers beerbten ihn bislang sechs seiner Söhne. Weil zwei höher in der Thronfolge stehende Brüder zuvor starben, kam Salman mit 79 Jahren gegen alle Wahrscheinlichkeit doch zum Zuge.

König Salman (links) mit seinem Sohn Mohammed bin SalmanBild: picture-alliance/abaca/B. Press

Auf dem Gipfel der Macht angekommen, begann Salman bald, seine eigenen Nachkommen gegen die Konkurrenten aus der Familie in Stellung zu bringen und seinen Sohn Mohammed nach und nach als seinen Nachfolger aufzubauen. Im April 2015 machte er einen Neffen zum Thronfolger und seinen Sohn Mohammed zu dessen Vize. Letzterer aber war die treibende Kraft im Politikbetrieb, begann als Verteidigungsminister die Bombardements im Jemen und rief 2016 die "Vision 2030" aus, eine Wirtschaftsoffensive, die Saudi-Arabien weniger abhängig vom Öl machen soll. Im Juli 2017 machte Salman seinen Sohn auch formell zum Kronprinzen.

Ein Modernisierer nur auf den ersten Blick

Mohammed bin Salman ist der erste starke Mann einer neuen Herrschergeneration - deshalb lagen auch Hoffnungen auf ihm, er könne die Gesellschaft Saudi-Arabiens ins 21. Jahrhundert führen. Im Juni 2018 schien er die Erwartungen an ihn zu erfüllen, als er das Autofahrverbot für Frauen aufhob. Der Kronprinz wies die Religionspolizei in ihre Schranken und legalisierte Kinos. "An den Grundstrukturen von Staat und Gesellschaft will er aber nicht rühren", schrieb der Islamwissenschaftler Guido Steinberg im August im Schweizer Onlinemagazin "Republik". Saudi-Arabien "war bereits vor 1979 ein autoritär regierter Staat, in dem die Religionsgelehrten der wichtigste Partner der Herrscherfamilie waren". Damals hatten religiöse Fanatiker aus der streng konservativen Glaubensrichtung des Wahhabismus die Große Moschee in Mekka besetzt. Das Königshaus sicherte seine Macht, indem es die Befugnisse der wahhabitischen Geistlichen erweiterte, die im Laufe der Jahrzehnte immer strengere Vorschriften verhängten. Wenn Mohammed bin Salman diese Vorschriften nun schrittweise lockert, so verliert er doch niemals die Absicherung der eigenen Herrschaft aus den Augen.

Das Image des Reformers, der sein Land modernisiert und so private Investoren anlockt, fiel im November 2017 endgültig in sich zusammen, als bin Salman vier amtierende Minister, elf Prinzen und etwa 200 Unternehmer festnehmen ließ. Saudi-arabische Medien stellten die Festnahmen als Schlag gegen Korruption dar; die Liste der Festgenommenen umfasste jedoch vor allem einflussreiche Verwandte des Kronprinzen, die möglicherweise zu Konkurrenten um die Macht hätten werden können. Außerdem hatte der libanesische Regierungschef  Anfang November während eines Aufenthalts in Riad überraschend seinen Rücktritt verkündet. Die Umstände der Rücktrittserklärung führten zu Spekulationen, dass ihn Kronprinz bin Salman dazu gezwungen habe und ihn seitdem in Riad festhalte.

Harte Hand gegen Schiiten

Im Schatten seines Vaters hat der Kronprinz freie Hand, um die Stellung des Königshauses in dem Wüstenstaat auch für die Zukunft zu sichern. "Er will Reformen, die das Land ins 21. Jahrhundert bringen, aber eben in das 21. Jahrhundert nach chinesischem Modell und nicht nach einem liberal-westlichem Modell", sagte Nahostexperte Guido Steinberg der Plattform Qantara.de. Um die Untertanen zur Gefolgschaft zu bewegen, schreckt bin Salman nicht vor Gewalt zurück, insbesondere gegen die Schiiten im Land. Im Januar 2016 ließ die Regierung 47 angebliche Terroristen hinrichten, darunter auch den prominenten schiitischen Prediger Nimr al-Nimr. Seine Anhänger in der Stadt Awamiya reagierten mit einem Aufstand, der damit endete, dass die Armee einrückte und ein komplettes Altstadtviertel dem Erdboden gleichmachte.

Zerstörung in der saudischen Stadt AwamiyaBild: Reuters/F.Al Nasser

Beim Umgang mit Schiiten schwingen immer auch strategische Überlegungen um die regionale Vormachtstellung mit: Im Jemen bombardiert Saudi-Arabien seit 2015 schiitische Huthi-Rebellen, weil es befürchtet, der schiitisch dominierte Erzfeind Iran würde sonst in dem Land einen Brückenkopf auf der arabischen Halbinsel errichten.

Bin Salmans Anti-Iran-Achse

Die saudische Feindschaft mit dem Iran bestimmt auch die Wahl der Verbündeten: Unter Mohammed bin Salman entwickelt sich eine Anti-Iran-Achse zwischen Riad, Washington und Israel. Nach dem eher saudi-kritischen US-Präsidenten Barack Obama sucht dessen Nachfolger Donald Trump die Nähe zu Riad. Saudi-Arabien war das allererste Ziel der Air Force One nach seiner Amtsübernahme. Trump und König Salman vollführten gemeinsam einen traditionellen Schwertertanz, Trump-Schwiegersohn Jared Kushner und der Kronprinz unterhielten sich bis in die Nacht. Trump handelte ganz im Sinne des Verbündeten, als er im Mai den Atomvertrag mit Iran aufkündigte.

Der Kronprinz gewann auch Israel als Verbündeten, indem er nach einem Kushner-Besuch Palästinenserpräsident Mahmud Abbas im November 2017 nach Riad bestellte und ihm einen Friedensdeal zum Nachteil der Palästinenser aufdrängen wollte.

US-Präsident Donald Trump beim Schwertertanz mit König Salman (3. v. l.)Bild: Reuters/J. Ernst

Übersteht der Kronprinz den Fall Khashoggi?

In den drei Jahren, in denen Mohammed bin Salman die Macht immer konsequenter an sich gezogen hat, hat er ein erstaunliches Fundament gelegt. Ob es die heftigen Erschütterungen im Fall Khashoggi übersteht, hat er jedoch selbst kaum in der Hand. Eher liegt der Ball bei Donald Trump, der zumindest in der Katar-Krise 2017 Riad treu beigestanden hatte. Bislang hat Trump die Bündnistreue zu Saudi-Arabien aufrecht erhalten und öffentlich die Erklärungen aus dem Königshaus zunächst als glaubwürdig beurteilte, anschließend jedoch weitere Auskünfte verlangt.

Deutschland hatte gerade erst alle Rüstungsexporte nach Saudi Arabien gestoppt und ein Einreiseverbot gegen 18 saudische Staatsbürger verhängt. Dabei hatte Außenminister Heiko Maas erst im September einen Streit mit Riad beigelegt. Auch diese Versöhnung gehört zum Fundament, auf dem Mohammed bin Salman bislang noch steht. Ob dieses Fundament den Fall Khashoggi auch übersteht?

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